Nur gute drei Monate nach dem PC-Release von Marvel’s Spider-Man Remastered bringen die kalifornischen Entwickler von Insomniac Games (Publisher: PlayStation PC LLC) mit Marvel’s Spider-Man: Miles Morales schon die Fortsetzung auf den Markt. Husch-Pfusch oder handelt es sich dabei wieder um einen absoluten Toptitel?
Nunja, zuerst sollte wohl darauf hingewiesen werden, dass ich hier nur von den PC-Konvertierungen spreche. Eigentlich ist ja das originale Marvel’s Spider-Man schon vor ein paar Jahren (2018) für die PlayStation erschienen, nur die verbesserte Remastered-Version und PC Portierung ist erst im August 2022 fertig geworden. Zu diesem Zeitpunkt war Marvel’s Spider-Man: Miles Morales auch schon lange (seit 2020) für die PlayStation erhältlich. Es handelt sich also um keine Neuentwicklung, sondern nur eine Portierung auf den PC. Dabei wurde allerdings auf die Fähigkeiten moderner PCs Rücksicht genommen und die Möglichkeiten neuester Grafikkarten voll ausgenutzt.
Worum geht es?
Die Geschichte knüpft direkt an den Vorgänger Marvel’s Spider-Man Remastered an. Im Vorgänger haben wir den originalen Spider-Man, Peter Parker, gespielt. Der hat sich im Laufe des Spieles mit Miles Morales angefreundet. Miles Vater, ein Polizist, ist bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen, und Peter hat seinen Freund geholfen, diese schwere Zeit zu überstehen. Nachdem Miles auch von einer verseuchten Spinne gebissen worden ist, kam es zur selben Verwandlung wie einst bei Peter. Auch Miles verfügt nun über Superkräfte und kann Spinnennetze aus seinem Handgelenk schießen, seine Reaktionsfähigkeit und Konstitution entspricht der eines (Marvel-) Superhelden.
In dieser Situation hat Peter sein Geheimnis gelüftet und Miles gegenüber zugegeben, dass er Spider-Man ist. Er hat Miles gezeigt, wie er seinen neuen Superkräfte einsetzen kann, und bald schon schwingen die beiden gemeinsam auf der Jagd nach Verbrechern durch New York. Während Miles noch versucht, sein neues Leben in den Griff zu bekommen und sein geheimes Doppelleben als Superheld und normaler junger Mann mit Schule, seinen Freunden und vor allem seiner Mutter zu arrangieren, beginnt die Geschichte des Spieles.
Der Gefangenentransport
Zu Beginn des Spieles treffen sich Peter und Miles, um bei einem Hochrisiko-Gefangenentransport durch New York aus der Entfernung aufzupassen, falls es zu Problemen kommen sollte. Selbstverständlich kommt es zu Problemen. Rhino wird in einem Metallcontainer per Hubschrauber transportiert und schafft es, die Sicherungsseile durch Umherschaukeln des Containers zum Reißen zu bringen. Der Versuch von Miles, die Kette mit Spinnennetz zu kleben führt nur zum Absturz des Hubschraubers, der natürlich genau auf die am Boden in einem Lastwagen transportierten Handlanger fällt – wodurch sowohl Rhino als auch eine ganze Menge weiterer Schwerverbrecher entkommen können. Dumm gelaufen, aber nach diesem Tutorial geht die Geschichte dann so richtig los. Peter verabschiedet sich in den Urlaub (oder um „zu Arbeiten“) nach Europa und lässt Miles alleine in New York zurück, um auf die Stadt aufzupassen. Wird schon nichts passieren, Gesindel wie Kingpin, Rhino oder der Tinkerer werden schon nichts anstellen… nun ja, immerhin hat er an verschiedenen Plätzen in der Stadt virtuelle Trainingssimulatoren aufgebaut, bei denen wir während seiner Abwesenheit ein wenig unsere Fähigkeiten trainieren dürfen.
Natürlich bricht ein heftiger Kampf zwischen der Roxxon Energy Corporation und einer kriminellen Hightech-Armee namens Underground, die von dem geheimnisvollen Tinkerer angeführt wird, aus. Dabei wird das New Yorker Viertel Harlem bedroht, in das Miles gerade erst zusammen mit seiner Mutter gezogen ist.
Unser Ziel war es also, Miles erkennbar anders als Peter darzustellen, gleichzeitig aber auch die typischen Spider-Man-Markenzeichen zu behalten.
Die Geschichte von Marvel’s Spider-Man: Miles Morales ist durchaus anspruchsvoll und mit ein paar Wendungen, emotionalen Szenen und einigen weiteren Charakteren, die auf unterschiedliche Weise zur Handlung beitragen. Ich würde behaupten, das man die Geschichte durchaus verfilmen könnte. Sie wäre jedenfalls gut genug, um als Vorlage für einen umfangreichen Comic zu dienen. Schauplatz ist wieder eine fiktive Version des heutigen New York, die diesmal allerdings teilweise mit Schnee bedeckt ist. Das Wetter ist so richtig weihnachtlich, passt im Moment gerade auch zum tatsächlichen Wetter in Wien.
Miles kann sich fast wie in einem Open World-Spiel frei in der Stadt bewegen, mit Charakteren interagieren, Missionen annehmen und neue Gadgets und Anzüge freischalten, indem er der Hauptgeschichte folgt oder optionale Aufgaben erfüllt. Das Gameplay wird aus der Third-Person-Perspektive gezeigt, wodurch man als Spieler nicht so schnell Motion Sickness bekommt, wie es bei direkter Ansicht (und dem andauernden durch die Luft schwingen) wohl der Fall wäre. Das Umherschwingen zwischen den Wolkenkratzern der Stadt ist einfach hervorragend umgesetzt, das senkrechte Hinauflaufen auf ein Hochhaus wird auch bei der x-ten Wiederholung nicht fad. Die Kämpfe sind durchaus anspruchsvoll, mit primitivem „auf alle Knöpfe einhämmern“ kommt man nicht allzu weit. Ausweichen, sich richtig positionieren und dann zuschlagen, Gegner im Spinnennetz immobilisieren (und dann verprügeln) oder einfach nur fesseln, gezielt am Spinnenfaden umher schwingen, technische Hilfsmittel einsetzen, Gegner entwaffnen, mit Gegenständen aus der Umgebung (wie Kanaldeckeln) verprügeln, Gegner in die Luft wirbeln, Superkräfte einsetzen… ihr müsst euch schon ein wenig mit euren Kampffähigkeiten auseinandersetzten und sie effektiv zum Einsatz bringen, sonst wird es peinlich bei den Kämpfen. Während der Bosskämpfe kommen auch immer wieder QTEs vor.
Verbesserungen zum Vorgänger
Eigentlich spielt sich Marvel’s Spider-Man: Miles Morales sehr ähnlich wie das vorherige Spiel. Das ist aber nicht schlecht, denn wer die doch gar nicht so unkomplexe Steuerung bereits beherrscht, kann hier gleich voll loslegen. Miles kann grundsätzlich die selben Moves wie Peter Parker, aber er lernt im Laufe des Spieles noch ein paar neue Tricks dazu. Miles hat eine Spider-Man App, die ihm eine Übersicht über aktuelle Verbrechen in der Stadt gibt – so entgeht euch keine der optionalen Nebenmissionen. Neue Gadgets gibt es ebenfalls, so kann Miles Hologramme zur Unterstützung im Kampf herbeirufen, oder mit einem Spielzeug mehrere Feinde in ihrer Bewegung behindern um sie leichter zu treffen. Zu den neuen Kräften gehören beispielsweise der Venom Blast, mit dem ihr Feinde mit Elektroshocks außer Gefecht setzen und elektronische Geräte aufladen oder ausschalten könnt. Als Upgrade gibt es den Mega Venom Blast, eine große Elektrizitätsexplosion, um alle Feinde in der Nähe auszuschalten. Ganz nützlich ist auch die Fähigkeit, vorübergehend unsichtbar zu werden. Miles‘ Fähigkeiten und Gadgets können im Verlauf des Spieles über einen Skill-Tree noch deutlich stärker gemacht werden.
Zusammenfassung
Grafik
Die Grafik ist auf dem hohen Standard der anderen Spiele von PlayStation PC LLC. Ich habe bisher noch kein Spiel gesehen, in dem New York derart hübsch und detailliert dargestellt wird. Ok, das neue Crysis 2 Remastered schaut auch ganz gut aus, aber dort ist der Rundumblick wesentlich eingeschränkter und von weiter unten.
Bei Marvel’s Spider-Man: Miles Morales werdet ihr zu Beginn in einem Setupmenu begrüßt, in dem ihr das Spiel auf eure Hardware (und Wünsche) anpassen könnt. Rund 20 verschiedene Einstellungen (einige davon betreffend Raytracing) erlauben euch, das Spiel sowohl mit einer älteren Nvidia Geforce GTX 950 (oder dem Steam Deck) ebenso wie mit einer neuen Nvidia Geforce GTX 4080 zu zocken. AMD GPUs werden natürlich ebenso unterstützt wie Ultrawidescreen.
Sound
Durchgehende Sprachausgabe auf Englisch oder Deutsch (bzw. noch ein paar weiteren unterstützten Sprachen), Untertitel in beliebiger Sprache, dazu ein toller Soundtrack und passende Soundeffekte. Am Audio- und Lokalisierungsbudget wurde offensichtlich nicht gespart. Für den Hip-Hop Soundtrack ist John Paesano verantwortlich, der neben vielen anderen Spielen auch schon die Songs für den Vorgänger komponiert hat. Für seine Kompositionen zu Marvel’s Spider-Man: Miles Morales hat er übrigens einen British Academy Games Award („Best music in a video game“, was auch sonst…) erhalten.
Handling
Das Spiel schreit nach einem Controller. Völlig egal ob ein XBox One oder ein PlayStation Gamepad, aber mit Maus und Tastatur spielt es sich einfach nur halb so gut. Möglich ist es aber ebenso, wer geschickt mit der Tastatur ist, kann es auch so spielen. Die Tasten können selbstverständlich nach Wunsch belegt werden.
Spieldesign
Marvel’s Spider-Man: Miles Morales ist eine direkte Fortsetzung zu Marvel’s Spider-Man. Es ist jedoch nicht notwendig, den Vorgänger zu kennen, um das Spiel genießen zu können. Die Geschichte startet mit einer kurzen Einleitung, die Miles Morales vorstellt und ein paar wesentliche Geschehnisse des ersten Teiles zusammenfasst. Der Schwierigkeitsgrad baut nicht auf dem Vorgänger auf, sondern ist vergleichbar. Zu Beginn des Spieles werdet ihr langsam mit der Bewegung als Spider-Man und den Kämpfen vertraut gemacht. Der Umfang des Spieles ist geringer als beim Vorgänger, in zehn Stunden könnt ihr die Hauptgeschichte locker durchspielen.
Motivation
Wenn ihr schon das erste Spider-Man gespielt habt, ist Marvel’s Spider-Man: Miles Morales nicht allzu anders. Dieselbe Stadt (nur ein wenig verschneiter), der selbe Kampf (ein paar elektrisierende neue Superkräfte und ein paar neue technische Hilfsmittel), ein paar wiederkehrende und ein paar neue Charaktere, ein ähnlicher Spielablauf. Eigentlich fühlt sich alles sehr ähnlich an. Aber das ist ja nicht schlecht, nachdem der erste Teil ein absoluter Spitzentitel war. Die Geschichte ist abwechslungsreich und wird mit bombastischen Zwischensequenzen präsentiert, das hält die Motivation bis zum Abspann hoch.
FAZIT
Marvel’s Spider-Man: Miles Morales ist eine fantastische Fortsetzung des ersten Teiles. Der Umfang ist geringer, kommt aber mit den ganzen Nebenmissionen locker auf 20 Stunden. Die Neuerungen halten sich in Grenzen, aber was soll man bei einem fast perfekten Vorgänger auch viel verbessern? Die Stärke von Marvel’s Spider-Man: Miles Morales liegt in der Geschichte. Es ist eine viel persönlichere und emotionalere Geschichte als beim Vorgänger, in der ihr Miles und die Menschen, die ihm nahestehen, kennenlernt. Ich werde die Ereignisse des Spieles jedenfalls nicht so schnell vergessen.