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Little Nightmares II im Test

Komm, setz dich! Lass dich berieseln vom Flimmern des Bildschirms. Erlaube unserem fesselnden Abendprogramm deine Gehirnzellen in Geiselhaft nehmen, auf dass du die erodierende Natur deiner Realität vergisst. Wer du bist, ist ganz egal, du wirst dich in den Klängen und Bildern verlieren und dahin treiben in einem Nirwana aus Information und Manipulation, bis du nicht mehr bist als eine leere Hülle und gefangen in deinem ganz persönlichen kleinen Alptraum!

Little Nightmares II beginnt direkt nach den Ereignissen seines Vorgängers. Wir schlüpfen in die Haut von Mono, einem kleinen Jungen im Trenchcoat, der sein Gesicht unter einer Maske aus Papier verbirgt. Woher er kommt ist unklar, doch scheint es als wäre er durch einen Fernseher geboren worden. So mysteriös seine Herkunft auch sein mag, so klar ist sein Ziel: Er will in den Signalturm, der über Pale City thront und die Bewohner der sterbenden Metropole in fernsehsüchtige Monster verwandelt, um dort dem Thin Man gegenüberzutreten, dem Dreh- und Angelpunkt des Schreckens, der sich in Little Nightmares II entfaltet.

Doch immerhin muss sich das seltsame Kind nicht alleine diesen Alpträumen stellen, denn Six, die sichtlich durch ihre Abenteuer gezeichnete Heldin aus Little Nightmares, begleitet Mono, um mit ihm Hand in Hand der Dunkelheit entgegenzutreten.

Little Nightmares II Screenshot 4

Ein schauriger Waldspaziergang

Es ist kein großes Geheimnis, dass ich ein großer Fan des 2017 erschienen Little Nightmares bin und den Titel, trotz mancher Macken, für einen gar unterschätzten Vertreter des Genres halte. In Sachen Artdesign und Atmosphäre können dem kleinen Sidescroller nur wenige Kollegen das Wasser reichen. Little Nightmares II macht bereits in seinen ersten Minuten klar, dass es diesem Geist seines Vorgängers treu bleibt und sich in vielerlei Hinsicht sogar verbessert.

Zu Beginn des Spieles finden wir uns auf einer Lichtung im Wald wieder, kurz nachdem Mono sein Bewusstsein erlangt hat und versinken in einer Welt die morbider nicht sein könnte. Fahles Licht fällt durch die knorrigen Bäume, ein stiller Wind weht und lässt die Körper der Erhängten fast hypnotisch hin und her pendeln. Ich saß da mit einem Lächeln und fühlte mich sofort zu Hause. Die ersten Schritte in dieser feindlichen Umgebung stellen jedoch durchaus eine Herausforderung dar, denn wir befinden uns im Refugium des Jägers, einem Wesen das mit seiner Maske dem „Elefantenmenschen“ Joseph Merrick ähnelt. Ganz seiner Berufung folgend hat dieser die Pfade mit Fallen gespickt und nur Vorsicht sowie ein wenig Hirnschmalz sind unsere Garanten dafür am Leben zu bleiben.

Wie auch schon beim Vorgänger handelt es sich bei Little Nightmares II um eine Mischung aus Puzzle-, Plattformer- und Stealthgame. Um also die erwähnten Fallen zu entschärfen, gilt es das Prinzip dahinter zu verstehen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Klingt komplizierter als es ist. In der Regel reicht es mit einem Gegenstand auf den Auslöser zu schlagen. Da diese Trigger allerdings meist gut versteckt sind, bleibt es trotzdem spannend.

Ein Herz und eine Seele

Haben wir die ersten Hindernisse hinter uns gebracht, treffen wir bald auf eine alte Bekannt: Six! Das Mädchen wird in der Hütte des Jägers gefangen gehalten. Um sie zu befreien, gilt es einen Schlüssel zu finden. Dieser ist natürlich alles andere als einfach zu entdecken und erfordert ein offenes Auge, was dazu führt, dass wir die grandios gestaltete Umgebung noch intensiver erkunden. Das zahlt sich oft aus, denn neben den genannten Schlüsseln und Schaltern verbergen sich auch einige Geheimnisse, wie etwa neue Masken für Mono, in der Spielwelt.

Haben wir Six gerettet, begleitet sie uns fortan auf unserem Horrortrip und hilft bei der Reise. Wer sich allerdings ein Koop-Game erhofft, wird zwangsläufig enttäuscht werden. Bei Little Nightmares II handelt es sich um ein reines Singleplayer-Abenteuer. Six wird dabei von einer KI gesteuert und hilft uns gegen Monster, über Hindernisse und wird sowohl für Mono als auch den Spieler zum emotionalen Fixpunkt. Wenn wir von Six getrennt werden fühlt es sich nicht nur so an, als ob uns etwas fehlte, auch empfinden wir jedes Wesen sogleich als umso bedrohlicher, weil wir die kleine Regenmantelträgerin beschützen wollen. Es wird nie explizit darauf hingewiesen, aber je mehr Spielzeit vergangen ist, umso mehr hatte ich das Gefühl, dass es sich bei Mono und Six um Geschwister handelt, was diverse Entwicklungen zum Ende hin noch dramatischer macht.

Environmental Storytelling mit Interpretationsspielraum

Wie bereits der erste Teil erzählt auch Little Nightmares II seine Geschichte nicht direkt. Es wird auf eine Sprachausgabe oder Texte zum Lesen verzichtet. Die Geschichte ergibt sich aus dem Geschehen und der Umgebung und lädt zu mannigfachen Interpretationen ein. Ein kleines Beispiel: Pale City wirkt wie eine Stadt nach einem Krieg. Zerstörte Gebäude, kaputte Infrastruktur, trostloses Ambiente. Die Bewohner dieser Stadt sind fernsehsüchtig, wie Zombies klammern sie sich an diese Unterhaltung, fast so als würden sie mit aller Macht vergessen wollen, dass ihre Welt im Sterben liegt. Wie gesagt, nichts davon wird konkret ausgesprochen, es ist rein meine Interpretation, aber gerade weil Little Nightmares II mir die Möglichkeit dazu gibt, liebe ich es noch mehr!

Zuckersüßer Horror

Was mich bereits an Little Nightmares faszinierte war, wie Entwickler Tarsier Studios es schaffte, eine Welt zu kreieren die zugleich unheimlich süße, wie verstörende Elemente in sich trägt. Auch Little Nightmares II kann in diesem Bereich voll punkten! Das Design von Mono und Six ist über jeden Zweifel erhaben. Von der ersten Sekunde an schließen wir die beiden ins Herz, weil sie sowohl optisch wie auch in ihrer Interaktion untereinander, einfach nur knuffig sind. Dem gegenüber stehen die bizarren und abstoßenden Gegenspieler.

Da wäre zum Beispiel die Lehrerin, die ihre Schüler mit dem Rohrstock zur Ruhe mahnt und in ihrer Klasse ein Terrorregime aus Furcht und Bestrafung führt. Neben ihren grotesken Gesichtszügen und den glasigen Augen verfügt sie auch noch über einen Hals den sie endlos dehnen kann. Ein Katz- und Mausspiel gegen sie in einer dunklen Bibliothek, war eines meiner absoluten Highlights in Little Nightmares II und bescherte mir nicht nur eine sagenhafte Gänsehaut, sondern trieb auch meinen Adrenalinspiegel vor lauter Spannung beunruhigend in die Höhe! Auch gab es einen sehr intensiven Moment mit ein paar Puppen und einer Taschenlampe, der mich sofort an Silent Hill erinnerte.

So gut und spannend diese Begegnungen auch sind, bergen sie doch auch manchmal ein gewisses Frustpotential in sich, da sie stark auf Trial and Error ausgelegt sind. Mag nicht unbedingt jedermanns Sache sein, aber für mich gehört das zum Spielprinzip dazu! Und immerhin ist Mono im Gegensatz zu Six durchaus wehrhaft und rückt seinen Feinden gelegentlich auch mit Nachkampfangriffen auf die Pelle. Das kindliche Duo schreckt diesmal auch nicht davor zurück Feinde auf brutalste Art und Weise zu töten, … wenn es denn sein muss.

Zusammenfassung

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