Life Is Strange: Before the Storm im Test [UPDATE]

Mit Life Is Strange lieferte das französische Indie-Studio Dontnod eines meiner persönlichen Highlights des Jahres 2015.  Das im Episodenformat erschienene Adventure konnte durch tolle Figuren, schwierige Entscheidungen und einer spannenden sowie berührenden Story überzeugen. Kann auch das Prequel mit diesen Stärken punkten?

Verlust, Rebellion und das Erwachen tiefer Gefühle

Before the Storm ist das Prequel zu dem 2015 erschienen Adventure-Hit Life is Strange. Die erste Episode mit dem Titel Erwachen wurde vom Entwicklerstudio Deck Nine programmiert und ist nun für PC, Xbox One und PS4 erhältlich.

Im Mittelpunkt des Prequels steht die junge Chloe Price. Chloe ist 15 Jahre alt. Sie ist schlagfertig, intelligenter als sie bereit ist zuzugeben, leidenschaftliche Schulschwänzerin und fest entschlossen gegen jegliche Form von Autorität in ihrem Leben zu rebellieren. Bei ihrem leidenschaftlichen Kampf gegen Regeln und Einschränkungen hat sie in David ihre Nemesis gefunden. Der arbeitslose Kriegsveteran, derzeitiger Geliebter ihrer Mutter, versucht durch Strenge Chloe in ihre Schranken zu weisen. Hier finden wir eine der vielen Stärken von Erwachen: die komplexen Figuren. David wirkt zwar auf Anhieb unsympathisch, aber er meint es aus seiner vom Militär gezeichneten Perspektive gut mit ihr. Er hofft Chloe durch Strenge und Disziplin jene Stabilität in ihrem Leben wieder zu geben, die sie nach dem Unfalltod ihres Vaters verloren hat. Das Mädchen leidet sehr unter diesem Verlust. Daher betrachtet sie wiederum jeden Versuch ihren Vater ersetzen zu wollen als Akt der Aggression. Das macht David zu einem Fremdkörper in ihrem Leben, der abgestoßen werden muss. Hinzu kommt, dass David über das empathische und rhetorische Einfühlungsvermögen einer Dampfwalze verfügt. Daher sind intensive Streitgespräche vorprogrammiert.

Verlust spielt im Allgemeinen eine große Rolle in Chloes Leben. Auch ihre beste Freundin Maxime hat sie verlassen, da sie mit ihren Eltern nach Seattle gezogen ist. Über die Distanz die Freundschaft zu erhalten stellt sich als äußerst schwieriges Unterfangen heraus. Auch scheint es, dass Maxime keinerlei Interesse daran hat die Freundschaft zu erhalten. Warum sonst sollte Maxime kaum bis nie auf Chloes Nachrichten antworten?

Und so ist Chloes Alltag oft, auch wenn sie es nie zugeben würde, sehr einsam. Bis an den Tag an dem Rachel Amber in ihr Leben tritt. Eben jenes Mädchen dessen Schicksal im Vorgänger eine sehr zentrale Rolle einnahm.    

Das Gameplay – Minimalistisch, aber nicht störend

Wie bei allen „cineastischen“ Adventures ist das Gameplay recht minimalistisch. Man erkundet mit Chloe mehrere Areale, lauscht ihren Gedanken zu diversen Objekten und Personen. Das Lesen von Notizen sowie das Führen von Dialogen gehören ebenso zum Gamingalltag wie die Gesprächs-Herausforderungen – bei diesem Feature handelt es sich um Dialoge in denen Chloe unter Zeitdruck ihren Kontrahenten verbal zur Schnecke machen muss, um ihr Ziel zu erreichen. Auch gilt es an manchen Stellen optional ein Graffiti zu hinterlassen. Womit auch Sammler ihre Freude haben dürften.

Für mich liegt der Reiz solcher Spiele allerdings nicht im Gameplay, sondern im Erleben der Geschichte. Es sind für mich mehr interaktive Comics als Spiele, deshalb funktionieren auch die meisten TellTale Games für mich sehr gut. Auch im Bezug auf den Preis finde ich die Spiele sehr in Ordnung,. kostet doch ein einzelner Band einer Comic-Serie oft so viel wie eine ganze Staffel eines TellTale-Games, ohne dabei die Interaktionsmöglichkeiten eines solchen zu bieten. Nicht falsch verstehen! Ich liebe Comics! Mit dem Geld, welches ich im Laufe der Jahre für sie ausgegeben habe könnte ich mir vermutlich einen Kleinwagen leisten. Doch üben diese cineastischen Adventures eben auch ihren eigenen Reiz auf mich aus und Life Is Strange: Before the Storm hat das Zeug eines der Stärksten seiner Art zu werden.

Auch wenn Life Is Strange: Before the Storm spielerisch mit altbewährtem Adventure-Gameplay daherkommt, bezweifle ich keine Sekunde, dass Erwachen der Auftakt einer verdammt starken Erzählung ist. Chloe ist eine sympathische, komplexe Figur. Hinter dem harten Auftreten verbirgt sich ein empathischer Mensch, der trotz allem Freude am Leben hat, das aber selbst manchmal nicht bemerkt.  

[Update]

Da am 20. Dezember 2017 mit Die Hölle ist leer die dritte und letzte Episode des Life is Strange Prequels erschienen ist, werde ich meinen Test um ein paar kurze Eindrücke zu Episode 2 und 3 erweitern. Auch werde ich mein Fazit und die Endbewertung ändern und auf meinen Gesamteindruck der kompletten Staffel beziehen.

Episode 2 – Schöne neue Welt

Schöne neue Welt beginnt damit, dass der rebellischen Chloe und ihrer neuen besten Freundin (oder Loveinterest?) Rachel gehörig der Kopf gewaschen wird. Hatten sie sich doch an Ende von Erwachen unerlaubt während des Unterrichtes vom Schulgelände entfernt. Bei einem klärenden Gespräch mit der schulischen Obrigkeit hab ihr die Möglichkeit zwischen diversen Dialogoptionen zu wählen. Doch man sollte sich keine zu großen Illusionen über die Tragweite der gewählten Argumentation machen. Das Ergebnis bleibt immer gleich: Chloe fliegt von der Schule und treibt ihre Mutter am Rande der Verzweiflung. Beim darauf folgenden Krach mit ihrer Mutter und dem verhassten Stiefvater David werden Chloe von den Entwicklern zwei Möglichkeiten in die Hände gelegt. Sucht sie die Versöhnung mit ihren Eltern, oder doch wieder die Konfrontation? Und da tut sich für mich eine kleine Schwäche von Life Is Strange: Before the Storm auf. Da es sich hierbei um ein Prequel zu Life Is Strange handelt kenne ich die Situation in welcher sich Chloes Familie in der Zukunft befindet. Deshalb sind die Entscheidungen zwar ein nettes Gimmick, aber bleiben leider auch oft sehr spannungsfrei, da die Zukunft – wie man so schön sagt – bereits geschrieben steht.

Man könnte auch an dieser Stelle wieder über das kaum vorhandene Gameplay meckern, will ich aber nicht. Denn auch wenn Schöne neue Welt seine Schwächen hat, seine Figuren gehören nicht dazu und wachsen einem umgehend ans Herz. Seien es die toll geschriebenen Nebenfiguren, oder Rachel, welche immer mehr aus ihrer Haut hinaus wächst und gegen ihr Umfeld rebelliert. Auch wenn mich die Entscheidungen in den Dialogen emotional meist nicht packen konnten, gab es doch diverse erzählerische Momente die mich berührten. Da wären zum Beispiel das starke Finale mit einer interessanten Wendung bezüglich Rachels Familienstruktur, oder eine Schulaufführung von Shakespears „Der Sturm“, welche aufgrund einer ehrlichen und sehr selbst reflektierenden Improvisation der beiden Hauptfiguren zu rühren wusste. Auch wenn Schöne neue Welt alles andere als schlecht war, konnte sie mich am Ende nicht ganz so begeistern wie die Vorgängerepisode.

Episode 3 – Die Hölle ist leer

Leider handelt es sich bei die Hölle ist leer um die schwächste Folge der Prequel-Staffel rund um Chloe. Rachel versucht die Ereignisse und Erkenntnisse der Vorgängerepisode zu verarbeiten. Chloe versucht ihr das Leben leichter zu machen, und verspricht ihr gewisse Informationen zu besorgen. Auf ihrer Suche nach den besagten Infos wird sie mit Drogendealern konfrontiert und gerät in allerlei dubiose Situationen mit Geister verstorbener Väter, Auftragsmördern usw. Leider leidet der erzählerische Fluss diesmal auch sehr unter seinem Gameplay. Denn obwohl die – man verzeihe mir bitte den Ausdruck – Kacke am Dampfen ist hat man immer noch Zeit für diverse Sammelaufgaben. Viele Fragen die während der Staffel gestellt wurden werden beantwortet. Einige bleiben uns allerdings Antworten schuldig. Ist allerdings nicht so schlimm, eine gute Geschichte braucht, wie ich finde ihre Mysterien. Auch hatte Die Hölle ist leer seine starken Momente. Ein Highlight war dabei für mich eine Szene in der sich zeigte, dass sich hinter Chloes Stiefvater, David, mehr als nur ein autoritärer Soldat versteckt. Auch der Epilog, welcher eine Brücke  zu Life is Strange schlägt, konnte mir eine kleine Träne ins Auge zaubern. Doch leider wurde Die Hölle ist leer nicht der krönende Abschluss den sich Chloes Reise verdient hätte.

Steuerung, Grafik und Soundtrack

Die Steuerung fällt wie für dieses Genre typisch etwas sperrig aus. Auch wirkt sie manchmal ungenau. Grafisch sollte  man keine Quantensprünge erwarten, allerdings fällt dies aufgrund des sympathischen Comicstil nicht schwer auf. Die Figuren sind liebevoll animiert. Auch die Umgebungen sind schön gezeichnet. Der Soundtrack gehört für mich zu einer der ganz großen Stärken von Life Is Strange: Before the Storm Die gewählten, meist mit Acoustic-Gitarren gespielten, Indie Tracks unterstreichen das Spielgeschehen perfekt und fügen die einzelnen Komponenten zu einem emotionalen Ganzen zusammen.

FAZIT

Mir hat Erwachendie erste Episode von  Life Is Strange: Before the Storm, sehr gut gefallen. Sowohl die Hauptfigur, als auch die Nebenfiguren sind gut und glaubhaft geschrieben und besonders mochte ich auch die oft mehr, oft weniger subtilen Andeutungen auf bekannte Filmklassiker, wie zum Beispiel Blade Runner. Etwas das mir schon im Vorgänger gut gefallen hat. Ich weiß noch wie mein Cineasten-Herz höher schlug als ich damals am Spiegel der Mädchentoilette den Satz „Fire walk with me!“ gelesen habe. Neben dem starken Auftakt der Geschichte konnte Episode 1 auch durch den tollen Soundtrack bei mir punkten. Alles zusammen plus die starke Chemie zwischen Chloe und Amber sorgen dafür, dass ich mich trotz minimalistischem Gameplay auf die folgenden beiden Episoden freue.

Update: Leider konnten die beiden folgenden Episoden – Schöne neue Welt und Die Hölle ist leer – das hohe Niveau der ersten Episode nicht ganz halten. Gerade die Finale Episode hatte mich mit manchen Entscheidungen enttäuscht, da Chloes Geschichte immer dubiosere Züge angenommen hatte. Ich hätte mir da mehr vom bodenständigen Touch der ersten Episode gewünscht. Trotz allem konnte Life Is Strange: Before the Storm mit einigen starken Momenten aufwarten. So ist die Prequel-Trilogie am Ende zwar in seiner Gesamtheit ein gutes Spiel, aber nicht das Meisterwerk, welches ich mir erhofft hatte.

Was ist Life ist Strange: Before the Storm? Ein in drei Episoden unterteiltes 3D-Adventure und das Prequel zu Life Is Strange aus im Jahr 2015.
Plattformen: PC, PS4, Xbox One
Getestet auf PC Intel Core i5-4440, 8GB RAM, GeForce GTX 750
Entwickler / Publisher: Deck Nine / Square Enix
Release: 20. Dezember 2017
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 6.8

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 6 | Spieldesign: 6 | Motivation: 6

Passende Beiträge

Planet Coaster 2 im Test

Little Big Adventure – Twinsen’s Quest im Test

LEGO Horizon Adventures im Test