Wenn man mir vor ein paar Monaten noch gesagt hätte, dass ich meine beachtlichen Backlog von Spielen ignorieren würde um ausgerechnet glorifiziertes Tauziehen zu zocken – nun, mein schallendes Gelächter hätte euch vorübergehend das Gehör geraubt. MOBAs, sehr verehrte Leser. Verdammte MOBAs mit ihren drölfzigtausend Charaktere, doch recht hoch angesiedeltem Difficulty-Level und endlos toxischer Community.
Schlagt bitte (nicht) mit eurer Faust quer durch den Bildschirm, falls euch diese Geschichte bekannt vorkommt: Des Öfteren schon hatte ich die beiden momentan größten Vertreter des Genres, League of Legends und Dota 2, immer wieder mal angezockt – sowohl vorsichtig als auch frontal mit dem Gesicht voran, ohne Rücksicht auf Verluste. Während meines langen und beschwerlichen Leidensweges („L2P n00b“, „GTFO“, „wtf u doin“, et cetera). wurde ich mir zunehmend sicherer, dass diese Art von Spiel einfach nichts für mich ist. Die Lernkurve kommt einer schier vertikalen Bergwand gleich, Leute scheinen weder Geduld noch ein Minimum an geistiger Reife zu besitzen… kurzum, wieso sollte ich mir freiwillig ein MOBA antun? Lächerlich! Selbstverständlich hat es sich dann letzten Endes so ergeben, dass ich nun hier sitze und immer wieder hastig ein paar Zeilen tippe, während ich darauf warte dass der Respawn-Timer meinen Charakter zurück in die Arena lässt. Bitte. Bald. Sonst verlieren wir noch. Denn mittlerweile bin ich mir auch sicher, dass meine Mitspieler überhaupt nicht gewinnen wollen, so ziellos wie sie durch die Arena stolpern. Vom völlig unschuldigen Hasser des Genres zu einem Typen der dem Bildschirm Obszönitäten entgegenschreit in circa fünf Matches. Wundervoll. Verdammte MOBAs.
Für eine Tracht voll Prügel
Als sogenannter Hardcore Gamer hält man ja doch ganz gerne an einer gewissen Menge falschen Stolzes fest. Den Begriff „casual“ zu hören ruft eine Reihe interessanter Reaktionen hervor, inklusive (aber nicht beschränkt auf) angewidertes Nase rümpfen, skeptisches Augenbrauen hochziehen und höhnisches Abwenden – denn wenn ein Spiel als casual gilt, dann hat es plötzlich Lepra, die Pest und ist natürlich von jenem einen Developer und/oder Publisher erschaffen worden, den man sowieso noch nie leiden konnte. Da dürfen dann die ungewaschenen Massen ran – unsere Finger wollen wir damit natürlich keinesfalls beschmutzen. Der Weg zur Akzeptanz ist ein Hochseilakt bei Orkanwinden, während Bogenschützen ringsum es sich in den Schädel gesetzt haben, ein Nadelkissen aus einem zu machen: Das Spiel muss gerade casual genug sein um den Einstieg gegenüber der jeweiligen Konkurrenten zu erleichtern, aber schwierig genug zu meistern um eine langanhaltende Herausforderung zu bieten. Es ist exakt dieser Aspekt, der Blizzard-Spiele glücklicherweise immer schon inne halten, und weswegen sich so viele Magic: The Gathering-Anhänger in Richtung Hearthstone geflüchtet haben. Heroes of the Storm scheint es mühelos zu vollbringen den gleichen Ansatz umzusetzen, so dass sogar ein hartgesottener MOBA-Gegner wie ich es geschafft hat, in diesen Mo(ba)rast hineinzurutschen, und sich obendrein ob der abgebrochenen Äste die jetzt von allen Seiten meine Haut durchbohren auch noch zu freuen.
Teamwork. JETZT! Bitte?
Von größtem Vorteil ist da vor allem die vergleichsweise relativ kurze Matchdauer – statt den üblichen 40 verbringt man meist nur circa 20 Minuten damit, sich bis zur gegnerischen Basis durchzukämpfen. Das macht nicht nur etwaige Niederlagen viel einfacher wegzustecken, von denen man als Neuling nicht gerade wenige erleben wird. Ein zwischen allen Spielern geteilter Experience-Pool sorgt dafür, dass niemand im Staub seiner Mitspieler zurückgelassen wird. Es gibt weder einen Shop, in dem man sich noch während des Spiels Items zur Verstärkung des Charakters kaufen muss, noch kann man überhaupt Gold aufsammeln (bis auf eine Map, und dort ist es die grundlegende Mechanik). Die von Blizzard erschaffenen Schlachtfelder verlangen darüber hinaus allesamt nach einem hohen Grad an Teamwork: Im Tempel des Himmels gilt es Tempel zu verteidigen, auf dass sie ihre Macht in Richtung gegnerische Gebäude entfesseln. Der Garten der Ängste hat einen Tag/Nacht-Zyklus, und alsbald die Sonne hinter dem nicht sichtbaren Horizont verschwindet, müssen sich die Spieler daran machen Samen durch das methodische Abschlachten von Unkrautlern (Oh, wie ich wünschte, ich hätte jenes Wort soeben erfunden.) zu verdienen und sich somit ein massive Gartenungeheuer basteln, und mit dessen speziellen Fähigkeiten erstmal quer über die Karte wüten. Und das sind nur zwei der momentan sechs verfügbaren Maps. Und wenn dann – entgegen aller pessimistischen Erwartungen – doch alle Leute an einem Strang ziehen und sich die Fähigkeiten der einzelnen Helden beim Erfüllen der Schlachtfeld-Ziele perfekt ergänzen, kann das schon mal Freudentränen hervorrufen.
Feendrachen-Kebab
Auf geschlagene 20 Jahre voller legendärer, in Gamerkreisen altbekannter Helden (und Bösewichte) zurückgreifen zu können schadet allerdings sicher auch nicht. Wenn Thrall die elementaren Kräfte seiner Ahnen beschwört um seiner Gegner zu frittieren, Jim Raynor mal eben die Hyperion ruft um eine breite Schneise der Verwüstung zu hinterlassen, oder sich Valla und Nazeebo am Anfang eines Kampfes fragen ob die Diener der Hölle nun stärker sind, jetzt da sie sich im selben Match befinden, dann werden sofort Erinnerungen an etliche, in Blizzards anderen Spielen verbrachte Stunden wach. Die verschiedenen Helden lassen sich in vier Klassen einteilen: Krieger, Unterstützung, Assassine, und Spezialist. Krieger sind meistens mächtige Fleischschilde, die völlig locker über das Schlachtfeld streifen und dabei ordentlich Schaden wegstecken können. Unterstützungs-Helden kümmern sich hingegen darum, dass alle anderen Helden nicht abkratzen. Assassinen sind verwerfliche, grausame Wesen, die meinen gesamten, erztiefen Hass verdient haben – es sei denn, ich spiele gerade einen. (Sie haben das Potential verdammt viel Schaden in sehr kurzer Zeit auszuteilen, und dann wieder in den Schatten zu verschwinden, bevor sie ein Krieger mit einem schiefen Blick zerschmettert.) Spezialisten sind die vermutlich am schwierigsten zu spielende Klasse, und teilen sich nochmal in zwei Unterklassen auf: Belagerungshelden können sind einer jeder Befestigung natürlichster Feind und Kommandohelden verstärken/unterstützen die NPCs des jeweiligen Schlachtfeldes mit ihren eigenen computergesteuerten Helferlein. Das Voiceacting hierbei ist gewohnt fantastisch, und die Animationen die mit den Fähigkeiten einhergehen unverwechselbar und beeindruckend in Szene gesetzt, so dass man sofort weiß welcher Held sich gerade auf einen zuprügelt.
Viel Auswahl für viel Geld
Helden zu kaufen gestaltet sich recht einfach: Zückt eure Geldbörse und küsst ihren Inhalt auf Nimmerwiedersehen. Oder spielt solange Matches und/oder besteht tägliche Quests („Spiele zwei Matches als Diablo-Held.“, „Gewinne drei Matches.“, et cetera), bis ihr genug Gold angesammelt habt um damit den Helden eurer Wahl zu kaufen. Gold und Echtgeld-Preise variieren von Held zu Held, aber glücklicherweise kann man jede Woche fünf (und auf höherem Spieler-Level dann sechs und sieben) Helden gratis spielen, was bedeutet dass man in Quick Matches hauptsächlich exakt jenen Gratishelden gegenüber stehen wird. Neben dem Spieler-Level, welches seine eigenen Vorteile mit sich bringt, hat jeder Held auch noch ein eigenes Level, dessen Anstieg neue Kostüm- und Reittier-Farben sowie gänzlich neue Kostüme mit sich bringt.
Ersteindruck
Heroes of the Storm befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt immer noch in der Closed Beta, und zu erwarten dass die Balance sich irgendwann nicht mehr im Flux befindet ist völlig sinnlos. Blizzard hat noch einige ihrer ikonischsten Charaktere in der Hinterhand – und selbst so müssen die schon vorhandenen Fähigkeiten ständig nachadjustiert werden. Spaß kann allerdings jetzt schon allemal erhascht werden, und ein kritisch-interessiertes Auge auf diesem Casual Gamer-freundlichen MOBA zu behalten können wir nur empfehlen.
Ein Gastbeitrag von Benedikt Wager
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