Da haben wir gerade erst Life is Strange: Double Exposure verdaut, haut das ehemalige Life-is-Strange–Entwicklerstudio Don’t Nod ihr neues Werk Lost Records: Bloom & Rage raus. Stellt sich nur die Frage, wie das 90s-Teenage Drama geworden ist.
Der letzte Teil von Life is Strange kam trotz der Rückkehr von Serienliebling Max nicht an den Erfolg des ersten Teils heran und, wenn man ehrlich ist, hat das auch keiner der anderen Titel der Reihe geschafft. Da die Reihe auch nicht mehr von Entwickler Don’t Nod , sondern von Deck Nine entwickelt wird, könnte man da vielleicht das Problem sehen. Müsste dann nicht ein neues Game der ehemaligen Entwickler automatisch der Knaller sein?
Ja und nein. Ich verrate euch, was meiner Meinung nach gut geklappt hat, aber auch, wo ich die Schwächen von Lost Records: Bloom & Rage sehe.
Story
Die Geschichte von Lost Records spielt zum einen im Sommer 1995 und zum anderen im Jahr 2022. Wir springen hier aber nicht auf übernatürliche Art zwischen zwei Zeitebenen hin und her. Vielmehr erinnern wir uns an unsere Zeit als Teenager in den 90ern und kommen nur ab und zu ins Jahr 2022. Wir spielen Swann, ein junges Mädchen, welches wir getrost als Nerd bezeichnen können, und das meine ich absolut positiv. Swann liebt Filme, und zwar so richtig! Nicht nur, dass sie ein enormes Wissen über dieses Thema hat, sie dreht auch gerne selbst den ein oder anderen Kurzfilm mit ihrem Camcorder. Trotzdem, dass Swann nicht der beliebteste Teenager ist, freundet sie sich mit Nora, Autumn und Kat an, die allesamt nur so vor Selbstvertrauen strotzen.
Was genau zwischen diesem Sommer und der Gegenwart passiert ist, müssen wir erst in über 25 Kapiteln herausfinden. Eines ist allerdings sofort klar: Es muss etwas Schreckliches gewesen sein, denn die einstigen Freundinnen haben sich jahrelang nicht gesehen und ein düsteres Geheimnis verbindet sie.
Was gibt’s zu tun?
Die meiste Zeit verbringen wir damit, Videos zu machen, welche wir auch in unserem Menü ansehen und teilweise bearbeiten können. Abgesehen davon wird natürlich sehr viel geredet und wir müssen unsere Antworten in den Dialogen oftmals unter Zeitdruck auswählen. Soweit kennt man das ja bereits aus anderen Spielen dieser Art. Vielmehr machen wir eigentlich auch nicht. Bei einem Story-Game ist das aber auch absolut ausreichend.
Langsames Tempo und erzwungene Entscheidungen!
Die Story, über die ich euch nicht zu viel sagen möchte, kommt in der ersten Hälfte nur sehr langsam voran. Leider wird diese Zeit aber auch nicht genutzt, um die Charaktere richtig vorzustellen. Ein bisschen als würde man bei einer neuen Serie die erste Folge skippen. Zwar ist die Gruppe um Swann interessant und durchaus sympathisch, wirklich viel erfahren wir aber nicht über sie.
Das größte Problem daran ist aber, dass ich in den Dialogen Entscheidungen treffen soll, die mir schwerfallen, eben genau weil ich so wenig über die Charaktere weiß. Einer Freundin zu sagen, dass ich sie vermisst habe, ergibt für mich keinen Sinn, wenn ich als Spieler sie ja nur 15 Minuten kenne und nicht weiß, was die beiden erlebt haben. Auch dass es in fast jedem Dialog eine Option gibt, mit meinem Gegenüber zu flirten, oder ich gar zwei andere Personen dazu bringen kann, sich zu küssen, fand ich ein wenig aufgesetzt. Ich fühlte mich stellenweise regelrecht gezwungen, eine Beziehung anzubahnen, wenn ich nicht die unfreundliche Antwortmöglichkeit auswählen wollte.
Unsere Kindheit lässt grüßen!
Das Feeling der 90er wurde perfekt eingefangen. Dieses unbeschwerte Gefühl der Sommerferien kennen wir wohl alle, und wer in den 90ern aufgewachsen ist, wird sich sofort wohlfühlen. Auch die Aufnahmen, die ihr mit eurem Camcorder macht, sehen haargenau aus wie wir sie von damals kennen. Dass wir das damals als „Super Bildqualität“ bezeichnet haben, können sich die Jugendlichen von heute gar nicht vorstellen.
Überall finden sich kleine Dinge, die einen zum Schmunzeln bringen. Ob es ein Akte-X-Poster oder ein Tamagotchi ist, den ihr übrigens auch benutzen könnt – einfach an jedes noch so kleine Detail wurde gedacht. Die Musik rundet dieses Gesamtpaket dann noch ab.
Zusammenfassung
FAZIT von Sven (PC)
Slow paced – das ist die passende Beschreibung des Spielablaufes. Ihr spielt einerseits eine Frau in ihren Vierzigern, und die selbe Frau als Teenager in den 90er Jahren. Dabei zeigt euch das Spiel überaus viel von der Umgebung – Dinge aus der Zeit wie das Tamagotchi, die uralte Video 8 Handycam, die VHS Leihkassette von der längst pleite gegangenen Videoverleihkette, aber auch persönliche Gegenstände wie Briefe, Fotos oder selbst verfasste Texte. Vieles kann in die Hand genommen und von allen Seiten betrachtet werden. Wer so eine Wanderung durch die Vergangenheit mag, wird üppig bedient.
Dazu kommen viele professionell vertonte Gespräche, bei denen ihr oft zwischen verschiedenen Antworten auswählen könnt. Swann fühlt sich zu anderen Frauen hingezogen, hat ein hübsches Gesicht aber keine Traumfigur, eine anstrengende Mutter, wenige gute Freunde und eine Katze… all das ist gut präsentiert, aber will ich das wirklich alles wissen? Ich werde bei solchen realistischen Stories eher depressiv als das ich meinem eigenen vermurkstem Leben entfliehen kann. Eure Entscheidung, ob euch solche Stories zusagen oder nicht – ich habe euch gewarnt. Erst ganz zum Ende der Story wird es spannend – so wirklich spannend. Dann ist aber auch das Ende des ersten Teiles erreicht. Ich bin neugierig, wie es im April weitergeht.
FAZIT von Martin (PlayStation)
Ihr merkt schon, was genau die Stärken von Lost Records sind und wo man vielleicht nicht zu viel erwarten sollte. Das Wichtigste an der ganzen Sache ist aber: Ich habe das Game nicht einmal durchgespielt. Wieso? Ganz einfach, weil der Titel in zwei Teilen erscheint, Kassette 1: Bloom und Kassette 2: Rage und zwischen denen liegen ganze zwei Monate. Habt ihr PS-Plus Extra, könnt ihr das Game sogar kostenlos zocken!
Ein abschließendes Fazit ist somit gar nicht möglich und wir werden diesen Artikel aktualisieren, sobald wir den zweiten Teil gespielt haben. Fest steht aber, dass wir mit einem ordentlichen Cliffhanger zurückgelassen werden. Die Story nimmt gegen Ende des ersten Teils ein wenig an Fahrt auf und bekommt einen Mystery-Touch, welcher diesen „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“-Vibe unterstützt.