Weihnachten steht kurz vor der Tür. Ihr wisst, was das bedeutet: Ein langes Spielejahr neigt sich neuerlich dem Ende zu. Dies nehmen wir auch heuer wieder zum Anlass, das Spielejahr 2018 mit euch zusammen ausklingen und nochmals Revue passieren zu lassen. In den kommenden Tagen präsentieren wir euch daher abwechselnd, welche drei Spiele bei uns heuer jeweils den größten Eindruck hinterlassen haben. In diesem Sinne laden wir euch ganz herzlich dazu ein, mit uns zusammen Rückschau zu halten und uns eurerseits in den Kommentaren daran teilhaben zu lassen, welche Spiele euer 2018 am meisten geprägt haben. Hier nun der Jahresrückblick von Markus.
Das Video- und Computerspieljahr 2018 stand für mich, undankbar wie ich bin, ganz im Zeichen der Sehnsucht; der Sehnsucht nach dem Jahr 2019. Denn im kommenden Jahr wird es endlich so weit sein und ich darf mich in das zweite Abenteuer rund um Ellie, Joel und sicherlich neue großartige Charakterkreationen aus Naughty Dogs Kreativschmiede stürzen. Und auch das Remake von Resident Evil 2 steht uns im Jänner ins Haus. Herz, was willst du mehr? 2018 wird mir jedoch stets als jenes Jahr in Erinnerung bleiben, in dem ich bei Gamers.at angeheuert habe!
Darüber hinaus war das aktuelle Jahr gezeichnet von der – mitunter beiderseits äußerst gereizt geführten – Diskussion über die Bedeutung historischer Authentizität in Videospielen. Auslöser war Kingdom Come: Deliverance und die mehr als nur fragwürdige Haltung des kreativen Leiters und Mitgründers der Warhorse Studios Daniel Vávra gegenüber der Kritik, seine digitale Interpretation Böhmens am Beginn des 15. Jahrhunderts weise eine historisch belegbare mangelnde ethnische und kulturelle Diversität auf. Und Telltale Games musste im November Insolvenz anmelden. Dass ich erst Tage zuvor die gesamte dritte Staffel ihrer Adventure-Reihe zu The Walking Dead erstanden hatte, konnte ihnen offenkundig auch nicht mehr helfen.
Nach diesem kurzen Dämpfer nun zu Ersprießlicherem, nämlich meinen Top drei Videospielen des Jahres 2018 *Trommelwirbel* (ihr könnt es alle bestimmt schon gar nicht mehr erwarten).
Platz 3: Dead Cells
Was mich nach dem ersten Ausflug in Dead Cells, dem Rouge-like und Metroidvania Indie-Titel von Motion Twin, tatsächlich nicht mehr los ließ, war der umwerfende Score, der dem Spiel, herzhaft unaufdringlich, seinen ganz eigenen Rhythmus verleiht und den Spieler bei seinen Erkundungen der zufallsgenerierten Level begleitet. Mal sind es sanfte Choral artige Klänge, unter die sich vereinzelte, leise abgemischte, isländische Schlachtrufe mischen und dem gesamten Score einen ätherischen Touch verleihen. Dann wieder greifen, aus der Distanz erklingende, treibende Trommeln und Paukenschläge in den Rhythmus ein und verleihen dem Geschehen einen härteren Takt, der sich sofort auf mich als Spieler überträgt, um dann kurzerhand neuerlich durch den melodischen Klang eines Saiteninstruments aufgelöst zu werden. Und hierbei handelt es sich bloß um den Score des ersten Levels. Im zunächst zugänglichen zweiten Level schließen sich etwa Flötenklänge dem Orchester an. Ein wahrlich auditives Erlebnis!
Dazu gesellt sich ein liebevoll gestalteter Pixel-Look, der sich einem ausgeklügelten Programmiersystem verdankt und dem Spiel eine herrliche Retro-Ästhetik verleiht. Komplettiert wird das Ganze durch ein flüssiges Spielkonzept mit präziser Steuerung, von der sich so mancher Genrevertreter eine Scheibe abschneiden könnte. Ausweichrollen, Sprünge, Hiebe und Schüsse können punktgenau und ohne Verzögerung gesetzt werden. Das hohe Spieltempo kann dadurch in vollen Zügen genossen werden. Unterschiedliche Waffen wurden mit unterschiedlichen Animationen versehen und verlangen die Erarbeitung eines spezifischen Timings. Dies eröffnet viel Variabilität führt mich jedoch zugleich zu meinem größten Kritikpunkt an Dead Cells. Denn der Titel hat für mich mit einer spielerischen Inkonsequenz, respektive einem ihm immanenten Widerspruch zu kämpfen. Gerade jenes Moment, das für Langzeitmotivation sorgen soll erwies sich in meinem Durchgang bereits nach kurzer Zeit als verheerender Pyrrhussieg: alle Waffen freizuschalten, nur weil man es sich leisten kann, ist mitunter keine gute Idee (andererseits, in Abwandlung, ein guter Rat fürs ganze Leben). Denn wenn einem etwa das Move-Set eines schweren Hammers nicht liegt, so verwässert man sich mit dem Kauf desselben fortan für alle Zeit den Loot, der uns in jedem Level – zumindest theoretisch – mit immer besseren Waffen versorgt. Ob einem das Move-Set einer bestimmten Waffe oder Waffengattung liegt zeigt sich oftmals jedoch allererst nach dem Kauf derselben, im Zuge der ersten Testhiebe. Und dennoch verzeihe ich Dead Cells diese Schwachstelle, ob seines ästhetischen Glanzes, immer wieder gerne und schwinge mich zu einem neuen Versuch auf, den Endgegner zu erlegen… mit einem Hammer, der so behäbig ist, dass ich mir genauso gut auch gleich die eigenen Kniescheiben einschlagen könnte.
Dead Cells bei uns im Test.
Platz 2: Detroit: Become Human
Detroit, wörtlich genommen die Meeresenge (zwischen den USA und Kanada), ist heutzutage vor allem bekannt als das Zentrum der amerikanischen Automobilindustrie, als die Motor City und Geburtsstädte der berühmten Tin Lizzie, dem Ford Model T, dem ersten massenproduzierten Auto. Der industrielle und wirtschaftliche Aufstieg Detroits begann im späten 19. Jahrhundert mit der Manufaktur gusseiserner Öfen und endete 2013 mit dem Bankrott. Vor nunmehr gut fünf Jahren musste Detroit, als bisher größte Stadt innerhalb der Vereinigten Staaten, Konkurs anmelden. Eingeholt von der selbstverursachten wirtschaftlichen Krise des Fordismus und der mit ihr einhergehenden Verschärfung sozialer Konflikte, stand die in Detroit verbliebene Bevölkerung am Rande des Ruins. Darüber hinaus hat Detroit, über die U.S.-Grenzen hinweg, durch immer wieder aufflammende gewaltsame Repressionen des schwarzen Bevölkerungsanteils durch den weißen traurige Bekanntheit erlangt. Rassenunruhen, wie diese Konflikte euphemistisch bezeichnet werden, haben das soziale Klima Detroits immer wieder, bis weit über den Siedepunkt hinaus, aufgeheizt.
Es scheint nicht zuletzt dieses Amalgam von Prosperität und Niedergang, gewaltsamer rassistischer Unterdrückung und Widerstand gegen die Entrechtung von Minderheiten, sowie dem damit einhergehenden Mut zum Neuanfang zu sein, welches David Cage dazu veranlasste Detroit – gleichsam Epitom der Widersprüchlichkeit von Gesellschaft – als Schauplatz der Geschichte um zu Bewusstsein kommende Androiden und die sich ihnen dabei stellenden Widrigkeiten auszuwählen.
Es ist jedenfalls dieses, durch das Spiel über weite Strecken stimmungsvoll bebilderte, Setting, welches Detroit: Become Human für mich zu einem der Highlights des Spielejahres 2018 macht und das Adventure von Quantic Dream auf Platz zwei meiner diesjährigen Bestenliste hievt. Auch wenn keine der Figuren und Erzählstränge dieses gesellschaftskritische Potential auszuschöpfen vermag, so regt das Spiel doch zum Nachdenken an: Sei es über den Umgang mit dem Fremden und Anderen oder die Bedeutung der zunehmenden Technologisierung für eine in ihrem Selbstwert über Arbeit definierten Gesellschaft. Bei allen popkulturellen Kompromissen bleibt doch ein unverwässerter historischer Kern, der nicht – wie etwa im Falle von Far Cry 5 – allseitigem politischem Opportunismus geopfert wird. Detroit: Become Human ist, trotz zahlreicher stereotyper Verkürzungen, die Geschichte einer versklavten und verfolgten Minorität, deren Kampf, sei es um Gleichberechtigung und Anerkennung, Identität oder das nackte Überleben, Grundfragen menschlicher Existenz thematisiert und zugleich cineastisch inszeniert. In Erinnerung bleiben mir sicherlich Karas Flucht vor dem Staat in einen winterlichen Vergnügungspark, inmitten dessen wir, mit Hilfe einer Legion von Hilfsrobotern des gleichen Fabrikats, ein Karussell anwerfen, um Alice zumindest einen kurzen Ausflug in eine unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen. Oder aber Karas Fahrt über den eisigen Detroit River in das rettende Kanada mittels Schlauchboot. Ebenso einprägsam war für mich Marcus‘ Erwachen auf dem Schrottplatz, auf welchem wir die Wahl haben unsere zerstörten Organe und Körperteile durch jene noch eingeschalteter oder aber bereits funktionsunfähiger Androiden auszutauschen. Mit Connor wiederum, in detailliert und liebevoll in Szene gesetzten Schauplätzen, Detektiv zu spielen bereitet investigative Freuden. Dass die Androiden mitunter gar keine Differenz (mehr) zu ihren biologischen Ebenbildern aufweisen wollen und dementsprechend auch immer wieder das durchschimmert, was Isaac Asimov unter dem von ihm kritisierten Frankensteinkomplex subsumiert hätte, trübt den Spielspaß der spielgewordenen Tech Demo Detroit: Become Human keineswegs, wenngleich meines Erachtens ausreichend Potential liegen gelassen wurde, um an der Thematik dran bleiben zu können. Ich hoffe ja noch immer, dass sich irgendwann einmal jemand an Asimovs I, Robot heranwagt, ohne das darin entfaltete Universum – wie es dem gleichnamigen Kinofilm (2004) von Alexander Proyas gelungen ist – in sein Gegenteil zu verkehren.
Detroit: Become Human bei uns im Test.
Platz 1: Yakuza 0
Im Battle Royale MMO-Shooter PlayerUnknown’s Battlegrounds stehen mir auf der Insel Erangel gut 64 km2 zur Verfügung. Und doch brauche ich nur eine Badewanne, ein Klo oder maximal einen Dachboden, um mich vor all jenen mit den unerhört guten Reflexen zu verstecken. Die Spielwelt von Links neuestem Abenteuer Breath of the Wild beläuft sich auf ca. 75 km2. Die frei erkundbare mediterrane Insel Medici in Just Cause 3 kommt gar auf beeindruckende 1036 km2 und auch die Insel Solis, das Spielgebiet von Just Cause 4, bleibt mit 1024 km2 nur knapp hinter ihrer Vorgängerin. Beide Gebiete sind somit, jeweils für sich, größer als die Insel Rügen (926 km2). Bethesdas Daggerfall aus dem Jahr 1996 wiederum zieht mit sage und schreibe aberwitzigen 161600 km2 an fast der gesamten Open-World-Konkurrenz lächelnd vorbei.
Und wie verhält es sich mit der Spielewelt von Yakuza 0, das seinen Weg 2018 auch auf Windows gefunden hat? Die beiden Städte Kamurocho und Sotenbori bringen es demgegenüber nicht einmal auf einen Bruchteil dieser Flächen. Beide Städte zusammen kommen auf keinen Quadratkilometer. Und dennoch sind sowohl Kamurocho (der Stadt Kabukicho in Tokyo nachempfunden), als auch Sotenbori (Vorbild war in diesem Fall die Stadt Dotonbori in Osaka) mitunter die lebhaftesten Spielewelten, die ich in meinem Videospielerleben je erkunden durfte. Vollgepackt mit liebevollen Details, wie unzähligen Neonreklamen, Werbetafeln und Schaufensterauslagen, bis hin zu Fahrrädern, Verkehrshüten und Müllsäcken sind auch eine Vielzahl der hier zu findenden Gebäude – zumeist Restaurants, Bars und unterschiedlichste Geschäfte – begehbar. So stärke ich mich zunächst bei einem Spezialisten für traditionelle japanische Speisen mit einem Glas Reiswein (Sake) und Sushi, um mich anschließend im örtlichen Bowlingcenter oder aber Schlagkäfig (Baseball) zu vergnügen. Danach ziehe ich weiter zu einem der SEGA Spielhallen (arcades) und nutze die Zeit zwischen den Quests, um alte Klassiker wie Space Harrier, Outrun oder Fantasy Zone zu spielen und neue Highscores aufzustellen (dabei geht die Steuerung so gut von der Hand, dass so mancher eigens dafür programmierter Emulator vor Neid erblasst). Oder aber ich versenke mein sauer verdientes, respektive zu Beginn vor allem erprügeltes, Geld in einen der dort aufgestellten Greifautomaten, um endlich den noch fehlenden lilafarbenen Grottenolm mit Zylinder, Schnurrbart und Spazierstock in meine Sammlung aufnehmen zu können. In den Städten tummelt sich darüber hinaus eine Vielzahl von Passanten, die sich mal alleine, mal zu zweit und dann wieder in kleinen Gruppen durch die Straßen schlängeln und mir den Weg versperren, wenn ich gerade wieder einmal Hals über Kopf vor irgendeiner mehrköpfigen Bande flüchte, die mir ans Leder will, weil sich die Mitglieder derselben entweder an meinem Aussehen stoßen oder aber von mir unvorsichtigerweise angerempelt wurden, was sie selbstverständlich nicht ungesühnt auf sich beruhen lassen können. Das Sahnehäubchen der Immersion ist eine Soundkulisse, die den Straßenlärm einer belebten Großstadt stimmungsvoll einzufangen weiß.
Yakuza 0 stellt dabei – ähnlich Resident Evil 0 – die 2015 neuveröffentlichte Vorgeschichte der berühmten Yakuza-Reihe dar. Dementsprechend spielt die Geschichte im Japan der 80er Jahre, was die angestaubte Technik und die hölzernen Animationen jedoch auch nicht wirklich zu entschuldigen vermag (dies lässt sich allerdings mit dem Umstand erklären, dass das Spiel in Japan auch noch auf der PS3 veröffentlicht wurde; Respekt SEGA). Entschädigt werde ich jedoch nicht nur mit einer der belebtesten Spielewelten, die ich je gesehen habe, sondern zugleich mit einer – auf mehrere Akte aufgeteilte – Geschichte, die alles beinhält, was man sich wünschen kann: Twists und Turns, große Emotionen, eine verzwickte Hintergrundgeschichte, glaubwürdige aber auch herzhaft überzogene Charaktere, abwechslungsreiche Nebenquests, immer wieder eine gesunde Prise (Selbst-)Ironie und vieles mehr. Auch wenn es sich bei Yakuza 0 ‚lediglich‘ um einen PC-Port eines bereits betagten PS4 Titels handelt, der darüber hinaus schon 2015 technisch nicht mehr zeitgemäß war, so ist es doch – mit Abstand – mein Spiel des Jahres 2018.