Aerosoft gibt uns mit dem Highway Police Simulator die Möglichkeit, die Rolle eines amerikanischen Polizisten zu übernehmen. Dabei wird großen Wert auf Realismus gelegt – hat der Klassiker Police Quest endlich einen würdigen Nachfolger bekommen?
Der Klassiker Police Quest von Sierra aus dem Jahr 1987 war ein Sierra-typisches Point and Click Adventure, in dem wir die Rolle eines amerikanischen Provinzpolizisten übernommen haben, der nach dem Ausstellen von ein paar Verkehrstickets plötzlich einem brandgefährlichen Drogendealer auf der Spur ist. Das Besondere an dem Spiel war die „realistische“ Darstellung der Abläufe im Polizeialltag. Vor dem Benutzen des Dienstwagens muss der Wagen auf Schäden inspiziert werden, vor Betreten des Gefängnisses die Dienstwaffe weggesperrt werden, der Funkverkehr erfolgte mit den korrekten Kurzbezeichnungen der jeweiligen Vorkommnisse, die Pistole sollte am Schießstand kalibriert werden, um auch etwas zu treffen – sonst war das Abenteuer immer recht rasch vorbei. Das war ein wenig mühsam, aber auch irgendwie interessant und durchaus lehrreich, und zumindest mit dem originalen Handbuch (und ein paar geladenen Speicherständen) auch durchaus zu bewältigen.
Der Highway Police Simulator geht nun in die selbe Richtung. Auch hier übernehmt ihr die Rolle eines Polizisten, der seinem Job nachgeht und dabei in eine spannende Story verwickelt wird. Auch im Highway Police Simulator zieht ihr nicht einfach eure Pistole und ballert dutzende Gangster über den Haufen, sondern erlebt eine halbwegs realistische Simulation des Polizeialltages… natürlich mit ein wenig mehr Action als es in der Realität normalerweise der Fall ist, aber dennoch unter (weitgehender) Einhaltung der tatsächlichen Arbeitsabläufe. Anfangs könnt ihr euren Charakter erstellen, entweder weiblich oder männlich, schwarz oder weiß, mit Frisur und Augenfarbe nach Wunsch. Ihr könnt auch eure Kindheit aussuchen – Kind einer Polizeifamilie oder als Straßenkind in rauen Verhältnissen aufgewachsen – beides bringt euch Vor- und Nachteile im Spiel.
Polizeialltag
Das Spiel beginnt damit, dass ihr euch mit eurem Streifenwagen auf den Weg macht, einen Gefangenentransport zu eskortieren. Am Beifahrersitz ist eure Kollegin, die euch daran erinnert, dass ihr schon ein wenig zu spät dran seid und euch beeilen sollt, um den Bus auf dem Highway zu treffen. Ihr steuert den Wagen durch eine recht offene und realistisch dargestellte Welt, mit anderen Fahrzeugen auf der Straße. Fußgänger gibt es zwar keine, aber das Straßennetz ist recht dicht und ihr benötigt das Navi, um zügig zum Einsatzort zu gelangen. Wenn ihr andere Verkehrsteilnehmer oder sonstige Hindernisse rammt, nimmt euer Polizeiwagen deutlich sichtbar Schaden und eure Kollegin gibt einen bösen Kommentar ab, aber sonst passiert nicht viel. Das liegt aber darin, dass ihr das Spiel anfangs automatisch im „Casual“ Modus startet, erst nach einer gewissen Zeit werdet ihr gefragt, ob ihr nicht in den „realistischen“ Modus umschalten wollt.
Wir erreichen also den Bus, der die Gefangenen gerade auf dem Highway transportiert, ein Polizeiwagen mit Blaulicht eskortiert den Bus bereits. Wir ordnen uns hinter dem Bus ein, und schon beginnt die Action. Zivile Autos nähern sich mit Vollgas von hinten, drängen uns und den Bus ab und es kommt zu einem Unfall. Maskierte und bewaffnete Gangster stürmen zum umgestürzten Bus, sprengen die Tür auf und befreien einen der Gefangenen. Wer jetzt auf eine Schießerei oder Verfolgungsjagd hofft, wird enttäuscht. Das Spiel geht erst 15 Minuten später weiter, Rettung und Feuerwehr kümmern sich um die Verletzten und die verunfallten Autos, wir und unsere Kollegin sind weitgehend unverletzt und müssen die Polizeiarbeit erledigen. Wir reden mit den Zeugen und Hilfskräften, machen Fotos der herumliegenden Fahrzeuge, helfen den Sanitätern, suchen die Gegend nach Hinweisen ab. Wir finden Teile einer Bombe, einen verlorenen Handschuh, einen Baseballschläger. Und danach geht es an den Polizeibericht – wir fertigen eine Skizze des Unfallortes an (wo liegen die Fahrzeuge und sonstigen Trümmer?), wir ordnen unsere zuvor geschossenen Fotos den Objekten auf der Skizze zu, wir müssen die Beschädigungen der Fahrzeuge im Bericht detailliert anzeichnen (bin ich jetzt Versicherungssachverständiger oder was?). Sind wir damit fertig – kommt es auch zu keiner Verfolgungsjagd, sondern wir müssen zur Polizeistation zurück fahren, wo der Chef ein kurzes Briefing abhält und uns (und unseren Partner) auf den Fall ansetzt. Neben dem Fahren mit dem Auto kommt es auch immer wieder zur Bewegung zu Fuß – die Polizeistation beispielsweise ist recht groß, neben der Kantine, dem Fitnessraum und dem Raum mit den eingelagerten Beweisen können wir auch mit unfreundlichen Kollegen oder der katzenbegeisterten Dame am Empfang plaudern. Die Gespräche sind alle vertont, aber nur auf englisch. Oft gibt es verschiedene Antwortmöglichkeiten, und die Story entwickelt sich je nach eurer Antwort in unterschiedliche Richtungen. Nachdem wir unsere Ausrüstung abgeholt haben, machen wir uns dann wieder auf den Weg zum Polizeiauto, um ersten Hinweisen zu der Gefangenenbefreiung nachzugehen. Grundsätzlich wäre das alles recht spannend und durchaus interessant inszeniert, wenn nicht…
Indie?
Der Highway Police Simulator ist grundsätzlich ein tolles Spiel – allerdings hat es die Züge einer Indie-Produktion, und das merkt man auch. Das Fahren durch die Landschaft hat mich anfangs an Open World Spiele wie GTA IV erinnert – nur das es im Highway Police Simulator keinerlei Fußgänger gibt. Auch die grafischen Details sind deutlich geringer als bei dem über 10 Jahre alten GTA IV (was eben aber auch ein AAA-Spiel war). Beim Fahren mit dem Auto reagiert die Steuerung sehr schwammig, und es kommt immer wieder zu Rucklern bzw. werden Texturen erst zu spät nachgeladen. In der Fahrerperspektive (ihr könnt zwischen zwei Außenansichten und der Fahrerperspektive wählen) gibt es keine Seitenspiegel und keine Rückspiegel. Ich habe auf meinem Testsystem – RTX 3060 bei 4K Auflösung – sowohl die Auflösung auf Full-HD reduziert als auch die generellen Grafikoptionen von „high“ auf „medium“ umgestellt – und keinerlei Verbesserungen bemerkt. Euer Charakter bewegt sich zu Fuß sehr seltsam durch die Welt – schaut fast aus wie Robocop. Und dann wären da noch die Bugs beziehungsweise seltsamen Situationen… und davon gibt es leider viele. Grafische Glitches, manche Sprachaufnahmen die klingen, wie wenn die Programmierer selbst einfach ein paar Sätze ins Mikrofon gemurmelt hätten, von einer Lippensynchronisation will ich gar nicht reden, manche Gespräche brechen recht abrupt ab, manchmal erscheint das Bild vom Gesprächspartner gar nicht, die anderen Verkehrsteilnehmer ignorieren Frontalzusammenstöße mit euch, die Grafik schaut trotz schlechter Performance aus wie von der PlayStation 2… das Spiel ist definitiv in schlechterem Zustand als viele Early Access Neuerscheinungen und meilenweit von der Qualität größerer AA-Produktionen entfernt. Hier hat sich der Entwickler wohl ein wenig übernommen, es ist eben auch mit den heute zur Verfügung stehenden Entwicklungstools nicht so einfach, eine detaillierte Open World Simulation und eine tolle Story zu programmieren, die es mit den großen Produktionen aufnehmen kann.
Kaufen könnt ihr das Spiel auf Steam, im Epic Store, im PlayStation oder Xbox Store. Für den PC ist mindestens eine RTX 2060 oder Radeon RX 5600XT sowie 16GB RAM notwendig.
Zusammenfassung
FAZIT
Der Highway Police Simulator versucht, eine Open World Darstellung des spannenden Arbeitslebens eines amerikanischen Polizisten darzustellen. Dazu gehören Patrouillen, Untersuchungen von Unfallorten und Verfolgungsjagden ebenso wie Schießereien und sogar die Verwendung eines Hubschraubers. All das passiert im Rahmen einer gar nicht so schlecht gemachten Hauptstory. Leider ist das Spiel aber technisch nicht ausgereift – schlechte Performance und Grafik, viele Bugs, selbst das Herumfahren auf dem Highway ist einfach nicht gut gemacht. Wer Interesse an (mehr oder weniger) realistischer Polizeiarbeit hat, kann sich das Spiel dennoch ansehen, aber wundert euch nicht über die aktuellen Probleme. Mir ist zwar in den ersten paar Stunden kein Fehler begegnet, der das Spiel zum Absturz gebracht hat oder der das Weiterspielen verhindert hat, aber die Anzahl der offensichtlichen kleineren Glitches war enorm. Das Spiel ist gestern erschienen, heute habe ich bereits einen 150MB Patch herunter geladen – vielleicht werden einige der gröberen Probleme ja noch behoben, aber derzeit verhindert das eine bessere Wertung.