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GRID im Test

Mit seinen letzten Titeln hat sich Codemasters als ein Studio bewiesen, das knallharte und dennoch unterhaltsame Simulationen besser programmieren kann als die meisten Mitbewerber. GRID aber ist anders. Hier ist die Kampflinie mindestens ebenso wichtig wie die Ideallinie, hier wird der Realismus zu Gunsten der Action gerne mal bei Seite geschoben, hier explodieren Konfetti-Bomben direkt über der Start-Ziel-Geraden, hier springen LeMans-Prototypen durch die Straßen San Franciscos, hier fährt fast jeder sinnbildlich mit dem Messer zwischen den Zähnen. Kurzum: Hier steht der Spaß im Mittelpunkt.

Wer von euch das Original-GRID – also Race Driver: GRID aus dem Jahr 2008 – kennt, wird die Entwicklung von GRID (also dem neuen Spiel jetzt) vermutlich recht genau im Auge gehabt haben. Immerhin versprachen die Entwickler, Fans des Erstlings hiermit einen würdigen Nachfolger zu bescheren. Und ja: Über weite Strecken ist ihnen das auch ganz gut gelungen. Aber leider auch nicht mehr. Das hat aber weniger mit den Dingen zu tun, die im Spiel zu finden sind, sondern mit denen, die fehlen. Sorgten im Original noch ausgefallene Renn-Serien wie Drag-, Togue- oder Drift-Events für Kurzweil und Abwechslung, warten hier nur „ordinäre“ Rennen. Das wird ihnen so mancher Fan übel nehmen – ich tue es jedenfalls. Doch genug der Melancholie – widmen wir uns dem Hier und Jetzt.

Hinsetzen, Spaß haben

Musste man im Original aus 2008 noch etwas sperrig Sponsorenverträge abschließen um an Kohle für Autos zu kommen, läuft Anno 2019 alles deutlich unbürokratischer (und somit auch mit deutlich weniger rotem Faden und Tiefgang) ab: Nach drei spektakulär inszenierten Intro-Rennen werdet ihr beim Klick auf den Karriere-Modus in ein schlichtes Menü geworfen, in dem alle 104 enthaltenen Events zu sehen sind. Aufgeteilt sind sie in sechs Serien – fünf davon mit 13 Einzelevents, eines aus 26 Invitational-Rennen zusammengestellt – an deren Ende jeweils ein Showdown-Event wartet. Habt ihr mindestens vier dieser Showdowns (in einem davon gilt es Ferando Alonso zu schlagen) bewältigt, dürft ihr euch quasi ins Endgame des Spiels werfen: Die Rennen der Grid World Series. Unnötig zu erwähnen, dass aber selbstverständlich nicht alle diese Events schon von Anfang an wählbar sind. Natürlich müsst ihr euch nach und nach hoch arbeiten.

Wie Eingangs erwähnt, steht bei GRID immer euer Spaß im Vordergrund. Dementsprechend schreibt euch niemand vor, welche Rennserie ihr wann in Angriff nehmen sollt. Ihr habt nach einem harten Arbeitstag Lust auf eine entspannte Runde Vollkontakt-Motorsport in alten Mini Coopern in den Straßen von Havanna? Kein Problem. Am verregneten Wochenende soll es lieber ein Ausdauer-Rennen in amerikanischen Stockcars sein? Gerne doch! Oder wie wäre es mit einem ganzen Nachmittag voller Tourenwagen-Rennen? Hier wird Ihnen geholfen … dank des bunt gemischten Mix an Rennserien und Autoklassen sollte GRID für jede Stimmung immer ein passendes Event parat haben.

Der Haken: Zum Start gibt es nur 13 Strecken. Natürlich in unterschiedlichen Layouts, zu verschiedenen Tageszeiten und sowohl bei trockenen Bedingungen als auch Regen (so kommt Codemasters auf „über 80 Pisten-Layouts“). Am Ende aber sind und bleiben es eben doch „nur“ 13 Strecken. Das ist, bei aller Liebe, zu wenig. Einziger Lichtstreif am Horizont: Codemasters hat bereits zugesagt weitere Kurse als DLC nachzureichen – und zwar kostenlos und für alle Spieler, egal welche Edition sie gekauft haben. Darüber hinaus wird es aber natürlich auch kostenpflichtige DLC-Packs geben. Wer jetzt zur Ultimate Edition greift (kostet für die PS4 rund 90 Euro), bekommt die ersten drei gratis – nebst anderer Startvorteile. Welche Inhalte genau nachgeliefert werden sollen, ist noch nicht bekannt.

Immerhin sind die besagten 13 Pisten aber nett ausgewählt und gut zusammengestellt. Es warten sowohl fiktive Strecken wie die mit sehr viel Leben gefüllten Stadtkurse, aber auch lizenzierte Real-Pisten. Dabei verzichten die Entwickler allerdings auf viele berühmte Klassiker wie den Nürburgring oder unseren Red Bull Ring. Stattdessen wurde etwa der wenig bekannte Sidney Motor Park ebenso virtualisiert wie der brandneue Zhejiang Circuit in China.

Wunschlos motorisiert

Die Auto-Auswahl weiß zu überzeugen – GRID bietet ein ungemein breites Spektrum an allesamt begehrlichen Sportgeräten. Historische Klassiker wie der Volvo 850 Kombi-Tourenwagen warten ebenso auf ihren Einsatz wie Formel-Fahrzeuge, in mehreren Abstufungen getunte JDM-Racer, fette Muscle-Cars, Race-Trucks oder eben top-moderne Rennwagen unterschiedlicher Leistungsklassen. Aufgeteilt in fünf Klassen mit insgesamt 20 Unterkategorien ergibt das am Ende über 60 Autos, die zum Start des Spiels zur Auswahl stehen. Natürlich müssen aber auch die erst einmal verdient werden – also mit in Rennen gewonnenem Geld gekauft. Sind sie einmal euer, dürft ihr ihre Lackierung bearbeiten. Die Möglichkeiten dazu wirken mit ihren nach und nach freischaltbaren Schablonen, bei denen ihr nur die Farben frei wählen dürft, im Jahr 2019 aber etwas angestaubt.

Absolut zeitgemäß ist hingegen das Handling der Boliden. Obgleich das Pendel der Fahrphysik deutlich stärker Richtung Arcade als Simulation ausschlägt, fahren sich alle Autos sehr unterschiedlich. Außerdem dürfen sich Fans von anspruchsvolleren Rennen durch abschaltbare Fahrhilfen durchaus darauf freuen am Kurvenausgang auch mal sehr behutsam das Gas dosieren zu müssen, um keine Bekanntschaft mit dem Schadensmodell zu machen. Dass jenes von leichten Schrammen, über abfallende Anbauteile und mechanische Schäden bis hin zum Totalschaden alles abbilden kann, war von einem Codemasters-Titel nicht anders zu erwarten. Ebenso, dass alles davon in der Regel durch das altbewährte Rückspul-Feature ungeschehen gemacht werden kann.

gänzlich neu ist das ausgefuchste KI-System, für das die Entwickler 400 unterschiedliche Persönlichkeiten ins Spiel integriert haben. Das Ergebnis überzeugt. Tatsächlich ist rund um euch immer eine ganze Menge los. Die KI-Piloten kämpfen nicht nur mit euch, sondern auch gegeneinander glaubhaft um jede Position, machen regelmäßig Fehler und gehen auch mal ganz bewusst auf Konfrontationskurs. Vor allem dann, wenn ihr es geschafft habt euch einen speziellen Fahrer durch zu häufiges oder starkes Drängeln zum Feind zu machen; vulgo Nemesis. Wird ein KI-Pilot zu einem solchen, wird er es ganz bewusst darauf anlegen es euch heim zu zahlen – also sowohl etwas Lack auszutauschen als auch vor euch über die Ziellinie zu düsen. Allerdings hält dieser Effekt immer nur für ein Rennen an. Obgleich ihr also immer gegen den selben Pool aus Fahrern antretet (manche der Namen kennt man übrigens aus dem Original – nettes Detail), müsst ihr nicht fürchten irgendwann gegen ein Fahrerfeld anzutreten, das sich geschlossen gegen euch verschworen hat.

Außerdem zieht ihr ja ohnehin nie allein ins Feld. Immer mit von der Partie ist ein Team-Kollege, dem einfache Befehle erteilt werden dürfen: „angreifen“ oder „Position verteidigen“. Je nachdem wie es um den Charakter und Situation des Kompagnons bestellt ist – auch er bzw. sie darf mit eurem verdienten Geld gegen versiertere und/oder loyalere Fahrer ausgetauscht werden – kann er diese sodann durchführen oder aber auch ablehnen. Und ja: auch eurer Team-Kollege kann einen, auf gut österreichisch, „Bick“ auf euch bekommen und zum Nemesis werden, wenn ihr es darauf anlegt.

Acht Zylinder für ein Halleluja?

Kommen wir zur Technik hinter GRID. Wenig überraschend kommt hier erneut die altbewährte EGO-Engine zum Einsatz … wie auch bei DiRT Rally oder F1 2019. Gerade in Hinblick auf den aktuellen Vertreter der Formel 1-Games kann GRID aber nicht mithalten. Viele der Verbesserungen, die F1 2019 zum echten Hingucker gemacht haben, scheinen sich nicht bis in die Büros der GRID-Kollegen durchgesprochen zu haben. Versteht mich nicht falsch: GRID ist ein durchaus hübsch anzusehendes Spiel – vor allem bei Nacht und Regen verwöhnen zahlreiche Wasser- und Blend-Effekte, dynamische Schatten und schicke Spiegellungen das Zocker-Auge. Dennoch: Gerade im Vergleich mit der Konkurrenz ala F1 2019, GT Sport, Driveclub oder Forza Horizon, können die Automodelle, Cockpit- und Umgebungsdetails als auch die Texturen nicht mithalten. Umso schlimmer, dass dann auch die Framerate nicht immer stabil bleibt. Bei meinem Test auf der PS4 Pro kam es ab und an zu deutlichen Rucklern, wenn es auf der Piste mal zu wild her ging. Schade.

Auch der Sound kommt bei mir leider nicht ohne Schelte davon. Nicht nur werden Quietsch-Geräusche von den Reifen inflationär und teilweise unpassend eingesetzt (bei strömendem Regen etwa), auch so manche Sound-Effekte selbst sind etwas daneben. Das charakteristische Knallen aus der Abgasanlage eines Tourenwagen klang etwa bei Zeiten mehr nach fest zugeschlagenem Mistkübel denn nach Explosion im Auspuff. Zudem fiel mir bei einzelnen Autos auf, dass die – an und für sich ausgezeichneten – Motorengeräusche nicht in jeder Perspektive gleich zu überzeugen wussten. Während der Ferrari F430 Challenge also beispielsweise aus der Cockpit-Ansicht (yay!) großartig klang, erinnerte sein Sound aus der Verfolger-Perspektive plötzlich an einen Rasenmäher. Ein Fall für den ersten Patch, vermute ich …

Mehrspieler – In der Theorie

Zu guter Letzt noch ein kurzes Wort zum Multiplayer-Part des Spiels. Ausprobieren konnte ich ihn selbst noch nicht, allerdings verspricht er auf dem Papier gute Unterhaltung. Bei bis zu 16 Autos auf der Strecke und maximal 99 Runden pro Rennen, darf auch sonst eigentlich alles frei eingestellt werden: Öffentliches oder privates Rennen, welche Fahrzeug-Klassen und Fahrhilfen sind erlaubt, welches Wetter und welche Zeit es sein darf und ob und wie kompetente KI-Fahrer mitmischen sollen.

Natürlich müsst ihr euch aber nicht selbst mit den Mühen einer Lobby-Erstellung herumschlagen, wenn ihr das nicht wollt. Einfach Quick-Match-Funktion wählen und los gehts. Witzig: Statt bis zum Start eines Rennens auf einen langweiligen Lobby-Screen zu starren, bietet euch Codemasters zum Zeitvertreib an diesem Punkt den Skirmisch-Modus: Auf einer Strecke in Achter-Form dürft ihr am Steuer eines Jupiter Eagleray Mk5 Platz nehmen und nach Lust und Laune einen auf Destruction Derby machen. Nett. Achja – und nein: Splitscreen-Modus gibt es keinen.

FAZIT

Obgleich ich es den Entwicklern durchaus übel nehme, dass sie im vermeintlichen „Revival“ des ursprünglichen Race Driver: GRID den Drift-Modus weggelassen haben, so muss ich doch gestehen, dass ihnen am Ende dennoch ein spaßiger Racer gelungen ist. Allerdings kein perfekter. Ja, das Handling ist gelungen und die KI sorgt für Action-reiche und spannende Rennen; die Basics passen also. Ich persönlich hätte mir aber am Ende doch etwas mehr „roten Faden“ durch die Karriere, mehr technisches Feuerwerk und eine größere Strecken-Auswahl erwartet. So bleibt GRID ein spaßiges Rennspiel für Zwischendurch. Mehr aber nicht …

Was ist GRID? Arcade-Racer mit einer Garantie für action-geladene Rennen.
Plattformen: PC, PlayStation 4, Xbox One, Google Stadia
Getestet: PS4 Pro
Entwickler / Publisher: Codemasters / Koch Media
Release: 08. Oktober 2019
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 7.2

Einzelwertungen: Grafik: 6 | Sound: 8 | Handling: 10 | Spieldesign: 6 | Motivation: 6

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