Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln. Jene süße Kontraktion der Gesichtsmuskulatur, die sämtliche Pforten in unser Inneres öffnet und zum Vorschein bringt, was uns wirklich bewegt. Freude, Glück – manch einer lächelt aus Scham oder Verzweiflung. Ich für meinen Teil grinse, um nicht weinen zu müssen. Was bleibt einem armen Clown denn anderes übrig in einer Welt, in der es einen Batman gibt? Er stürzt sich von Dächern, prügelt meine Hampelmänner genussvoll in den Rollstuhl und ich soll der sein der wahnsinnig ist? Nein, nein Bats! Ich mag für dich vielleicht ein schlechter Witz sein, doch es ging mir nie um die Lacher kleiner erbärmlicher Wichte. Es ging immer nur um eines: Ihren Respekt!
Glaubt es, oder glaubt es nicht. Doch irgendwie hat der Joker es geschafft als geheilt durchzugehen, nein, das ist kein Witz! Nun durchschreitet er die Pforten des Arkham Asylums als „gesunder“, freier Mann. Eine Nachricht, welche in Gothams Unterwelt ein Erdbeben auslöste, denn kaum war der Clownprinz des Verbrechens von der Bildfläche verschwunden, haben es sich der Pinguin und weiteres Gesocks in seinem Revier bequem gemacht und begonnen das entstandene Machtvakuum für sich zu nutzen. Eine Frechheit, die der Harlekin des Hasses nicht auf sich sitzen lassen kann. Fußvolk ist da, um Schuhe zu küssen. Das Privileg mit der Fledermaus tanzen und die Stadt zu foltern, ist der Elite des Verbrechens vorbehalten. Es wird Zeit diesen kleinen Lichtern in Erinnerung zu rufen, wer der König dieses verdorbenen Reiches ist. Und wenn er am Ende grinsend auf einer Insel aus Leichen, umgeben von Blut, steht, dann wird selbst dem dümmsten Schmalspurgangster klar, dass der Joker keinen Spaß versteht, wenn man ihm den nötigen Respekt verweigert.
König der Unterwelt
Ich besitze inzwischen einige wirklich gute Geschichten rund um Batman und den Joker. Doch kaum eine hat so einen besonderen Platz in meinem Herzen wie Joker. Die Kurzgeschichte von Brain Azzarello und Lee Bermejo übet in vielerlei Hinsicht ihren Reiz auf mich aus.
Erzählt wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive von Johnny Frost, einem kleinen Gauner am Rande der Gesellschaft, der seine Chance für den Aufstieg gekommen sieht, als er sich als einziger bereit erklärte den Boss von seinem Urlaub im Arkham Asylum abzuholen. Ein sehr cleverer narrativer Kniff, da er uns einen interessanten Blick auf Batmans Nemesis gewährt. In kaum einem anderen Comic wird der Clown so facettenreich dargestellt wie in diesem. Der Joker ist angsteinflößend, traurig, humorvoll, brutal. Er zeigt eine schon fast freundschaftliche Loyalität zu seinen Handlangern, nur, um ihnen dann als Statement und natürlich aus reiner Freude am Spaß bei lebendigem Leibe die Haut abzuziehen. Er vergewaltigt Johnny Frosts Ex-Frau, um diesen zu bestrafen, zieht sich gerne Kokain rein und als Frost heimlich durch das Schlüsselloch späht, sieht er seinen Arbeitgeber verzweifelt weinend in den Armen von Harley Quinn.
Dank Johnnys durch Bewunderung gefärbte Perspektive wird diese Inkarnation des Joker zur vielleicht unheimlichsten. Denn trotz aller Gräueltaten wirkt der Joker sympathisch, zumindest eine Zeit lang. Anfangs fühlt man mit dem Monster, genießt es wie er seinen Gegnern ihren Platz in der Welt vor Augen führt. Man zweifelt keine Sekunde daran, dass dieser Irre mit dem grünen Haar vielleicht nicht Batmans stärkster Feind ist, aber dennoch sein gefährlichster. Das liegt in der Unberechenbarkeit des Charakters. Zeigt er in einem Moment noch so etwas wie Empathie, dringt er im nächsten in die Wohnung eines alten Ehepaares ein und schlachtet dieses – im wahrsten Sinne des Wortes – ab, einfach aus einer spontanen Laune heraus. Erst im Laufe der Geschichte, als Johnny langsam klar wird mit welcher Zeitbombe er sich eingelassen hat, dreht sich auch die Wahrnehmung des Lesers.
Getragen wird die grandiose Erzählung Azzarellos durch den tollen Zeichenstil von Lee Bermejo. Der amerikanische Zeichner gehört mit seinem kantigen Stil zu meinen absoluten Lieblingen. Er war einer der ersten, welche das Grinsen des Jokers als Narbe darstellten und nahm damals das berühmte Design aus The Dark Knight vorweg. Ich weiß, Joker erschien mit 2008 im selben Jahr wie der Kinofilm, aber erste Skizzen Bermejos kursierten schon Jahre zuvor im Netz.
FAZIT
Joker ist in meinen Augen ein moderner Klassiker. Zum einen, weil er die vielleicht verstörendste Interpretation des Clowns liefert, zum anderen, weil man mit dem Kniff dem Leser die Geschichte aus der Sicht eines Handlangers zu erzählen echt ins Schwarze trifft. Man findet Batmans Erzfeind stellenweise irgendwie sympathisch und gerade dadurch fährt einem seine spontane Bösartigkeit und das unberechenbare Wesen seiner Natur nur umso mehr durch Mark und Bein. Ich finde es immer wieder spannend zu sehen, wie die Unterwelt vor ihm erzittert, obwohl sein Auftreten auf den ersten Blick lächerlich und seine Physis nicht sonderlich beeindruckend wirkt. Er ist eine Zeitbombe, ein wandelnder Minderwertigkeitskomplex gepaart mit einem manischen Hang zum Sadismus. Eine unaufhaltsame Naturgewalt die fordert was ihr zusteht und nur in der Fledermaus ein würdiges Gegenüber findet. Jedes Mal aufs Neue versinke ich gerne in diese Geschichte rund um einen Mann der in seinem vermeintlichen Heilsbringer nur seinen Untergang findet. Ich kann jedem Batman-Fan nur raten es auch zu tun.
Was ist Joker? Eine finstere Charakterstudie mit dem Joker im Mittelpunkt.
Autor: Brain Azzarello
Zeichner: Lee Bermejo
Veröffentlicht von: Panini/DC Comics
Link: Offizielle Webseite