Little Witch Academia: Chamber of Time im Test

Solltet ihr wie ich regelmäßig durch die Anime-Sektion auf Netflix browsen, dann habt ihr dabei bestimmt auch schon Little Witch Academia entdeckt. Mit Chamber of Time kommt nun das erste Spiel zur Serie auf den Markt und bietet dabei vor allem eines: Jede Menge Fan-Service – im Rahmen eines leider eher unterdurchschnittlichen Action-RPGs.

Und täglich grüßt der Zauberlehrling

Genau wie in der Serie verfolgt ihr auch in Little Witch Academia: Chamber of Time die Abenteuer der angehenden Hexe Akko, die mit wenig Talent für Magie, dafür umso mehr Talent dafür, sich in Schwierigkeiten zu bringen, versucht, eine der besten Schülerinnen der Luna Nova Witch Academy zu werden. Das Spiel startet dabei am Beginn der Sommerferien der Magie-Schülerin und charaktertypisch hat Akko es wieder einmal geschafft, sich Ärger einzuhandeln. Während alle anderen also in ihre wohlverdienten freien Tage starten, wird die Junghexe dazu verdonnert, die Bibliothek neu zu sortieren – und kann kaum ahnen, dass ihre Probleme damit erst so richtig beginnen. Ein paar unglückliche Zufälle später findet sich Akko nämlich mitsamt einer Handvoll ihrer Studienkolleginnen nicht nur in der mysteriösen Chamber of Time wieder, sondern ist auch in einer Zeitschleife gefangen: Jeden Tag um Mitternacht beginnt der erste Ferientag erneut. Was hätte man auch sonst zu tun, als das Zeit-Raum-Kontinuum wiederherzustellen…

Fan-Service pur

Gleich zu Beginn des Spiels wird eines klar: Waschechte Fans von Little Witch Academia werden hier ihre reinste Freude haben. Von den sich selbst mehr als treuen Charakteren, über die liebevoll nachempfundenen Hallen und Plätze der Luna Nova Witch Academy, bis hin zur vollständigen Sprachausgabe, gesprochen von den originalen (japanischen) Stimmen der Anime-Serie, wurde an alles gedacht. Die Story ist dabei speziell für das Spiel geschrieben, zeitlich jedoch etwa in der Mitte der originalen Serie angesiedelt und wartet obendrein mit dem serientypischen Humor auf. Was ein riesen Plus für Fans ist, wird Nicht-Kennern des Anime jedoch ein wenig zum Verhängnis: Die Geschichte startet mitten in der Handlung, ohne viele Erklärungen, und obwohl man sich bemüht hat, Neulinge anhand kurzer Rückblick-Videos zu den wichtigsten Charakteren (die direkt aus der Serie entnommen wurden) ein wenig in das Setting einzuführen, kommt man sich als Spieler ohne Vorkenntnisse anfangs ein wenig verloren vor. Spätestens, wenn die Story dann so richtig durchstartet, sollte sich das Gefühl allerdings legen.

Im Laufe des restlichen Spiels warten auf Fans schließlich zahlreiche Anspielungen an die Serie und ihre Charaktere – was uns direkt zum ersten Teil des Gameplays bringt.

RPG und Dungeon Crawler in einem

Little Witch Academia: Chamber of Time ist eigentlich nicht nur ein, sondern gleich zwei Spiele: Während ihr im RPG-Teil durch die Gänge der Luna Nova Witch Academy wandert und einen Quest bzw. Sub-Quest nach dem anderen löst, um diverse Schlüssel zu finden und nach und nach herauszufinden, warum sich die Zeit im Kreis dreht, müsst ihr genannte Schlüssel schließlich in der namensgebenden Chamber of Time dafür einsetzen, in immer neue Dungeon Crawler Abschnitte zu gelangen und Bösewichter zu vermöbeln sowie Erfahrungspunkte und Loot abzugreifen. Das größte Problem an der Sache: Keiner der beiden Teile kann sonderlich begeistern.

Beginnen wir beim RPG-Teil. Wie vorhin schon angedeutet, werden Serienfans hier viel Schönes finden: Im Laufe der zahlreichen Quests trefft ihr auf so manchen Charakter aus der Serie, erfahrt mehr zum Hintergrund der Schule und ihrer Bewohner, könnt Luna Nova selbst nach Herzenslust erkunden und obendrein so manchen gut geschriebenen Dialog mit euren Schulkameraden und Lehrern führen. Worin liegt also das Problem? An der eigentlichen Umsetzung: Anstatt Quests zu liefern, die etwas zur Story beitragen, werdet ihr bei den meisten davon lediglich auf langwierige Schnitzeljagden geschickt, die für eingefleischte Fans wohl ihren gewissen Charme haben, für alle Nicht-Kenner der Serie jedoch ohne Frage in kürzester Zeit in purer Langeweile enden werden.

Noch mühsamer wird das Ganze durch die endlosen Laufwege am Campus, der obendrein unnötig kompliziert aufgebaut ist, sowie die Tatsache, dass bestimmte Quests bzw. Quest-Teilaufträge nur während gewisser Tageszeiten erfüllbar sind. Man kombiniere das mit den langen Laufwegen und ihr seht, wo die lustige Questerei zur mühevollen Zeitplanung wird. Später im Spiel erhaltet ihr zwar Fast-Travel-Potions – doch sind diese gleich der nächste Negativpunkt: Wie eingangs erwähnt, ist Akko nicht gerade die begabteste Hexe ihres Jahrgangs. Um diesem Manko entgegen zu wirken, kann sie diverse Tränke einsetzen, die ihr in einem eigenen Shop kaufen könnt – darunter Potions, welche die diversen Speicherpunkte am Campus aktivieren (nein, diese sind leider nicht alle von Anfang an nutzbar – also noch mehr Laufwege), Schlafpotions, um sich an Wachen vorbei zu schleichen, oder aber auch die genannten Fast Travel Potions. Wer jedoch meint, diese schalten Routen frei, der irrt – jede einzelne Reise benötigt eine Potion, womit das Reisen entweder sehr teuer wird oder eben mühsam bleibt und akribischer Planung eines jeden Tages bedarf, damit ihr den Großteil eurer Spielzeit nicht nur mit Hin- und Herlaufen verbringt.

Und da wären wir auch schon beim dritten großen Wermutstropfen des RPG-Teils: die Quest-Marker. Zum einen sind diese generell eher uninformativ (ihr seht zwar, wo etwas zu tun ist, allerdings nicht, wer dort auf euch wartet oder zu welchem Quest er/sie gehört), zum anderen werden diese zu Beginn jedes Tages zurückgesetzt – und zwar unabhängig davon, ob ihr den betreffenden Quest an einem der Vortage bereits abgeschlossen habt oder nicht – abgeschlossene Aufgaben werden lediglich in eurem Quest-Log als solche markiert. Dass die Übersicht darunter fatal leidet, ist vorstellbar.

Der Action-Teil: Guter Ansatz, schlechte Durchführung

So weit, so gut. Solltet ihr trotz der genannten Probleme am Ball bleiben und so manchen Quest lösen, werdet ihr dabei als Belohnung immer wieder neue Schlüssel finden – was uns zum Dungeon Crawler Teil von Little Witch Academia: Chamber of Time bringt. In der Zeitkammer könnt ihr die gefundenen Schlüssel nutzen, um durch eine Tür zu treten, die euch in Monster-gefüllten 2.5D-Dungeons bringt, die es zu erkunden gilt. Am Beginn jedes Kampf-Quests könnt ihr dabei drei eurer sieben Mitstreiterinnen auswählen, wobei jede von ihnen spezielle Angriffe und Fertigkeiten mit sich bringt: Eine Gruppenführerin, die ihr selbst steuert, sowie zwei weitere Kämpferinnen, die von der KI übernommen werden. Eure Anführerin hat zudem besondere Effekte auf die aktive Gruppe: von mehr gewonnen Erfahrungspunkten über die Möglichkeit, versteckte Schätze zu entdecken.

Habt ihr eure Party zusammengestellt, geht es in die Schlacht. Die Dungeons an sich sind non-linear gestaltet und warten mit Fallen, versteckten Schätzen, jeder Menge Loot für besiegte Gegner und Zwischen- sowie Endbossen auf. Während die Loot-Jagd und das Monster Besiegen durch die unterschiedlichen Charaktere und die – zumindest zum Großteil – gut designten Dungeons richtig spaßig sein könnten, machen viele kleine Probleme den Spaß leider auch in diesem Teil von Little Witch Academia: Chamber of Time zunichte: Die Angriffe und Aktionen (wie Sprünge oder Zaubersprüche) kommen allesamt mit fühlbarer Verzögerung zwischen Button-Druck und Ausführung, Angriffe treffen nur dann, wenn ihr wirklich genau in einer Linie mit euren Zielen steht, und –das wohl größte Problem an der Sache – eure KI-Kameradinnen sind während den meisten Auseinandersetzungen absolut nutzlos. Zum einen scheinen sie ihre Angriffe ohne jegliches System einzusetzen – teilweise verbraten sie ihre stärksten Attacken (inklusive MP-Verbrauch) bei Mini-Gegnern, nur um beim Big Boss mit Mini-Melee-Attacken anzugreifen –, manchmal tun sie sogar nicht mal das, sondern bleiben an Mauern und Ähnlichem hängen oder laufen in eine Falle nach der anderen. Der einzige Lichtblick dabei: Der Schwierigkeitsgrad der meisten Dungeons ist so gering, dass euch die Hilfe eurer Begleiterinnen, zumindest über weite Strecken des Spiels hinweg, gar nicht wirklich abgehen wird.

Nach jedem erfolgreich gemeisterten Dungeon erhalten eure Charaktere diverse Punkte und jede Menge Loot in Form von Ausrüstungsgegenständen sowie Geld. Das wirklich Schöne hier: Eure Punkte lassen sich direkt auf die Attribute eurer Charaktere, wie Stärke oder Magie, verteilen, wodurch ihr eure liebsten Mitstreiterinnen genau eurem persönlichen Spielstil anpassen könnt. Leider erhalten allerdings nur jene Charaktere Erfahrung und Punkte, die auch tatsächlich in eurer aktiven Partie waren.

Eure Zauber steigert ihr ebenfalls über Punkte – mit diesen könnt ihr in diversen Sternkonstellationen neue Knoten freischalten, die entweder vorhandene Zauber stärken oder eurer Liste zusätzliche Magie-Aktionen hinzufügen. Insgesamt könnt ihr jeden Charakter mit sechs Zaubern ausstatten, die im Kampf durch diverse Button-Kombinationen ausgelöst werden.

Das Beste am Spiel: Die Präsentation

Nach so vielen bitter-süßen Aspekten möchten wir aber auch noch einen solchen nennen, der sich bei Little Witch Academia: Chamber of Time wirklich sehen – und hören – lassen kann: Die audiovisuelle Präsentation. Das Spiel sieht aus und fühlt sich an wie eine weitere Episode der beliebten Serie und man sieht auf einen Blick, dass die Anime-Verantwortlichen auch bei der Produktion des Spiels mitgemischt haben: Vom liebevollen Charakterdesign über die unverkennbaren Umgebungen bis hin zu den schön umgesetzten animierten Zwischensequenzen. Was einen kleinen Schatten über die hübschen Visuals wirft, sind allerdings regelmäßige Framerate-Einbrüche, sogar dann, wenn sich kaum etwas am Bildschirm abspielt.

In Sachen Audio setzt man indessen auf komplette Sprachausgabe, selbst bei kurzen Dialogen der Charaktere, was wundervoll zur Atmosphäre des Spiels beiträgt und Anime-Fan-Herzen höherschlagen lassen wird. Einzig im Dungeon-Part, bei dem jeder Angriff den immer gleichen Ausruf mit sich zieht, wird die Sprachausgabe eher zum Fluch und erinnert an eine hängengebliebene Schallplatte. Als Ausgleich gibt es wiederum einen sehr schönen Soundtrack zu hören, dessen Melodien eure Abenteuer stimmig untermalen.

FAZIT

Little Witch Academia: Chamber of Time ist in erster Linie eines: Ein Fan-Service-Spiel für Hard-Core-Fans der gleichnamigen Serie. Wer von Akko, ihren Freunden und deren schulischen Abenteuern gar nicht genug bekommen kann, der wird auch mit diesem Spiel so manche spaßige Stunde verbringen können. Wer mit der Anime-Serie jedoch (noch) nicht vertraut ist und einfach auf ein kurzweiliges Action-RPG hofft, der sollte sich definitiv lieber nach lohnenderen Alternativen umsehen – zwischen den unmotivierten Quests samt ewigen Laufwegen und schlechter Aufgabenübersicht sowie den sperrig zu spielenden Dungeon Crawler Sequenzen von Little Witch Academia: Chamber of Time gibt es hier für reine Genre-Fans nämlich leider nicht allzu viel tatsächlich Interessantes zu finden.

Was ist Little Witch Academia: Chamber of Time? Unterdurchschnittlicher Hybrid aus JRPG und Dungeon Crawler als Tie-in zur gleichnamigen Anime-Serie
Plattformen: PS4, PC
Getestet: Europäische PS4-Version
Entwickler / Publisher: Aplus / Bandai Namco
Release: 15. Mai 2018
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 6.0

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 6 | Spieldesign: 4 | Motivation: 4

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