Horizon: Forbidden West im Test

Aloy ist zurück! Einer der Titel, der bereits bei den ersten öffentlichen Auftritten der Playstation 5 die meisten Gamer-Münder wässrig machen konnte ist endlich da. Und Entwickler Guerilla Games nahm den Mund im Vorfeld ziemlich voll: Größere und gleichzeitig dichter besiedelte Welt, besseres Kampfsystem, höhere Bewegungsfreiheit und und und … Wir konnten bereits vor Launch herausfinden, ob sich haben sie sich die niederländischen Entwickler übernommen, oder doch einen echten System-Seller abgeliefert haben.

Ich muss zwar mit gewisser Scham zugeben, dass ich Horizon: Zero Dawn nicht platiniert habe, dennoch war der Titel sicher einer von denen, mit denen ich auf der PS4 mit am meisten Zeit verbracht habe. Das Setting, die Story, das Gampeplay … alles an Aloys erstem Abenteuer konnte mich schnell und nachhaltig in seinen Bann ziehen. Meine Freude, als der Nachfolger angekündigt wurde, war also groß. Die Überraschung aber nicht. Immerhin endete das Ganze mit einem perfekten „hey: Happy End … aber warte, hier, in der allerletzten Szene, noch schnell ein Cliffhanger als perfekte Auflage für Teil 2. Ha!“. Warum ich das erzähle: Weil es für den Storygenuss von Forbidden West in meinen Augen tatsächlich unverzichtbar ist recht genau zu wissen, was im Vorgänger alles passiert ist. Die Story von Teil 2 setzt zwar nämlich ein paar Monate nach dem Ende des Originals an, führt dessen Plot aber doch quasi unmittelbar fort; inklusive zahlreicher direkter Anknüpfungspunkte.

Das beginnt bei der Story rund um Aloys Suche nach der (erneuten) Rettung der Welt und zieht sich über zahlreiche Wiedersehen mit diversen Charakteren aus dem ersten Teil – vor allem in den ersten paar Stunden des Spiels. Klar: Man kann dem allen sicher auch ohne Detailwissen irgendwie folgen. Wenn ein Mann etwa schmachtende Nebensätze in eine Unterhaltung einwebt und am Ende immer wieder betont, wie sehr er sich wünschen würde, dass Aloy nach ihrem Abenteuer für immer und ewig zu ihm zurückkehrt, ist klar, dass die beiden sich kaum zum ersten Mal sehen. Nichtsdestotrotz sind Kenner hier klar im Vorteil. Und nein: Dafür braucht ihr jetzt nicht den Vorgänger nochmal durchspielen. Es gibt reichlich Story-Overviews auf YouTube. Das reicht.

Doch weiter im Text – bzw. zurück zur Story von Forbidden West: Ich bleibe nun freilich ganz bewusst sehr vage und hoffe einfach, ihr glaubt mir, wenn ich sage, dass die Geschichte durchaus gut ist, der aus Teil 1 aber nicht ganz das Wasser reichen kann. Dennoch: Erneut warten vorhersehbare, aber dennoch spannende Wendungen ebenso wie tatsächlich überraschende, starke sowie sympathische Charaktere und eine fulminante Präsentation des Ganzen. Dennoch: So großartig wie die Handlung von Teil 1 ist die vom Nachfolger nicht … der übrigens wieder mit einem Cliffhanger endet. Vor allem aber hat es Guerilla Games tatsächlich geschafft, allem rundherum deutlich mehr Substanz und Bedeutung zu geben. Die Sidequests etwa fügen sich fein in die Mainstory ein, stellen für sich selbst immer mehr interessante Charaktere vor und bieten auch inhaltlich etwas mehr als das übliche „gehe bitte dort hin, schalte alle Gegner aus und bring mir Objekt X“ …, auch wenn es diese selbstverständlich nach wie vor reichlich gibt. Aber zumindest ist deren Verpackung immer irgendwie interessant. Oder zumindest deutlich interessanter als noch im Vorgänger. Und darüber hinaus warten dann noch Arenen, Mini-Games, Challenges und mehr. Liegt Horizon: Forbidden West in Sachen Nebenbeschäftigungen am Ende also auf Augenhöhe mit den diesbezüglichen Benchmarks wie GTA 5 oder The Witcher 3? Nicht ganz … aber weit abgeschlagen ist es nicht.

Screenshot bitte, jetzt!

Auch in Sachen Spielwelt und Welt-Design weiß der verbotene Westen vollends zu überzeugen. Es wird etwa schon eine große, geografische Bandbreite geboten: von kargen Wüsten, über tropische Wälder, verschneite Gebirge und malerische Küstenstrände bis hin zu super-futuristischen Gebilden der Ancients wird alles geboten. Aber nicht nur die Bandbreite, auch die Qualität hat mich teilweise echt umgehauen. Faszinierende Ideen wie in alten, gigantischen und zugewachsenen Satelitenschüsseln errichtete Städte haben mir ebenso das eine oder andere „Wow“ abgerungen wie die bisweilen einfach malerische Aussicht, zusammengestellt aus glaubhaftem Verfall der alten – also unserer Welt – die sich die Natur zurückgeholt hat, und dem Neuen, dass die mehr oder minder primitiven Stämme der Menschen daraus gemacht haben. Vor allem aber war schön zu sehen, dass das alles nicht als bloßes, statisches Gemälde funktioniert, sondern tatsächlich lebt. Tiere und Maschinen streuen glaubhaft durch die Gegend, die Städte gefallen mit wuselndem, durch viele Animationen liebevoll komponiertem Leben und auch der Soundtrack im Sinne von Gesprächen und Geräuschen wurde deutlich verbessert.

Dazu kommt, dass eure Bewegungsmöglichkeiten durch diese offene Welt deutlich an Vertikalität gewonnen haben. Das wird zum einen durch neue Tools und andererseits durch verbesserte Klettermöglichkeiten ermöglicht. Letztere etwa sind nun nicht nur prinzipiell zahlreicher, sondern werden auch nicht mehr durch tatsächlich aufgeschmierte Farbe vorgegeben. Viel mehr könnt ihr durch einen „Scan-Impuls“ eures Fokus „bekletterbare Vorsprünge hervorheben lassen“. Das macht die Welt insgesamt hübscher und steigert gleichzeitig die Immersion. Gut. Auch das Klettersystem selbst wurde verbessert, obgleich es während meines Tests auch mit dem Day 1-Patch immer wieder dazu kam, dass Aloy vermeintlich einfach erreichbare Kanten einfach nicht greifen wollte. Zudem ist es nicht so, dass man jetzt wie etwa in Zelda einfach alle nahezu alle Wände hochklettern kann, die man findet. Die Kletter-Einlagen sind nach wie vor allesamt „handgemacht“ und führen immer an explizite, ebenso bewusst gestaltete Orte. Das fällt aber kaum negativ auf; so ein klein wenig an der Hand genommen zu werden um die „richtigen Orte“ zu erreichen finde ich auch in einer Open World immer wieder sehr angenehm. Ach ja: Und dass man auch Flugsaurier bändigen und besteigen sowie ins Meer abtauchen kann, ist in Sachen „Vertikalität fürs Spiel gewinnen“ natürlich auch kein Fehler.

Doch noch einmal zurück zu den erwähnten, neuen Tools, die ihr zum Bewegen durch die Welt verwenden könnt. Die beiden wichtigsten für eure Navigation durch den verbotenen Westen bekommt ihr schon sehr früh im Spiel. Zum einen den Greifhaken, mit dem ihr blitzschnell Türme oder speziell gekennzeichnete Vorsprünge erklimmen und euch abseilen könnt. Zum anderen ein im Kampf etwas lädiertes Energie-Schutzschild, das nun zwar nicht mehr zum Abwehren von Angriffen taugt, dafür aber einen erstklassigen Gleitschirm abgibt.

Das bringt uns nahtlos zum Gameplay

Natürlich wurde nicht nur in Sachen Bewegung aufgestockt, sondern auch in vielen anderen Belangen. Neue Waffen an und für sich warten ebenso wie neue und komplexere Möglichkeiten mit den Gerätschaften, die Kenner bereits im Einsatz hatten. So warten einerseits neue Munitionstypen, vor allem aber ein deutlich ausgebautes Charakter-Entwicklungssystem, das euch in sechs Kategorien jeweils in mehreren Ebenen Erfahrungspunkte ausgeben lässt. Damit werden sodann passive Skills ebenso wie neue „Superangriffe“ freigeschaltet, die zwar massiven Schaden anrichten, aber freilich erst nach einer gewissen Regenerationszeit wieder eingesetzt werden können. Alles in allem bekommen vor allem die Kämpfe dadurch VIEL mehr Tiefe als noch in Teil Eins. Auch wenn die Verwendung all dessen, gerade später im Spiel, wenn das Waffenrad mit den Waffen in erster und deren Munitionstypen in zweiter Ebene so richtig voll gepackt ist, im Eifer des Gefechts recht fummelig zu bedienen ist. Glücklicherweise stehen fünf unterschiedliche Schwierigkeitsgrade zur Wahl – von „danke, ich schau nur“ bis „Oh mein Gott, wir werden alle sterben“. Natürlich konnte ich nicht auf jedem das ganze Spiel durchzocken, die Abstufung schien mir aber sinnvoll und gut ausbalanciert.

Überhaupt erfordern die Duelle, gerade mit stärkeren Gegnern, so noch mehr Taktik und gezieltes Einsetzen sowie Kombinieren einzelner Fähigkeiten und Tools. Und apropos „stärkere Gegner“: Auch das Design der diversen Gegner, sowohl Maschinen, aber auch Menschen – denn auch gegen solche zieht ihr wieder reichlich in den Kampf – hat es mir angetan. Auch wenn die Menschen es freilich schwer haben, bei so abgefahrenen Gegnern wie mechanischen Wildschweinen von der Größe eines Lastwagens, haushohen Schlangen oder sogar noch größeren Fledermäusen mit Tarnfähigkeit und Waffen-strotzenden Mammuts sonderlich im Gedächtnis zu bleiben. Des Rätsels Lösung: Viele von den Opponenten der Gattung Homo Sapiens wissen nun ebenso, wie man sich Maschinen untertan macht. Das hievt die Duelle mit ihnen freilich auch ein ganz neues Niveau. Immerhin muss man somit mit den Möglichkeiten beider gleichzeitig fertig werden. Also zum Beispiel auf Pfeil-Beschuss ebenso eingestellt sein wie darauf von dem Schützen und seinem Mount einfach über den Haufen gerannt zu werden.

Wie gesagt: Das Kampf-Gameplay ist jetzt eine ganze Nummer abwechslungsreicher, komplexer, aber damit teilweise auch schlicht mental fordernder als zuvor. Und das trotz der Tatsache, dass alte Skills wie das Analysieren von immer vorhandenen Schwachstellen mittels eurem Fokus noch ebenso vorhanden ist wie die Möglichkeit mittels „Konzentration“ die Zeit beim Zielen zu verlangsamen, während dem Sprinten cool auf den Knien eigentlich lächerlich große Distanzen dahin-zu-sliden oder natürlich euch in hohem Gras mit für unseren Rotschopf passenderweise roten Blüten zu verstecken.

Auch die altbekannten Lagerfeuer, die als Schnellreise-Punkte dienen, sind wieder zurück und ermöglichen es so schneller in einzelne Regionen der wirklich großen Welt zu reisen, sobald man sie zum ersten Mal erkundet hat.

Technik, die begeistert

Ich kam ja beim Abschnitt über die Spielwelt schon recht ins Schwärmen. Das hat natürlich viel mit der Grafik zu tun: Weitsicht, Vegetation, Geometrie, Lichteffekte, Schatten, Texturschärfe, Charaktermodelle, Ladezeiten … zu meckern gibt’s hier wenig. Ja, wenig. Nicht „nichts“. Denn obgleich Raytracing laut den Entwicklern für Sound, Physik und Shading zum Einsatz kommen soll – detailliertere Informationen habe ich zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht gefunden – hat gerade der Ton, aber auch die Beleuchtung oft ein mehr als merkwürdiges Verhalten an den Tag gelegt. Dass die Hauptcharaktere etwa in Cutscenes (Randbemerkung: Gesichtsanimationen und Co. sind großartig!) mittels unrealistischem, aber in Film und Fernsehen nicht unüblichen „Hero Light“ angestrahlt werden – also einer zusätzlichen Lichtquelle, die rein logisch nicht vorhanden sein sollte – kann ich noch leicht als „künstlerische Entscheidung“ verbuchen. Dass allerdings oft beim Wechsel zwischen Innen- und Außenbereichen die Beleuchtung der gesamten Szenerie aus dem Takt gerät und zumindest kurzzeitig alles viel zu hell, dunkel oder in der falschen Farbe beleuchtet, fällt einfach unter „Bug, der weg gepatcht gehört“.

Selbiges gilt für die gefühlt viel zu hellen Wassertropfen auf den Charakteren, wenn es regnet und die diversen Sound-Fehler, die mir auf meiner Reise untergekommen sind. Da waren Aloys Kommentare beispielsweise mal viel zu leise, um sie über die Hintergrundmusik verstehen zu können oder aber es waren eigentlich hundert Meter entfernte Roboter plötzlich so laut, als stünden sie direkt neben einem. Alles zugegeben nicht dramatisch, aber ein bisschen Polishing haben die Entwickler definitiv noch vor sich. Nichts zu meckern habe ich dafür an der Performance. Sowohl im Quality-, als auch im 60FPS anpeilenden Performance-Modus war die Framerate jederzeit tadellos. Trotz meiner Meckerei bleibt Horizon: Forbidden West am Ende ein echter Vorzeigetitel für die PS5.

Aber gut: Bei all dem Gerede über „PS5“ und System-Seller ist natürlich wichtig nicht so zu tun, als erschiene Forbidden West exklusiv für Sonys immer noch schwer zu bekommende Current-Gen-Konsole. Immerhin ist das Spiel, auch wenn es stolze 1,5 Jahre nach der Konsole erscheint, ein Cross-Gen-Titel. Erscheint also für die PS4 ebenso wie die PS5. Ich selbst kenne die PS4-Version dabei nur aus Videos der Entwickler; sag dazu also lieber nicht allzu viel. Auf denen sah es jedenfalls so aus, als scheint natürlich so manches Setting deutlich niedriger auszufallen, der allgemeine Look ist aber quasi identisch. Das wiederum heißt für mich: Was wäre bloß möglich gewesen, hätte sich Guerilla einzig auf die Current Gen konzentriert und die Old-Gen links liegen lassen? Wir werden es wohl erst bei ihrem nächsten Projekt erfahren …

Zusammenfassung

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