Metro Exodus im Test

Regen. Widerspenstig durchbricht jeder einzelne Tropfen den monotonen Rhythmus meines Geigerzählers. Er lässt mich erahnen, welches körperlose Unheil in der Welt über der Metro auf mich und meine Frau lauert. Die Strahlung. Nur eine Gasmaske hindert sie daran, mir mit ihrer atomar verseuchten Luft die Lungen zu zerfressen. Selbst die Natur, deformiert durch menschliche Aggression und Dummheit, tut ihr Bestes, um unsere Suche nach einer neuen Heimat zur Hölle zu machen. Doch ich werde nicht aufgeben. Die verdammte Metro liegt hinter uns. Hier, in dieser Wüste aus Einsamkeit und Zerstörung, werden wir eine Zukunft und in ihr ein Zuhause finden.

Wo ein Wille, da ein Weg

Metro Exodus ist der dritte Teil der Metro Reihe des ukrainischen Entwicklers 4A Games. Diese orientieren sich – stellenweise sehr frei – an den Romanen des Autors Dmitri Alexejewitsch Gluchowski. Darin erzählt der Schriftsteller von einer postapokalyptischen Welt. Nach einem atomaren Militärkonflikt wurde die Oberfläche für die Menschen unbewohnbar, und so zogen sich die wenigen Überlebenden in die Moskauer U-Bahn zurück. Innerhalb dieses gewaltigen Labyrinths unter der Erde, bildete sich ein politischer Mikrokosmos, welcher die menschliche Geschichte der letzten 70 Jahre widerspiegelt. Angereichert mit Sci-Fi Elementen, sowie einen Hauch Fantasy und Esoterik, gelingt Gluchowski eine sehr interessante, wenngleich ungewöhnliche narrative Mischung, in deren Mittelpunkt Artjom steht. Der junge Mann ist die Hauptfigur des ersten und dritten Buches sowie der bisherigen Metro-Games. So ist es nicht verwunderlich, dass wir auch in Metro Exodus in die Haut des schweigsamen Helden schlüpfen.

Artjom ist überzeugt, dass es auf der lebensfeindlichen Oberfläche weitere Überlebende gibt. Diese Überzeugung erweckt in ihm die Hoffnung auf ein Leben jenseits des klaustrophobischen Tunnelnetzwerks der Moskauer Metro. Doch leider glauben weder sein direkter Vorgesetzter Miller noch dessen Tochter Anna, Artjoms Ehefrau, an ein realistisches Fundament für diese Annahme. Teilweise begegnen sie Artjoms Ambitionen mit Zorn und Argwohn, da er von dessen Ausflügen stets hoch verstrahlt zurückkehrt und für dessen Behandlung wichtige, weil sehr seltene, Medikamente verschwendet werden.

Natürlich stellt sich im Laufe des Einstiegs in Metro Exodus heraus, dass Artjom nicht so unrecht hatte, wie sein Schwiegervater es gerne gehabt hätte. Wie und warum sei an dieser Stelle nicht verraten. Es sei nur so viel gesagt, dass dadurch Artjoms Reise ins Ungewisse beginnt. Die Ereignisse in Metro Exodus nehmen ihren Lauf.

Der Kampf ums Überleben

Anders als noch in den Vorgängern erkunden wir in Metro Exodus nicht die beklemmenden Tunnel der Metro, sondern werden erbarmungslosen Weiten Russlands konfrontiert. Dabei handelt es sich nicht um eine große offene Welt, sondern um größere Hubs, welche sich thematisch mehr oder weniger in Frühling, Sommer, Herbst und Winter unterteilen lassen. Diese Gebiete sind sehr liebevoll gestaltet und laden zum Erkunden ein. Überall gibt es Ressourcen oder Notizen zu entdecken. Ich ertappte mich mehrfach dabei, wie ich einfach nur durch die Landschaft schlenderte und die beeindruckende Lichtstimmung in mir aufnahm.

Es ist jedoch nicht ratsam, unvorsichtig die Schönheit der Umgebung zu genießen. Diese ist mindestens ebenso tödlich wie schön. Immer noch liegen Spuren von Radioaktivität in der Luft, Wettergegebenheiten erschweren uns das Leben oder die mutierte Tierwelt Russlands will uns ans Leder. Damit wir uns durch die bereits genannten Widrigkeiten nicht unterfordert fühlen, kreuzen darüber hinaus Banditen und Kannibalen unseren Weg. Zum Glück gibt es auf die meisten Bedrohungen eine passende Antwort. Bei Strahlung setzen wir eine Gasmaske auf, Gegnern treten wir mit Waffenkraft entgegen und der Dunkelheit  begegnen wir mit Taschenlampe oder Nachtsichtgerät. Zugegeben: Unsere Kontrahenten sind nicht die smartesten Blumen auf der Wiese, treten jedoch meistens in großer Zahl auf. Kombiniert mit der Tatsache, dass alle genannten Gegenmaßnahmen an sehr limitierte Ressourcen gekoppelt sind, stellt auch der Kampf gegen eine fragwürdige KI eine angenehme Herausforderung dar.

Haben wir Gegner zur Strecke gebracht, können wir von diesen Materialien zum Craften einsammeln. Zu diesem Zweck hat Artjom in Metro Exodus einen Rucksack spendiert bekommen. Zücken wir den klobigen Ranzen, können wir damit unsere Waffen modden, Medikits basteln oder Filter für unsere Gasmaske herstellen. Genauso ist es möglich mit dem Rucksack Stahlkugeln für unser Luftdruckgewehr zu erzeugen. Ressourcen zum Craften sind in der ganzen Welt zu finden. Wer also seine Augen offen hält, wird gut zurechtkommen.

 

Stummer Laufbursche auf Erkundungsmission

Basis und Rückzugsort während unserer Missionen ist eine Lokomotive samt Personenwaggon. In seinem Abteil kann Artjom dem Funk lauschen, in seinem Tagebuch lesen oder mit seiner Frau Anna plaudern. Wobei der Begriff Plaudern ein wenig weit hergeholt ist, denn Artjom ist – wie bereits in den Vorgängern – stumm. Dieser Fakt gehört für mich zur größten Schwäche in der eigentlich ganz gut inszenierten Story. Schweigend lauschen wir den teils ewig langen Monologen unserer Begleiter, ohne irgendeine Chance der Interaktion. Das wirkt auf mich sehr befremdlich, da es den Eindruck erweckt, als hätte ich es mit Statisten zu tun, die einfach ihre Texte runter beten. Ein natürlicher Dialog mit Vertonung hätte besser funktioniert, da Artjom dann als Figur um einiges greifbarer gewesen wäre. Seltsam ist, dass für Artjom im Ladebildschirm ein Synchronsprecher verpflichtet wurde, der das Vorlesen seiner Aufzeichnungen übernimmt. Wäre da der nächste Schritt in Richtung Vollvertonung so ein großer gewesen?

Abseits der Interaktion mit seinen Wegbegleitern kann Artjom im Zug auf eine stationäre Werkbank zugreifen. Durch sie werden einige Möglichkeiten des Rucksacks erweitert. So lassen sich auf ihr unsere Waffen putzen – durch regelmäßige Pflege wird die Leistung verbessert – oder Munition für Maschinengewehr, Shotgun und co. herstellen. Das Equipment für die nächste Mission wird ebenfalls bei der Werkbank ausgewählt.

Die Missionen sind sehr straff in ihrer Erzählung inszeniert. Das Auftauchen von Monstern und etwaiger anderer Bedrohungen folgt in der Regel einem Skript und ist selten dem Zufall überlassen. Innerhalb der Mission haben wir die Chance zu Entscheiden, ob wir tödlich vorgehen oder unsere Feinde betäuben wollen. Die Art und Weise unseres Vorgehens kann Auswirkungen auf das Ende einer Mission und das Schicksal einzelner Figuren haben.

Recht solide Technik

Was die Grafik und den Weltenaufbau angeht, bewegt sich Metro Exodus auf hohem Niveau. Die Gebiete sind liebevoll und detailreich inszeniert. Oft wissen sie selbst auf der Playstation mit sehr tollen Lichteffekten zu begeistern. Diese Qualität fordert aber ihren Preis. So kann es beim erstmaligen Laden des Gebietes zu einer Ladezeit von über drei Minuten kommen. Dafür bleibt man dann aber selbst beim Betreten von Gebäuden von Ladezeiten verschont. Jene die sich sorgten, dass aufgrund der Openworld die beklemmende Atmosphäre der Vorgänger verschwindet, können beruhigt sein. Artjoms Reise führt immer wieder im klaustrophobisch-schaurige Gebäude und Ruinen. Weniger eindrucksvoll gestalten sich die Gesichter der NPCs, diese wirken über weite Strecken wie miese Animatronikpuppen.

Die Steuerung sowie das Gunplay hat sich für mich persönlich etwas schwammig angefühlt. Die Tastenbelegung ist manchmal nicht sehr intuitiv und erfordert gelegentliches um die Ecke denken. In ruhigen Momenten stört dies wenig. Im Kampf wird es allerdings problematisch,  wenn du erst überlegen musst, wie du nochmal schnell in den Rucksack kommst weil dir die Munition ausgegangen ist.

Der Sound der Umgebung oder der Waffen ist durchaus gelungen. Leider konnte ich das von der deutsche Lokalisierung nicht immer behaupten. Manche Figuren klingen gelegentlich sehr overacted.

FAZIT Roland (PC)

Im Vorfeld war ich ein bisschen skeptisch, ob der Sprung von der klaustrophobischen Enge der Moskauer Metro in die Weiten des russischen Hinterlands, denn gelingen würde. Berechtigterweise, wie ich jetzt feststellen muss. Die Steuerung und die behäbigen Animationen haben zu den  Vorgängern gepasst und ihren Teil zur Atmosphäre beigetragen, doch auf den offenen Karten mit teils langen Laufwegen wirkt das alles ein wenig zu langsam und dröge. Trotzdem ist das nur ein kleiner Makel, denn alles andere macht Metro: Exodus genauso gut oder gar besser als seine Vorgänger. Story und Charaktere sind 1A, auch wenn die deutsche Synchronisation zu wünschen übrig lässt. Warum Held Artjom nicht spricht ist mir auch unverständlich und schadet teilweise der Immersion. Diese kleinen Makel hindern den Titel aber nicht daran, problemlos zu den besten Story-basierenden, Singleplayer Ego-Shootern der letzten Jahre aufzuschließen.

Technisch gibt es am PC glücklicherweise fast nur erfreuliches zu vermelden. Das Game ist hervorragend optimiert und läuft auch auf einer alten 970 GTX sehr flüssig, wenn auch nicht mit allen Details an. Überhaupt gibt es sehr wenige Probleme, was heutzutage ja schon fast zur Seltenheit geworden ist. Das Game läuft stabil, Crashes oder andere ernste Macken sind mir nicht untergekommen. Ein paar Gitches, wie über dem Boden schwebende Items, oder Gegner, die in Wand oder Boden steckenbleiben gibt es zwar, sollten sich aber mit den ersten Patches ganz schnell in den Griff bekommen lassen. Im Großen und Ganzen ein vorbildlicher PC-Release, der neben vielen anderen Optionen übrigens auch RTX unterstützt.

FAZIT Dave (PS4)

Ich durfte Metro Exodus auf der PS4 Pro testen und hatte eine große Freude damit. Sicher, es ist nicht alles optimal: Die Feinde sind nicht mehr als bloße Schießbudenfiguren, Gunplay sowie Synchronisation könnten besser sein und der stumme Held ist mir noch immer ein Rätsel. Dem gegenüber steht eine Welt, welche die Seele ihrer literarischen Vorlage atmet. Damit meine ich nicht bedingungslose Treue zum Buch, denn erzählerisch entfernt sich Metro Exodus kilometerweit von Metro 2035, sondern die Atmosphäre und die Stimmung. Man spürt die Vision des Autors, ohne stoisch einen vorgegebenen Pfad zu beschreiten und hat den Mut auch mal eine eigene Abzweigung zu nehmen. Sehr gelungen fand ich die Erkundungsreize. Überall gab es Notizen, Tonbänder oder Ressourcen zu entdecken. Ich bekam es mit einem fanatischen Kult zu tun, mit wahnsinnigen Kannibalen und trotzdem ertappte ich mich dabei, wie ich in der Gegend herum stand, um die Lichtstimmung auf mich wirken zu lassen. Die Geschichte rund um Artjoms Reise durch das postapokalyptische Russland konnte mich ebenfalls fesseln. An dieser Stelle sei vielleicht erwähnt, dass es klar von Vorteil ist, wenn man die beiden Vorgänger gespielt hat. So erscheinen einem diverse Figuren in Metro Exodus vertrauter. Ja, nüchtern betrachtet ist Metro Exodus kein großes Meisterwerk geworden, aber für mich ist es einer der besten Shooter die ich seit langem spielen durfte.

Was ist Metro Exodus? Der dritte Teil der Egoshooter-Videospielreihe, die auf den Romanen von Dmitry Glukhovsky basiert.
Plattformen: PC, PS4, XBox One
Getestet: PS4, PC ,XBox One
Entwickler / Publisher: 4A Games / Deep Silver, Koch Media
Release: 15. Februar 2019
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 8.0

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 8 | Handling: 6 | Spieldesign: 8 | Motivation: 8

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