inFAMOUS: Second Son Test

Konsolen verkaufen sich nicht von allein. Sie brauchen zugkräftige Exklusivtitel, die grafisch neue Maßstäbe setzen und Spaß machen … sie brauchen Spiele wie inFAMOUS: Second Son.

Um allerdings ein so zugkräftiger Exklusivtitel zu sein, ist eines nicht unbedingt notwendig: Gameplay-Innovationen. Dementsprechend begnügt sich Second Son auch mit der recht klassischen „bekannte Serie auf neuer Konsolen-Generation-Rezeptur“: Man behält, was schon in vorigen Teilen gut (oder zumindest relativ gut) funktioniert hat, ändert Setting und einige Feinheiten und steckt eine Menge Energie in eine neue Grafikengine, die das ganze anständig in Szene setzt.

Und vor allem letzteres ist den Entwicklern wirklich gut gelungen. Ich traue mich zu behaupten, dass Second Son eines der grafisch schönsten Spiele ist, die man als Normalsterblicher momentan kaufen kann.

Die eigens für das Game entwickelte Engine spielt alle aktuell zu erwartenden Shader-Stückerl und glänzt dabei vor allem durch den geschickten Einsatz von Partikeleffekten und Schatten. Aber auch der Polygon-Count, den die Engine durch die Platinen der PS4 drücken kann, ist durchaus sehenswert und schlägt sich in einer umwerfenden Weitsicht und angenehm detaillierten Charaktermodellen nieder. Richtig beeindruckend wird es allerdings, wenn man sich die sonst bei Konsolenspielen gerne mal vernachlässigten Aspekte wie die effektive Real-Auflösung und der Framerate ansieht. Das Spielt läuft in nativen 1920×1080 und sorgt gleichzeitig durch die Verwendung eines feinen Anti-Aliasings (man geht davon aus, dass SMAA T2X zum Einsatz kommt) für ein angenehm weiches Bild, dem aber dennoch nicht die Detail-Schärfe fehlt. Außerdem wurde auf eine unlimierte Framerate gesetzt. Die Konsole spuckt also immer so viele Frames aus, wie sie nur irgendwie kann. Das sind oft wirklich perfekte 60, meist aber weniger. In der Regel pendelt sich die Framerate zwischen 30 und 40 ein. Die Möglichkeit, dies auf 30 zu limitieren, was manchem subjektiv ruhiger erscheinen kann, wird per Patch nachgereicht.

Delsin wer?!

Doch kommen wir zum Spiel selbst: Wie anfangs schon erwähnt, ist die Grund-Rezeptur von Second Son für Serienkenner nicht wirklich neu. Nach wie vor tauchen wir in eine Welt ein, die vom Konflikt zwischen sogenannten Conduits (die Regierung nennt sie auch gern Bio-Terroristen) und der zu deren „Eindämmung“ gegründeten Behörde geprägt ist. Zur Erklärung: Conduits sind genetisch „andere“ Menschen, die besondere Fähigkeiten haben: Sie können gewisse „Elemente“ (Feuer, Licht, Stein, Strom, Papier, Fernsehen … ) beeinflussen und zu unterschiedlichen Zwecken nutzen. Wenig überraschend spielt ihr einen dieser Conduits – auch wenn der zu Beginn des Games noch keine Ahnung von seinen „Talenten“ hat. Er ist unter den „besonderen“ nämlich noch „besonderer“. Statt einfach eine spezielle Kraft zu besitzen, kann er die Kräfte anderer Conduits durch bloße Berührung absorbieren und übernehmen.

„Er“ ist übrigens Delsin Rowe: Mitglied des Akomish-Stammes, der etwas außerhalb von Seattle lebt. Er führt ein verhältnismäßig ruhiges Leben … fällt seinem bei der Polizei arbeitenden, größeren Bruder in der Regel nur dadurch immer wieder negativ auf, dass er den Drang verspürt durch Tags (Graffiti) auf seine politischen Überzeugungen aufmerksam zu machen. Als eines schönen Tages allerdings ein Conduit-Transport in ihrem Dorf verunfallt, sollte sich alles ändern. Delsin erhält „Superkräfte“ und wird dadurch gleichzeitig zum Gejagten, aber auch von seinen Kräften überaus angetanen Jäger. Es entbrennt ein interessanter und sogar recht vielschichtig erzählter Konflikt zwischen ihm und der Leiterin der DUP (Department of Unified Protection): Brooke Augustine. Ihres Zeichens übrigens selbst ein Conduit. Und selbstverständlich trefft ihr auf eurem Weg bis zum Abspann, der übrigens gut und gerne 10 Stunden dauern kann, noch einige weitere „Bio-Terroristen“, deren Kräfte ihr euch aneignet oder mit denen ihr sonst wie in Kontakt kommt.

Der Gameplay-Weg dorthin ist hingegen, bis auf die neuen Kräfte, in seinen Grundzügen altbekannt. Ganz Seattle, das beeindruckend nachgebaut wurde ist in Bezirke eingeteilt. So gut wie jeder davon ist zu Beginn in der Hand des DUP. Ein Umstand, der auf mannigfaltige Art und Weise geändert werden kann. Zum einen, in dem ihr deren Basen zerstört, vor allem aber auch dadurch, jede Menge kleine Mini-Missionen zu erledigen, die ihren Einfluss in dem betreffenden Gebiet schmälern. Da wollen also zum Beispiel Undercover-Agenten gefunden und ausgeschalten, Mini-Kameras zerstört, Graffitis gesprayt (übrigens indem ihr den Controller wie eine Spraydose „hochkant“ haltet und so dann auch sprayt – sehr cool!) oder Conduit-Kontroll-Punkte in die Luft gejagt werden. Habt ihr der DUP dann in einem Bezirk lang genug auf der Nase herumgetanzt, darf zu einem „Grande Finale“ geblasen werden.

In diesen wirft die Organisation dann in der Regel alles auf euch, was ihr gerade zur Verfügung steht. Seien es nun Hubschrauber oder einfach alle in der Regel ebenfalls mit Conduit-Kräften ausgestatteten und in unterschiedlichsten Farben und Formen auftretenden Soldaten, die sie gerade finden konnten. Übersteht ihr dieses Gefecht, ist der besagte Bezirk frei, wodurch euch dort dann auch fortan keine Patrouillen mehr auf die Nerven gehen. Immerhin dauert es nicht lang, bis ihr der DUP bekannt seid und somit jedes Mitglied selbiger bei der ersten Gelegenheit das Feuer auf euch eröffnet, wenn sie euch sehen … Wobei man wohl das Gesicht zur Identifikation wohl vernachlässigen kann. Wer sich als zu Rauch und Feuer morphender oder gigantische Lichtspuren hinterlassender Superheld in hohen Sprüngen durch die Stadt bewegt, ist schwer zu verwechseln. 😉

Held, oder nicht Held

Was uns zu den Fähigkeiten und der Gefechte bringt: Ihr startet mit den schon in den Trailern immer zu sehenden Feuer-Kräften, die schon mal verdammt cool sind. Später kommen allerdings noch andere hinzu – wie zum Beispiel die Neon-Fähigkeiten, die vor allem optisch eine ganze Menge her machen. Natürlich lässt euch Entwickler Sucker Punch aber nicht von vorherein mit allen Einsatzmöglichkeiten eurer Kräfte spielen. Die wollen verdient werden. Auftritt „Karma-System“: Wie schon in den bisherigen Titeln habt ihr an vielen Stellen des Games die Möglichkeit euch für eine Spielweise als netter, von allen geliebter Held oder doch als gefürchteter Super-Bösewicht zu entscheiden. Beides beeinflusst nicht nur maßgeblich, wie die Story verläuft, sondern auch welche Kräfte ihr freischalten könnt. Ihr könnt nämlich in beide Richtungen aufleveln, wobei die richtig fetten Moves natürlich zumeist nur den höheren Levels der beiden Ausprägungen vorbehalten sind.

Hier hat Sucker Punch übrigens auch einen sehr schönen Spannungsbogen-Spagat geschaffen. Wenn ihr euch halbwegs intensiv mit den Sidemissions und euren Fähigkeiten beschäftigt, bekommt ihr immer genau zum richtigen Zeitpunkt (also wenn euch die Feuer-Kräfte gerade langweilig werden und wenn ihr das Gefühl habt, die Stadt nun schon gut genug zu kennen) etwas gänzlich Neues in Form von neuen Stadtteilen oder eben Fähigkeiten vorgesetzt, das euch gleich wieder mit voller Kraft in seinen Bann zieht und am Controller hält.

Schattenseiten

Ist inFAMOUS: Second Son also das perfekte Spiel? Nein. „Natürlich“ nicht. Viele der Tasks, die euch aufgegeben werden um Sektoren zu befreien oder euer Karma in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen, wiederholen sich oft und arten gefühlt durchaus mal in „Arbeit“ aus. Auch hat das Karma-System selbst, dass streng in „gut“ und „böse“ trennt – gerne auch mal durch bloßen „A“ oder „B“-Knopfdruck in Story-Sequenzen fast schon etwas antiquiertes. Auch passt das System mit der Story nicht so ganz zusammen … will man die höchste Stufe der bösen Kampagne erreichen, muss man im Grunde jeden umbringen, der einem über den Weg läuft. Wie das damit zusammenpasst, das Delsin ursprünglich nur loszieht, um die nötige Kraft zu bekommen, seinen durch Augustine schwer verletzten Stamm zu retten? Gar nicht. Auch die Steuerung gönnt sich ab und an ein paar Aussetzer. Solang man noch nicht die Neon-Fähigkeiten hat, die es einem erlauben Häuserwände einfach hochzulaufen, muss man sich recht oft auf das Kletter-System des Spiels verlassen. Dieses funktioniert allerdings recht oft nicht wirklich, womit man frustierend oft auf einer Häuserwand herumhupft wie der größte Volltrottel, nur um einen Vorsprung vielleicht doch endlich noch greifen zu können, der ganz offensichtlich in Reichweite wäre. Wehe natürlich, man wird in solchen Momenten auch noch angegriffen.

FAZIT

Ich sollte mir wohl echt abgewöhnen, meine Kritik an einem Spiel immer an den Schluss zu stellen. Das hinterlässt immer einen etwas schalen Nachgeschmack, wenn man sich daran macht, das Fazit zu lesen, oder?! Ein solcher ist aber im Grunde absolut nicht angebracht. Trotz der Probleme mit der Steuerung und dem Moral-System ist inFAMOUS: Second Son nämlich ohne Zweifel das momentan beste PS4, wenn nicht überhaupt Next Gen-Spiel. Die Story ist gut, das Gameplay spaßig und zumeist abwechslungsreich und die Grafik wie schon erwähnt schlicht und ergreifend der Hammer. Für mich steht fest: Jeder, der eine PS4 sein Eigen nennt und mit Action-Spielen auch nur ein bisschen anfangen kann, muss hier zugreifen. Beide Daumen hoch!

Gesamtwertung: 9.6

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 10 | Handling: 8 | Spieldesign: 10 | Motivation: 10

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