Indiana Jones ist zurück! Mit Indiana Jones und der Große Kreis im Test bringt das kürzlich von Microsoft absorbierte Bethesda ein von den Profis von Machine Games für PC und Konsolen entwickeltes Action-Adventure auf den Markt.
Machine Games war in der Vergangenheit für die genialen Wolfenstein-Shooter verantwortlich. Wolfenstein: The New Order und seine Nachfolger sind auch heute noch ein Durchspielen wert. Jetzt haben sie sich aber an etwas anderem versucht – Indiana Jones. Indiana Jones, der Prototyp des Forschers, Grabräubers und Antiquitätensammlers, der in seinen Filmen ein ganzes Genre definiert hat, und der auch bereits in einigen (meist guten bis sehr guten) Computerspielen seinen Auftritt hatte. Indiana Jones and the Temple of Doom war ein toller Spielautomat von Atari aus dem Jahr 1985, The Fate of Atlantis (Lucasarts, 1992) gilt bis heute als eines der besten Point and Click-Adventures aller Zeiten und Indiana Jones and the Emperor’s Tomb (LucasArts, 2003) war zumindest ein passabler Tomb Raider-Klon, um nur ein paar seiner bisherigen Auftritte zu erwähnen. Sein Einfluss auf die Computerspielgeschichte ist aber vor allem durch die unzähligen Games enorm, die durch seine Abenteuer im Kino inspiriert wurden. Das beginnt mit den richtungsweisenden Abenteuern von Sabreman (dem Durchbruch der isometrischen Abenteuerspiele aus dem Jahr 1984, damals noch am ZX Spectrum), und geht dann natürlich vor allem mit Lara Croft in Tomb Raider und Nathan Drake in Uncharted weiter.
Nun ist aber wieder das Original am Zug – auf in das neueste Abenteuer von Indiana Jones! Meine Erwartungen sind nach den letzten beiden Kinofilmen, Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull, (2008) und Indiana Jones and the Dial of Destiny (2023) ein wenig gedämpft, aber schauen wir mal wie sich Indiana Jones and the Great Circle (Indiana Jones und der Große Kreis) so spielt.
1936, Südamerika
Ich marschiere durch den Dschungel irgendwo in Südamerika. Eigentlich ist das kein Dschungel, sondern es schaut fast aus wie ein ausgetretener Wanderweg in Österreich. Die Vegetation ist nicht wirklich dicht, meine Machete brauche ich kaum. Mein Vater kommt ins Wohnzimmer, schaut auf den Fernseher und stellt fest, dass ich gerade wieder ein GoPro-Video zusammenstelle. So toll ist die Grafik im Spiel. Aber ok, mein Vater hat mich auch schon vor 10 Jahren gefragt, wer denn da gerade spielt, als ich mit meinem Sohn mit einer Partie FIFA beschäftig war. Und seit dem sind seine Augen nicht besser geworden. Egal, zurück zum Spiel. Ich bin nicht alleine unterwegs, sondern werde von drei Einheimischen begleitet, die aber nicht nur unter dem Gewicht meiner Ausrüstung schwitzen sondern auch immer mehr Panik vor angeblichen unsichtbaren Gefahren bekommen. Der Erste beginnt wie irr zu schreien und läuft weg, nachdem ich einen alten Steinkopf (Inka-Style) hinter einem Busch freigelegt habe. So ein Feigling. Der Zweite zieht kurz danach bei einem Flussübergang seine Pistole hinter meinem Rücken und läuft weg, nachdem ich ihm die Pistole mit meiner Peitsche aus der Hand geschlagen habe. Ich überlege noch jetzt, was er eigentlich mit der Pistole wollte. Umdrehen und abhauen hätte er auch können, ohne dass er mich zuvor von hinten erschießt.
Kurz darauf finden wir den Eingang zu einem alten Tempel. Mit der Fackel in der Hand geht es hinein, um kurz darauf den ersten Entdecker dieses Tempels zu finden – oder zumindest sein Skelett, dass in einer Todesfalle steckt. Weiter geht es, ein kleines Rätsel gelöst, und die goldene Statue im Zentrum der unterirdischen Anlage ist mein. Leider bricht nun alles in sich zusammen, und mein Begleiter und ich machen uns in typischer Indiana Jones-Manier aus dem Staub. Nun fällt mir auch noch mein letzter Begleiter in den Rücken, nimmt die Statue und lässt mich zum Sterben zurück. Naja, weit ist er nicht gekommen, und ich hetze, die Statue wieder im Besitz, auf der Flucht vor einer riesigen rollenden Kugel aus der Höhle hinaus… eine geniale Einleitung zum Spiel. Das ist Indiana Jones!
Around the World
Das Spiel geht danach im Jahr 1937, also zwischen den Ereignissen von Jäger des verlorenen Schatzes (1936) und Indiana Jones und der letzte Kreuzzug (1938), am (fiktiven) Marshall College in Connecticut weiter. Hier unterrichtet Indy ja bekanntermaßen als Professor der Archäologie. Nachdem wir den Brief einer Studentin, die aufgrund ihrer einsamen, schlaflosen Nächte den Unterricht verpasst hat und nun um Privatunterricht ansucht, gelesen haben, machen wir uns auch schon auf die Suche nach einem Eindringling am Campus. Wir finden den Einbrecher auch recht schnell, der schlägt uns aber k.o. und verschwindet, und mit ihm ein erst vor wenigen Wochen gefundenes altes Relikt aus Ägypten. Nachdem der Räuber ein Amulett verloren hat, erkennt Indy sofort, dass dies zu einer Spezialeinheit des Vatikans gehört, packt seine Peitsche in den Koffer und schon bewegt sich der berühmt gewordene rote Strich über die Landkarte, während wir über den Atlantik nach Rom fliegen.
Im Vatikan können wir natürlich unseren Freund Antonio nicht einfach besuchen, sondern müssen uns mühsam über ein von Mussolinis Schwarzhemden besetztes Schloss hinein schleichen. Scheinbar sucht auch Mussolini irgend etwas im Vatikan. Der Weg ist grundsätzlich schlauchartig, wenngleich wir immer wieder beispielsweise im Erdgeschoss, im ersten Stock oder z.B. über das Dach voran kommen können. Wir betäuben unsere Gegner im Nahkampf (oder schleichen ganz an ihnen vorbei). Unsere Pistole mit ein paar Schuss Munition haben wir zwar ebenfalls dabei, sollten wir aber nach Möglichkeit nicht verwenden. Faustkämpfe und Peitschenschläge fallen kaum auf, Pistolenschüsse jedoch schon. Indy findet immer wieder lehrreiche Bücher. Wenn er diese auch liest (kostet Abenteuerpunkte), lernt oder verbessert er seine Fähigkeiten.
Nach Rom reist Indy dann erwartungsgemäß zu Orten auf der ganzen Welt – die, wenn man sie verbindet, einen großen Kreis um die Erde bilden. Die Pyramiden von Gizeh, ein Tempel in Thailand, das Himalaya Gebirge, der Dschungel von Peru, China und der Irak sind weitere Handlungsorte… der Levelaufbau ist unterschiedlich, mal sind die Bereiche offen und laden zur freien Erkundung ein, dann sind sie wieder ein wenig beschränkter und zwingen euch in einen vorgegebenen Pfad. Im Regelfall sind sie jedoch überaus weitläufig. Vom Gameplay erinnert das Spiel in diesen Abschnitten am ehesten an HITMAN World of Assassination. Ihr werdet also sehr oft an Gegnern vorbeischleichen (es dauert immer ein wenig, bis sie euch entdecken) oder sie möglichst lautlos (am besten von hinten und mit einem harten Gegenstand) ausschalten, ihr könnt sogar die bewusstlosen Körper verstecken. Sogar Verkleidungen sind möglich, wobei beispielsweise Offiziere im Vatikan erkennen, dass ihr kein Priester seid.
Im Vergleich mit Uncharted
Als jemand, der gerade erst die gesamte Uncharted Serie durchgespielt hat, drängt sich natürlich der direkte Vergleich mit Indiana Jones and the Great Circle auf, da die Games doch einige Gemeinsamkeiten haben. Da wäre einerseits das Klettern. Nathan Drake ist ein begnadeter Kletterkünstler und viele Bereiche bestehen aus extremen Klettereinlagen. Auch Indiana Jones klettert regelmäßig – aber wesentlich realistischer als Nathan (oder Enzio, oder Lara). Indiana klettert an Regenrinnen hoch, hangelt sich an Vorsprüngen entlang, aber er tut dies vergleichsweise langsam, gerät dabei ins Keuchen und springt dann nicht in todesverachtenden Sprüngen über den halben Raum zum nächsten winzigen Vorsprung. Insgesamt ist es wesentlich schwieriger zu erkennen, wo Indy jetzt klettern kann und wo nicht. Die kletterbaren Bereiche sind grafisch nicht so auffällig hervorgehoben wie in Uncharted. Dafür hat Indy von Beginn weg seine Peitsche dabei, die Nathan in Form des Kletterhakens erst in Teil 4 der Uncharted-Serie bekommen hat. Indy kann die Peitsche, wie auch Nathan seinen Kletterhaken, nur an vorgegebenen Punkten einsetzen. Dann sind da die Feuergefechte. Bei Uncharted besteht ein beträchtlicher Teil des Gameplays aus Feuergefechten. Nathan ist ein immer freundlicher und nie um eine witzige Wortmeldung scheuer Typ – aber im Kampf metzelt er regelmäßig dutzende Feinde nieder. Indiana Jones spielt sich nicht so. Feuergefechte spielen hier nicht so eine große Rolle. Indiana kämpft zwar (u.a.) auch gegen die Nazis, aber er ist kein BJ Blazkowicz (der Held aus Wolfenstein), der mit dem überschweren Maschinengewehr zahlreiche Nazi-Übersoldaten in elektrischer Superpanzerung wegballert. Er ist eher der Typ, der unterbelichteten Nazischergen eine Lederjacke andreht. Oder sie in einem Faustkampf bewusstlos schlägt. Stealth und die Verwendung von in der Umgebung herumliegenden Hilfsmitteln, um einzelne Wachen auszuschalten, sind in Indiana Jones und der Große Kreis viel öfter das Mittel der Wahl. Indy verwendet Kerzenständer, Hämmer, Flaschen, Besen, Rohrzangen, Fliegenklatschen… was auch immer gerade in der Gegend herumliegt. Meistens zerbricht das Zeug nach wenigen Anwendungen, oder Indy verliert es, wenn er klettert. Gameplaymäßig ist das weit weniger spektakulär, aber zumindest fehlt hier die in Uncharted oft kritisierte „ludonarrative Dissonanz“ (freundlicher Typ/Killermaschine).
Bei den Fluchtsequenzen sind sich beide Spiele sehr ähnlich. So wie Nathan durch brennende Häuser, über einstürzende Brücken, auf der Flucht vor diversen übermächtigen Gegnern oder natürlichen Gefahren (Panzer, Feuer, Wasser, alles auffressende Käfer,…) in letzter Sekunde dem Tod entrinnt, so entkommt auch Indiana Jones immer wieder knapp der tödlichen Gefahr. Der einstürzende Tempel in der Einleitung ist nur ein so ein Beispiel.
In Uncharted findet Nathan an leicht versteckten Orten immer wieder kleine wertvolle Sachen (Treasures), die zwar toll aussehen, aber nichts mit der Story zu tun haben. Ganz anders in Indiana Jones and the Great Circle. Hier findet Indy andauernd Dinge, die oft offen herumliegen, und alle mit der Story zu tun haben. Briefe, Notizen, Schlüssel… dazu diverse verbrauchbare Gegenstände wie Geld, Bandagen, Nahrung für Gesundheit oder Ausdauer, Munition, Karten des aktuellen Levels… ok, und Sammelgegenstände gibt es auch – Comichefte wie in The Last of Us. Während Nathan zwei Waffen samt Munition herumträgt, hat Indy ein kleines Inventar mit allerhand Gegenständen bei sich. Beide Spiele beschäftigen uns immer wieder auch mit kleinen Puzzles – wirklich schwer sind die aber weder in Uncharted noch in Indiana Jones und der Große Kreis, wo sie aber zumindest häufiger vorkommen oder manchmal optional sind. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Spielen ist die Perspektive – Indiana Jones und der Große Kreis spielen wir aus der First-Person Sichtweise, was für deutlich weniger Übersicht sorgt als die Schulterperspektive in Uncharted.
Zusammenfassung
FAZIT
Indiana Jones und der Große Kreis ist ein absolut fantastisches Spiel. Tolle Story, Vertonung, Grafik, besser als die letzten Filme (meiner Meinung nach, das ist natürlich Geschmackssache), aber jedenfalls viel länger als die beiden Filme zusammen. Das Spiel versucht, der Vorlage möglichst treu zu bleiben. Exotische Locations auf der ganzen Welt, fanatische Nazischergen mit einem herrlich überzeichneten Bösewicht, eine okkulte Macht, eine hübsche Reporterin an Indys Seite, irrwitzige Actionsequenzen, witzige Dialoge – all das, was Indiana Jones zu so einem erfolgreichen Franchise gemacht hat. Indiana Jones und der Große Kreis ist jedoch kein klassischer Shooter. Wer hier wie in Wolfenstein einfach nur Gegner umpusten will, wird nicht glücklich werden. Es ist viel mehr ein Stealth/Puzzle Adventure mit Klettereinlagen und einer aufwendig inszenierten Story. Technisch ist es top – während meinem Test ist mir kein einziger Absturz oder ein sonstiges Problem untergekommen. Die Grafik war auch auf meinem mittelmäßigen PC absolut ruckelfrei. Ich bin mir noch nicht sicher, ob es mein absolutes Lieblingsspiel des Jahres sein wird – aber unter meinen persönlichen Top 3 befindet es sich jedenfalls!