Microsoft Flight Simulator 2024 im Test

Vor einer Woche war es endlich so weit – die neue Fassung des Microsoft Flight Simulators ist für PC und Xbox erschienen! Haben wir hier die neue Referenz im Genre? Können wir damit (fast) wie in der richtigen Welt mit tatsächlichem Wetter, realistisch modellierten Flugzeugen und einer realen Landkarte durch den Himmel fliegen?

Der Markt für Flugsimulationen ist klein geworden. Nicht auf Seiten der Spieler, hier gibt es immer noch genügend Interessenten, die sich gerne mit einem Flugzeug in die Lüfte schwingen würden, aber auf Seiten der Anbieter. Während es früher noch regelmäßig (vor allem militärische) neue Flugsimulationen gab, sind in den letzten Jahren fast keine Neuerscheinungen mehr erschienen. Wo sind die ganzen Flugsimulationen von Microprose, Jane’s, Electronic Arts oder Dynamix geblieben? Kein Falcon, kein Red Baron und kein Gunship mehr? Nicht einmal zivile Flugsimulationen wie A320 Airbus oder Flight Unlimited erscheinen noch. Der Markt ist fast tot, auf Steam gibt es neben dem „alten“ (aus 2020) Microsoft Flight Simulator gerade noch das (unmenschlich teure) DCS, oder das action-lastige free-to-play War Thunder, vielleicht noch das inzwischen grafisch schwer in die Jahre gekommene IL-2 Sturmovik oder das zivile X-Plane 12 an weiteren halbwegs aktuellen Flugsimulatoren. Nicht wirklich viel Auswahl bei inzwischen bald 100.000 Spielen auf der Plattform. Dementsprechend groß war die Vorfreude auf den neuen Microsoft Flight Simulator 2024.

Auch ich war schon überaus gespannt auf die neue Simulation. Ich war immer schon fasziniert vom Fliegen und bin mit Flugsimulationen wie F-18/A Interceptor, F-16 Fighting Falcon, Their Finest Hour, Comanche oder Aces of the Pacific groß geworden. Nie werde ich meine Zeit mit Flight of the Intruder (Maturageschenk) oder Gunship 2000 (Hochzeitsgeschenk) vergessen. Vor rund 20 Jahren habe ich dann sogar selbst die Pilotenausbildung absolviert und bin mit meinem eigenen Flugzeug durch die Gegend geflogen. Nunja, die Pilotenlizenz ist schon lange nicht mehr aktiv, und am PC verstaubt mein Thrustmaster T.Flight Hotas X Flightstick in seiner Box. Zeit, endlich wieder wieder in die Luft zu gehen! Und offensichtlich war ich nicht der Einzige, der so gedacht hat, denn der neue Microsoft Flight Simulator 2024 ist offensichtlich im Vorverkauf gut gelaufen. Auf Steam gab es bei Erscheinen gut 25.000 Spieler… aber diese Kurve ist deutlich und sehr rasch abgeflacht und hat sich nun bei knapp 10.000 Spielern eingependelt. Was ist passiert?

The Bad – Desaströser Launch

Genau das ist leider passiert – ein schief gelaufener Launch. Ich habe mir das Spiel am Erscheinungstag runtergeladen (zuerst nicht einmal 10 Gigabyte… der alte Microsoft Flugsimulator benötigt über 150 Gigabyte), und wollte losfliegen. Nunja, am Titelbildschirm wird zwingend die Verknüpfung mit einem Microsoft-Konto gefordert. Was Sony kann, kann Microsoft schon lange! Leider haben die Programmierer des Microsoft Flight Simulator 2024 aber auf den Mauszeiger vergessen, sodass das mit dem Einloggen schwierig ist… Ok, wenn ihr vom Vollbildmodus mit Alt+Return in den Fenstermodus umsteigt, dann erscheint der Mauszeiger und ihr könnt eure Microsoft-Kontodaten eingeben. Grundsätzlich nicht schwer zu beheben, aber absolut unverzeihlich, dem Spieler so eine Begrüßung in das Gesicht zu schmeißen! Wie viele Kunden sind technisch nicht so versiert, oder denken schlichtweg im ersten Moment nicht daran, in den Fenstermodus zu wechseln, und starren nur ungläubig auf den Bildschirm und suchen ihren Mauszeiger?

Aber ok, dieses Problem lässt sich ja durchaus noch relativ zügig beheben. Also gebe ich meine Daten ein, und los geht’s! Dachte ich zumindest. Denn nun will das Programm weitere Daten runterladen. Nunja, aber passiert ist nichts. Nach einiger Zeit war der Fortschrittsbalken immer noch auf 0%, und dann kam die Meldung, dass ich mich nicht einloggen kann. Too many users are trying to connect at the same time. Nachdem ich noch ein paar Minuten gewartet habe und sich nichts getan hat, habe ich den Rechner abgedreht und bin schlafen gegangen. Spiele mit zwingend vorausgesetztem Serververbindung haben so ihre Vorteile… wie ich in den letzten 15 Jahren schon unzählige Male erlebt habe. Die Siedler 7 (Ubisoft, 2010)? Sim City (Electronic Arts, 2013)? Oder der katastrophale Launch von Diablo III mit seinem in die Geschichte eingegangenen Error 37? Oder das plötzlich verschwundene The Crew (Ubisoft)? Das waren nur ein paar wenige Beispiele über die völlige Abhängigkeit von einer Internetverbindung und funktionierenden Servern, und jetzt kommt der Microsoft Flight Simulator 2024 hinzu. Die Wertungen auf Steam nach einem Tag waren „Mostly Negative“, und da stehen sie nach einer Woche immer noch. Berechtigterweise?

The Good – es fliegt ja doch!

Bereits des Intro-Video macht Lust auf das Spiel. Von der Abholung eines Verletzten in der Steppe, dem Fliegen mit einem Luftschiff neben der Christusstatue in Rio de Janeiro, dem Flug in Richtung des Burj Al Arab in Dubai, Kunstflugmanöver einer Red Bull Staffel, dem Fliegen neben einer Großstadt, dem Landen eines schweren Transportflugzeuges auf einer winzigen Schneise im Dschungel, einem Rettungseinsatz bei einem sinkenden Containerschiff, dem Start eines Passagierflugzeuges, einem Löscheinsatz mit dem Wasserflugzeug, dem Versprühen von Pestiziden über einem Feld, einer entspannten Ballonfahrt… das Video ist wirklich toll gemacht und weckt die Lust auf das Spiel.

Was mache ich also zuerst? Free Flight mit einer Cessna 172, abheben in Schwechat, Flug nach Wien, (unerlaubterweise) über der Stadt kreisen, im Tiefflug zu einigen Sehenswürdigkeiten, ein paar Mal um mein eigenes Haus herum (mit meinem Auto vor der Tür, aber die Bäume, die ich letztes Monat gefällt habe sind noch immer da), und danach Richtung Südosttangente um eine Notlandung zu simulieren. Hätte auch fast geklappt, wenn da nicht ein Verkehrsschild über der Fahrbahn meine Landung etwas unsanft gestoppt hätte… insgesamt ein absolut genialer, unglaublich geiler Ausflug! Wow. Die Maschine wird extrem detailliert dargestellt, jedes Instrument schaut korrekt aus und funktioniert auch tatsächlich, die Außenwelt schaut (fast) aus wie echt. Wer sich in der Gegend auskennt, kann sich problemlos anhand jedes Hauses, jedes Gewässers, jeder Straße oder Eisenbahnlinie orientieren. Da fehlt echt nichts. Ich bin begeistert. Das war bereits im Vorgänger Microsoft Flight Simulator 40th Anniversary Edition recht gut gemacht, aber die neue Version toppt das noch einmal! Ich habe mir dann auch meine Heimat in der Provinzstadt angeschaut – hier muss man dann doch gewisse Abstriche machen. Die Grundrisse passen, von oben schaut es top aus – aber wenn ihr (vor allem im freien Kameramodus) nach unten geht und euch die Gebäude in Ruhe aus der Nähe anschaut – die haben nur sehr entfernte Ähnlichkeit mit der Realität. Oder besser – gar keine Ähnlichkeit, außer dem Grundriss. Sogar Türme waren nicht vorhanden (nur weiße Kreise am Boden), oder große Monumente haben gefehlt, der Fußballplatz meiner alten Schule war ein Acker, Hochhäuser waren Holzhütten, das Schloss nur ein ziegelsteinroter Fleck am Boden, Hügel oder Brücken gibt es gar nicht usw. Vielleicht schafft der nächste Flight Simulator in ein paar Jahren ja dann auch am Boden eine Google Maps – Street View Qualität? Soweit sind wir aktuell jedenfalls noch nicht.

Was kann der Free Flight Modus? Ihr habt die Auswahl zwischen unzähligen Fluggeräten – vom Segelflugzeug, Doppeldecker, P-51 Mustang, Hubschrauber, Ballon, Luftschiff, Privatjet, der F/A-18E Super Hornet bis hin zum Airbus A320 oder dem Boeing 787 Dreamliner. Ihr könnt es betanken, beladen, zwischen verschiedenen Designs wählen und euer Callsign ändern. Dann wählt ihr einen Startpunkt – in der Luft oder auf einer bestimmten Position am Flughafen, das Wetter – und dann geht es los. Ich fliege mit meiner Diamond Aircraft DV-20 (das ist das Flugzeug, mit dem ich auch in der Realität unterwegs war) über die unendlichen Weiten von Chicago (da war ich gerade auf Urlaub) und schaue mir The Bean aus der Luft an (um dann in den Trump Tower zu crashen), fliege mit einem Learjet (damit wäre ich gerne geflogen…) über Tokio bei Nacht, bewundere sowohl die Außenwelt (ihr könnt jederzeit pausieren und die Welt mit freier Kamera betrachten) ebenso wie die realistischen Cockpits und Instrumente. Wow.

Was bietet das Spiel sonst noch? Da wäre ein Karrieremodus – wollt ihr Frachtpilot mit riesigen Transportmaschinen werden? Eine Luftrettung fliegen? In der Landwirtschaft arbeiten oder doch lieber reiche Passagiere zu den exklusivsten Reisezielen fliegen? Was auch  immer – zuerst müsst ihr den Privatpilotenschein (PPL) auf einem kleinen einmotorigem Flugzeug machen, erst danach könnt ihr euch für einen Beruf entscheiden (bzw. weitere Qualifikationen freischalten). Macht auch Sinn – denn natürlich gilt für das ganze Spiel – um die Maschinen (trotz aller zuschaltbarer Hilfen durch den Copiloten) vernünftig zu fliegen, müsst ihr nicht nur grundsätzlich eine Ahnung vom Fliegen haben, sondern auch das jeweilige Fluggerät kennen. Und das dauert in der Realität oft monatelang. Beim Flight Simulator geht es zwar wesentlich schneller, aber ohne ein wenig Studium der Maschine geht gar nichts. Fliegen vielleicht, aber Landen wird schwierig, wenn ihr weder die Flaps bedienen, die Räder ausfahren noch den Motor drosseln könnt. Vom Verstehen des Funkverkehrs will ich ja gar nicht reden. Oder einen Flugplan erstellen. In der Nacht zu fliegen. Die Lizenz zum Linienpiloten machen. Ihr könnt hier wirklich alles simuliert (und vereinfacht) lernen, was ihr auch in der Realität benötigt.

Unter Aktivitäten könnt ihr ein Rennen fliegen (wobei das Red Bull Air Race noch nicht funktioniert), im Tiefflug mit einem Kampfjet über die USA  rasen, besondere Landungen (starker Seitenwind, winzige Landebahnen, oder berühmte Flughäfen wie… Klagenfurt) hinlegen oder mit „Discovery“ dutzende weltweite Sehenswürdigkeiten (Cheops Pyramiden, Sydney Oper, Golden Gate,…) überfliegen. Einfach großartig, wenn ihr da all die Orte mit dem Flugzeug befliegen könnt, wo ihr schon überall Urlaub gemacht habt (oder auf Geschäftsreise wart). Bei den wöchentlichen Challenges könnt ihr euch mit anderen Spielern messen (Rennen, schwierige Landungen, Tiefflug,…). Im World Photographer müsst ihr von bestimmten ikonischen Orten Fotos machen, während ihr mit vorgegebenen Fluggeräten über sie hinwegfliegt. Der Marktplatz ist noch nicht eröffnet, wobei ihr aber alle für den letzten Microsoft Flugsimulator erworbenen Extras automatisch mitnehmt.

Benötigt: eine gute Internetverbindung!

Abgesehen von den (inzwischen behobenen) Problemen beim Einloggen benötigt der Microsoft Flight Simulator 2024 auch während dem Spiel eine permanente Internetverbindung. Im Einzelspielermodus. Allerdings – in diesem Fall verstehe ich das auch. Im Gegensatz zu 99% aller anderen Einzelspieler-Games, die diese Verbindung nur aus Kopierschutzgründen brauchen, ist der Microsoft Flight Simulator 2024 so konzipiert, dass er (u.a.) die Terrain- und Wetterdaten permanent aus dem Netz herunterlädt. Nur dadurch ist es möglich, dass die Daten tatsächlich aktuell sind, nur dadurch ist es möglich, dass ihr eine hyperrealistische Landkarte bekommt, ohne dass ihr vorher die kompletten Goggle Earth Daten auf euer privates NASA-Rechenzentrum runterladen müsst. Also grundsätzlich absolut ok, in diesem Fall ist das dauernde Aktualisieren der Daten aus dem Netz eben notwendig und führt zu einem bisher noch nie gekannten Realismus-Grad. Neben all den Daten könnt ihr auch den Multiplayermodus aktivieren und so mit anderen Spieler gemeinsam herumfliegen. Eure Internetverbindung sollte allerdings schnell und mengenmäßig unlimitiert sein, sonst habt ihr ein Problem. Während Microsoft die Mindestgeschwindigkeit mit halbwegs moderaten 10 Mbit/s angibt, so werden 50 Mbit/s empfohlen, aber das Spiel kann im Extremfall auch schon über 150 Mbit/s ausnutzen. Das bedeutet, dass ihr in der Stunde gut 50 GB Datenverkehr produziert – hoffentlich will da nicht ein anderes Haushaltsmitglied ebenfalls zeitgleich auf das Internet zugreifen… The sky is not the limit – eure Internetverbindung unter Umständen aber schon.

Die weiteren Hardwareanforderungen sind relativ überschaubar. Der Speicherplatz auf der Festplatte beträgt – dank dem Datenstreaming aus dem Netz – „nur“ rund 50 GB, die Grafikkarte kann durchaus schon ein wenig älter (RX 5700 oder GeForce GTX 970) sein. Allerdings braucht ihr mindestens 16 GB RAM, mit den immer noch weit verbreiteten 8 GB RAM hebt euer Flugzeug nicht ab. Besser wären aber ohnehin 32 oder gar 64 GB RAM-Speicher im Rechner, auch eine stärkere Grafikkarte schadet nicht. Was ebenso zu empfehlen wäre, ist ein Flightstick. Ihr könnt durchaus mit einem normalen Xbox-Controller fliegen, aber wer ein so halbwegs realistisches Feeling haben will, muss auch in einen Flightstick investieren. Dazu wären auch drei Monitore nicht schlecht, damit ihr links und rechts aus dem Fenster schauen könnt und die Umgebung im Blick behalten könnt. Vor allem beim Starten und Landen ist das extrem hilfreich. Aber was sage ich, Fans von Flugsimulationen haben so ein Setup ohnehin bereits aufgebaut!

Ihr könnt das Spiel für den PC auf Steam oder im Microsoft Store kaufen, dazu natürlich auch im Xbox Store. Es gibt vier verschiedene Editionen (Standard, Deluxe, Premium Deluxe und, wenn ihr zu viel Geld habt, die Aviator Edition um EUR 220,-). Der Unterschied sind vor allem die Anzahl der inkludierten Flugzeuge und Flughäfen, wobei allerdings bereits in der Standard Edition schon 70 Flugzeuge und 150 Flughäfen enthalten sind. Wirklich positiv ist anzumerken, dass ihr das Spiel auch über den Microsoft Game Pass spielen könnt.

Zusammenfassung

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