Vielleicht ist dieses Szenario in der Zukunft kein allzu abwegiger Gedanke mehr: Die weltbesten FIFA-Spieler, Fortnite-Stars und Gran Turismo-Rennfahrer stehen auf dem olympischen Siegertreppchen, bereit, offizielle Gold-, Silber- und Bronzemedaillen überreicht zu bekommen.
Auch wenn es wie der unerfüllbare Wunschtraum eines jeden professionellen eSport-Spielers klingen mag, könnten diese Tatsachen viel näher an der Realität liegen, als Sie vielleicht im Moment noch denken. Mit einer ständig verbesserten Spieletechnologie und dem anhaltenden Interesse einiger Offiziellen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), könnte ein zeitnaher olympischer Auftritt der weltbesten Spieler durchaus im Bereich des Möglichen liegen. Und die Unmengen von Preisgelder, die in diesem Sport ausgeschüttet werden, sind für die beschleunigte Zulassung sicherlich auch sehr hilfreich.
Der Widerstand regt sich
Aber was spricht eigentlich gegen die Aufnahme dieses Sports in das olympische Programm, wer hat sich dagegen ausgesprochen? Hier regt sich auf jeden Fall Widerstand von Seiten „herkömmlicher“ Sportler:innen. So hat etwa die Britin Sharron Davies, die Ihr Land bei einigen Olympischen Spielen mehrfach erfolgreich vertreten hat, auf Twitter wissen lassen, „… eSports sei sicher kein Sport … sondern ein Spiel!“
Auch die ehemalige kanadische Hochspringerin und Olympionikin Nicole W. Forrester vertritt eine ähnliche Ansicht. In einem Artikel für „The Conversation“ argumentierte die Sportwissenschaftlerin, dass eSports „im klarem Widerspruch zum Streben nach einer aktiven Gesellschaft steht“. Um ihre Argumentation zu untermauern, verweist sie auf die wissenschaftliche Definition des Begriffs „Sport“, der sich wie folgt zusammenfassen lässt:
- Es besteht ein Wettbewerb
- Ein Leitungsgremium legt die Regeln fest und überprüft diese
- Es handelt sich um eine physische Betätigung.
Dass die ersten beiden Ansätze auch für eSports gelten, ist auch für die Kanadierin klar, jedoch das dritte Kriterium kann auf eSports nicht zwingend angewandt werden. Sie betont, dass alle körperlichen Anforderungen von eSports auf keinen Fall mit jenen gigantischen Anstrengungen moderner Olympioniken verglichen werden könnten, die sich auf die Spiele vorbereiten. Und außerdem, so stellt sie weiter fest, wird die eSports-Szene fast ausschließlich von Männern dominiert und die Berichte über sexuelle Belästigungen weiblicher Spieler reißen einfach nicht ab. Eine Tatsache, die mit dem olympischen Gedanken keineswegs vereinbar und was der olympischen Anerkennung mit Sicherheit auch nicht zuträglich ist.
Trotz dieser vielfältigen und zum großen Teil stichhaltigen Argumente gibt es jedoch mehrere Gründe, warum eSports dennoch den Ausführungen dieser ehemaligen Sportlerinnen Paroli bieten kann.
eSports erstmals bei den Commonwealth Games
Die Commonwealth-Spiele sind natürlich in ihrem Gesamtauftritt viel kleiner als die Olympischen Spiele, aber sie sind schon seit Jahrzehnten ein wichtiges Sprungbrett für jede Sportarten, die es sich zum Ziel gesetzt haben, eine Zulassung für Olympia beim IOC zu bekommen. Als die Commonwealth Games Federation (CGF) die ersten offiziellen eSports-Bewerbe ankündigte, die bei den diesjährigen Spielen in Birmingham stattfinden sollen, sahen sich viele Insider der Szene in ihrer Annahme bestätigt, dass die olympische Zulassung nicht mehr weit entfernt sein könne.
Diese Gaming-Event wird vom 6. bis zum 7. August im International Convention Centre stattfinden und es haben sich die weltbesten eSports-Stars angekündigt, die bei diesen Spielen nicht nur um ein enormes Preisgeld kämpfen werden, sondern diesmal auch Medaillen.
Anschließend, im September finden die „Asian Games“ statt, bei denen ebenfalls die Spieler:innen in acht verschiedenen eSports-Bewerben um Auszeichnungen in Form von Gold, Silber und Bronze rittern werden.
Diese Veranstaltungen werden als eine Art olympischer Demonstrationsbewerb für das IOC genutzt. Sollten sich diese Events als großer Erfolg herausstellen, so würde eine Entscheidung für die Aufnahme des eSports ins olympische Programm den Verantwortlichen bestimmt leichter fallen.
Eine Cash-Cow für IOC
Es mag für viele gegen die Grundidee des Sports verstoßen, aber dennoch regiert das Geld die Welt. So sind Wetten auf den Ausgang eines eSports-Duells nicht nur eine lukrative Einnahmequelle für Unternehmen in der Wett- und Spielbranche, sondern die globale eSports-Wirtschaft wird laut der Forschungsplattform „Newzoo“ bis 2025 voraussichtlich 1,9 Milliarden US-Dollar wert sein. Diese Summe setzt sich vor allem aus Streaming- und Medienrechten, aber auch durch Sponsoring zusammen.
Hohe Einnahmen waren in den letzten Jahrzehnten immer schon eine Maxime des Internationalen Olympischen Komitees, das selbst mehr als 90 % seiner Einnahmen aus Medienrechten und Sponsoringgeldern einnimmt. Es wäre für die Verantwortlichen rund um Präsident Thomas Bach sehr einfach, eSports in ihre bestehende Finanzgebarung zu integrieren und auf eine weitere Einnahmequelle zu setzen, die für noch mehr Geldregen sorgen wird.
Während einige Verantwortliche in Lausanne dies öffentlich nicht kommentieren wollen, steht außer Zweifel, dass der finanzielle Aspekt eine entscheidende Rolle beim Entscheidungsfindungsprozess spielen wird, ob nun eSports als jüngstes Mitglied in die olympische Familie aufgenommen wird, oder doch nicht.
Es gibt bereits die „Olympic Virtual Series“
Mit mehr als einem Jahr Verspätung fanden letztes Jahr die Olympischen Sommerspiele in Tokio statt, die jedoch auf Grund der Auswirkungen der Pandemie mit vielen Einschränkungen versehen war und vor allem das Fernbleiben der Sportfans aus aller Welt wurde betrüblich festgestellt.
Die bereits ins Leben gerufenen „Olympic Virtual Series“ umfassen fünf eSports-Events: Autorennen, Baseball, Radfahren, Rudern und Segeln. Und gemäß dem IOC-Präsidenten Bach „ermutigt die Veranstaltung zur Teilnahme am Sport und fördert olympische Werte“.
Allein diese Aussagen sind ein deutliches Zeichen dafür, dass das IOC plant, eSports in seinen offizielles Programm aufzunehmen. Dieser Schritt wird auch als Möglichkeit gesehen, das verstaubte Image dieses Komitees ein wenig aufzupolieren, um auch mit der heutigen Jugend in Kontakt zu treten, von der ein großer Prozentsatz regelmäßig diese Spiele konsumiert.
eSports ist bereits Teil des olympischen „Fahrplans“
Schon lange werden von den Olympia-Verantwortlichen die verschiedensten Verbesserungsvorschläge für die eigene Außenwirkung präsentiert.
So wurde vom Vorstand des IOC ein Paket von 15 Vorschlägen veröffentlicht, das allgemein als „Olympische Agenda 2020+5“ bekannt ist, und die bis zu jenem Jahr größtmöglich umgesetzt werden soll. Einer dieser Ratschläge bezieht sich direkt auf eSports und lautet sinngemäß: „Die Entwicklung virtueller Sportarten ist zu fördern und man soll sich weiterhin mit den verschiedenen Videospielgemeinschaften beschäftigen“. Auch dieses Statement kann als klares Zeichen verstanden werden, dass eSports stark in den olympischen Fokus gerückt ist.
Sollte tatsächlich das IOC eSports als Möglichkeit sehen, das größte und bedeutendste Sportereignis der Welt zu reformieren, dann liegt es nahe, dass dieser Sport möglicherweise schon vor den Olympischen Spielen in Paris im Jahr 2024 in sein Veranstaltungsprogramm aufgenommen wird.
Und solltet ihr bis jetzt gedacht haben, dass ihr es mit Sicherheit nie zu den olympischen Spielen schafft, so könntet ihr euch das noch einmal gründlich überlegen, denn wenn du ein hochtalentierter FIFA- oder Fortnite-Spieler sein solltest, so hast du möglicherweise schon recht bald die Chance, eine olympische Goldmedaille um den Hals gehängt zu bekommen.