Gran Turismo Sport – PREVIEW

Kaum eine Region auf dieser Erde hat so viel Relevanz für den Motorsport, ja die gesamte Automobilbranche, wie die Eifel – die Region rund um den legendären Nürburgring. So manch Ikone wurden hier unsterblich, andere hatten beim Streben nach Ruhm weniger Glück; doch regelmäßig wurde Geschichte geschrieben. So auch mehr oder weniger an dem Wolkenverhangenen Mittwoch, an dem wir von Sony an die berühmte Rennstrecke gebeten wurden, um den neusten Teil der Gran Turismo-Serie zu begutachten. Auch der soll Geschichte schreiben.

So ganz klar einordnen kann man Gran Turismo Sport noch nicht. Ist es nun ein ausgewachsener, siebter Teil, oder doch nur eine Art besonders umfangreiches „Prologue“? Die Wahrheit dürfte, wie so oft, irgendwo in der Mitte liegen. Der Grund für den Beinamen „Sport“ ist aber schnell ausgemacht: Polyphony Digital, also die Entwickler des Spiels, allen voran aber dessen Chef, Kazunori Yamauchi, wollen nicht weniger, als die Zukunft des Motorsports aktiv mitformen. Dazu haben sich so eng mit der FIA zusammengetan, wie es vorher für kein anderes Spiel auch nur denkbar gewesen wäre. Dass man in Spielen echte FIA-Rennligen nachfahren kann, ist ja quasi schon Standard. Doch Gran Turismo bzw. Polyphony ist bei der FIA nicht bloß Lizenznehmer, sondern echter Partner. Wenn GT Sport diesen Winter (am 16. November 2016) bei uns erscheint, wird man über das Spiel an Meisterschaften teilnehmen können, dessen Gewinner gemeinsam mit allen „echten“ Rennfahrern bei der einen, großen Preisgala der FIA geehrt werden. Sprich: Die Top-Spieler in GT Sport erhalten ihre Pokale auf der selben Veranstaltung, auf der auch Formel 1-Piloten, Rally-Stars, Langstrecken-Ikonen und mehr geehrte werden – werden auf die selbe Stufe gestellt. Eine solche Anerkennung durch eine konventionelle Sport-Institution bekam eSport noch nie.

Doch die Kooperation greift noch weiter: Spieler können quasi von ihrer Couch aus eine digitale FIA-Rennlizenz erringen. Dafür müssen sie, ganz wie im echten Leben, bestimmte Prüfungen bestehen. Der Clou: Durch diese digitalen Lizenzen wird es deutlich leichter dann eine „echte“ FIA-Rennlizenz zu erhalten, da viele Bereiche der Prüfungen und Bedingungen dem Bewerber quasi angerechnet werden. Das bedeutet nicht nur weniger Aufwand bzw. Hürden, sondern auch niedrigere Kosten! Und genau das ist wiederum das Ziel von Yamauchi-san: Mehr Leute zum Motorsport zu bringen – ihn wieder attraktiver und nahbarer zu machen. Der Haken: Aktuell stehen die entsprechenden Detail-Deals für diese Lizenzen wohl schon mit einigen europäischen Ländern, nicht aber mit Österreich oder Deutschland. Die Entwickler geloben aber, dass die Zahl der inkludierten Nationen bis zum Start – und darüber hinaus – noch deutlich wachsen wird.

Doch zurück zum Spiel: Dieses wird Zocker in Turnieren antreten lassen, in denen man entweder für sein Land, oder einen Hersteller Punkte sammeln kann um so Meisterschaften zu gewinnen. Die Idee dahinter, vor allem als Teil von Team und nicht als Einzelkämpfer zu agieren ist ebenso simpel wie „nett“: Menschen sind motivierter, wenn sie gewinnen … und desto mehr Preise es gibt, desto mehr Leute gewinnen auch, sind also motiviert. Yamauchi hat dieses Phänomen lustigerweise genau beim 24h-Rennen vom Nürburgring aufgeschnappt, bei dem er auch dieses Jahr wieder mitfuhr. Er meinte, es gäbe hier so viele Preise für die unterschiedlichsten Dinge, dass im Grunde jeder mit irgend einem Preis wieder nach Hause fährt … und deswegen höchstwahrscheinlich im Jahr darauf wiederkommt, um es NOCH besser zu machen.

Dennoch: Wo Preise zu holen sind, geht mit vielen Spielern schnell einmal der Ehrgeiz durch – die Fairness bleibt auf der Strecke. Da das ein echter Killer für das komplette Spielkonzept sein könnte, fragte ich bei einem Interview direkt bei Yamauchi nach, wie man diesem Umstand begegnen wolle. Die Antwort: Drei Säulen. Zum einen soll ein ausgeklügeltes Matchmaking-System dafür sorgen, dass nur Fahrer mit ähnlichem Alter und Können gegeneinander antreten. Darüber hinaus überwacht eine KI die normalen Rennen – achtet auf die Einhaltung der in einem eigenen Tutorial im Detail vorgestellte Renn-Netiquette, die auch jeder echte Rennfahrer lernen und verinnerlichen muss. Das System verhängt dabei im Zweifel aber immer über beide an einer Kollision beteiligten Autos Strafen – immerhin kann es nicht mit absoluter Sicherheit unterscheiden, wer nun wirklich Schuld war. Sobald es allerdings wirklich ums Eingemachte geht – man sich also den Titel-Rennen nähert, kommt die dritte Säule zum Einsatz: Menschen. Diese Rennen werden nämlich nicht nur live in die Welt übertragen und tatsächlich von einem Menschen kommentiert und moderiert, es wird auch Stewards aus Fleisch und Blut geben, die über das Renngeschehen wachen und im Ernstfall – eben wie im echten Rennalltag – Strafen verhängen oder gar Disqualifikationen aussprechen werden.

Natürlich wurden uns direkt über dem Paddock-Bereich am Nürburgring, in dem schon reges Treiben für das bevorstehende 24h-Rennen herrschte, nicht nur schöne Pläne erzählt, sondern auch Tatsachen gezeigt … also das Spiel selbst (übrigens laut Polyphony zu 50% fertig). Sah man dabei über die – hoffentlich – dem frühen Stadium geschuldeten Grafik-Unzulänglichkeiten hinweg, hinterließ es bereits einen tollen Eindruck. Die Fahrphysik ist erneut exzellent und erlaubt dank zahlreicher, teils in 10 Stufen regelbarer Fahrhilfen, dass sich auch Neulinge schnell über Erfolge freuen dürfen. Echte Cracks hingegen können freilich auch alle Assistenten zum Zuschauen verdammen und sich ganz auf das feine Gefühl in ihren Händen und Füßen verlassen. In beiden Fällen ließ sich auf der Hand voll zur Verfügung stehender Strecken schon jetzt eine Menge Spaß mit GT Sport haben. Persönlich besonders gefreut hat mich, dass Polyphony beim Sound nun offensichtlich endlich zur Konkurrenz aufschließen konnte; zumindest die enthaltenen Autos klangen nun tatsächlich wie Autos, und nicht mehr wie heiß gelaufene Mixer.

Dennoch: Viele Bereiche des Spiels waren schlicht noch zu unfertig um darüber bereits jetzt ein Urteil fällen zu können. Manche fehlten gar ganz. So versprach uns Yamauchi, der bei den 24h in einem brandneuen BMW M6 GT3 des Walkenhorst-Teams mitfuhr, der ebenfalls vorgestellt wurde, dass bis zum Launch noch ein Schadens- und Wetter-Modell den Weg ins Game finden soll. Das „Problem“: Offensichtlich machte Yamauchi in Gesprächen mit anderen Kollegen widersprüchliche Angaben und meinte, er werde aus Performance-Gründen KEINE Wetter-Effekte geben. Was nun stimmt, ist ungewiss. Als alter Pessimist gehe ich aber eher davon aus, dass man sich das Wetter für Teil 7 aufhebt.

Jedenfalls fest steht hingegen bereits der Umfang: Uns erwarten insgesamt 27 Strecken (verschiedene Layouts der selben Rennstrecken sind hier bereits mitgezählt) und 137 Fahrzeuge, aufgeteilt in vier Leistungsgruppen. Jedes einzelne davon darf nun erstmals nach Herzenslust lackiert und individuell beklebt werden – ebenso, wie es zB in Forza schon lange möglich ist. Außerdem wurde der immer schon vorhandene Foto-Modus anständig aufgemotzt und ermöglicht dank der Kombination aus echten Fotos und den grandiosen 3D-Modellen Aufnahmen, die teilweise tatsächlich nur noch sehr schwer von echten Bildern zu unterscheiden sind.

ERSTEINDRUCK

GT Sport hat mich auf jeden Fall fasziniert, wie schon im Text erwähnt tue ich mir mit der Einordnung aber noch ein wenig schwer. Gefühlt bietet es nämlich für einen Vollpreistitel etwas wenig Fleisch (137 Autos und 27 Strecken). Ob es allerdings überhaupt ein solcher wird, ist unklar. Also sei‘s drum, halten wir uns erst einmal an das, was ich vor Ort gesehen und gespielt habe. Und auf Basis dessen steht fest, dass Polyphony hier einen sehr interessanten Vertreter der Gattung Rennspiele in petto hat. Sofern das komplexe FIA-Turnier-System gut ausbalanciert werden kann, erwartet uns hier für Hobby-Fahrer, vor allem aber eSport-Cracks tatsächlich die nächste Dimension des Motorsports. Mein Schlusswort also: Rennspielfans mit einer PS4 dürfen sich GT Sport schon jetzt als Pflichtkauf vormerken … vor allem, wenn sie mit der Idee liebäugeln, mal eine Rennlizenz machen zu wollen.

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