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Microsoft Flight Simulator im Test

Microsoft Flight Simulator ist eine der ältesten PC-Spieleserien überhaupt. Ein Franchise, das von einem Publikum von Simulations- und Luftfahrt-Enthusiasten seit mittlerweile Jahrzehnten geliebt und unterstützt wird. Der neuste Ableger für das Jahr 2020, der von Asobo und Microsoft auf den Markt gebracht wurde, verhilft dieser Erfolgsgeschichte nun zu neuen Höhenflügen. Von den grafischen Fortschritten ganz abgesehen, begeistert der Titel mit einer unfassbar schön nachgebildeten Erde, cleveren Echtzeit-Features die eine direkte Verbindung zum realen Luftverkehr darstellen und Gameplay-Design, das Anfänger und Profis gleichermaßen glücklich machen sollte.

Ganze 14 Jahre ist es her, dass der letzte Teil der Flight Simulator-Serie erschienen ist, die 1982 ihren Anfang nahm – also mit recht hoher Wahrscheinlichkeit älter ist als so mancher der das hier gerade liest… und übrigens auch als ich selbst. Da kann es also schon passieren, dass man nicht so genau weiß, womit man es hier zu tun hat. Also fange ich, wie so oft, einfach mal ganz am Anfang an: Microsoft Flight Simulator folgt dem Grundsatz von „nomen est omen“ und bietet nicht mehr oder weniger, als sein Name verspricht. Also, eine beinharte Simulation unseres zivilen Luftverkehrs. Will heißen: Adaptionen, die bei Videospielen gerne mal verwendet werden, um reale Tätigkeiten „leichter verdaulich“ und eben „spielbar“ zu machen, werden hier ganz bewusst weggelassen. Wer also erwartet, hier einfach mal ein Gamepad an den Computer stöpseln und nachher Loopings über Wien fliegen zu können, ist reichlich schief gewickelt. Auch klassische Progression gibt es nicht. Das Spiel hat also keinen Anfang und kein Ende; keinen Karriere-Modus, keine Kampagne, keine Story oder dergleichen. Und „Schwierigkeitsgrade“ sind hier höchstens dadurch vertreten, dass man einstellen kann, wie schnell und fatal beispielsweise Motorschäden auftreten, wenn man sein Fluggerät zu harsch behandelt. Also ja: Microsoft Flight Simulator bringt die gute, alte Simulator-Schule zurück. Klar; natürlich gibt es auch hier tatsächlich Modi, in denen ihr vorgefertigte Herausforderungen zu bewältigen habt, um auf internationalen Leaderboards zu landen oder eine „Flugschule“, die ihr besuchen könnt. In seinem Herz aber bleibt Flight Simulator immer eine ursprüngliche Flugsimulation ohne große „Gamification“. Hier dreht sich alles um die Liebe zum Fliegen, die Physik, die Flugzeuge und darum so intensiv wie möglich in die Rolle eines echten Piloten zu schlüpfen. Das wird langjährige Fans erfreuen, aber mehr als alles andere ist es zweifellos die richtige Entscheidung für die Wiederbelebung dieses Franchise gewesen, seinen Wurzeln treu zu bleiben; für neue und alte Spieler gleichermaßen.

Oh what a wonderful world

Das wichtigste und gleichzeitig wohl faszinierendste Feature von Microsoft Flight Simulator ist die Weltkarte. Asobo und Microsoft, die mir ein Testmuster für Review-Zwecke zur Verfügung gestellt haben, haben eine clevere Mischung aus Satellitenbildern und 3D-Daten von Bing und die Power von Microsofts Azure Cloud genutzt, um nicht nur tatsächlich die ganze verdammte Erde in atemberaubender Qualität ins Spiel zu heben, sie verknüpfen das alles noch dazu jederzeit mit Echtzeit-Daten. Heißt: Fliegt ihr beispielsweise von Salzburg nach Wien, und über Oberösterreich geht jetzt gerade ein Gewitter nieder, ist auch im Spiel exakt an derselben Stelle ein Gewitter. Wollt ihr diesem nach oben hin ausweichen, es fliegt aber in der realen Welt gerade ein Austrian-Linienflug darüber, wird euch der Tower auch im Spiel darauf hinweisen, dass ihr dieser Maschine ausweichen müsst. Grandios! Und natürlich sieht auch die Spielwelt selbst schlichtweg fantastisch aus. Sicher: Nicht jeder Quadratkilometer der Erde ist gleich detailliert ausgefallen. Dort, wo tatsächlich einzig und allein die Satellitendaten herhalten mussten, sind Gebäude aus der Nähe betrachtet doch sehr grobschlächtig. Und ja: bei genauerem Hinsehen in Gegenden, die man selbst kennt, fällt sicherlich auf, dass so manch kleinere, beieinanderstehende Gebäude zu einem einzelnen kombiniert wurden oder dergleichen. Auch die Bodentexturen irgendwo im Nirgendwo sind nicht unbedingt dieselben wie beispielsweise in Gears 5. Aber hey: Deren Entwickler haben ja auch nicht DIE GANZE ERDE ins Spiel geholt. Da geht das schon in Ordnung. Insbesondere deswegen, weil man ja in der Regel eh ein gutes Stück vom Boden entfernt unterwegs ist. Und von dort oben ist die optische Qualität des Spiels – ich kann es nicht oft genug sagen – wirklich unglaublich. Die Wolken, das Licht, die Flugzeug-Modelle, das Wetter, die volumetrischen Effekte, der Tag/Nacht-Wechsel, die Beleuchtung der Städte bei Nachtflügen… es ist wirklich lange her, dass mich ein Spiel optisch dermaßen beeindrucken konnte.

Natürlich hat diese optische Brillanz aber auch ihren Preis: Microsofts Flight Simulator ist ein durchaus Hardware-hungriges Stück Technik. Will man alle Detail-Regler auf Anschlag drehen und vielleicht auch noch in 4K zocken, sollte man schon das absolute Feinste vom Feinen im Rechner stecken haben, das AMD, Intel und NVIDIA aktuell so in petto haben. Aber gemach: Die Detail-Regler auf mittlerer oder teilweise hoher Stufe zu belassen sorgen auch auf nicht mehr top-aktueller Hardware für flüssige Framerates und Kinnladen-Klapp-Potenzial gleichermaßen. Es sollte allerdings erwähnt werden, dass nicht nur CPU, RAM und Grafikkarte mächtig ins Schwitzen gebracht werden, sondern auch euer Internetanschluss und die Festplatte. Einerseits holt sich das Spiel ja eben ständig die erwähnten Realtime-Daten, andererseits ist die Welt bekanntermaßen nicht unbedingt klein – braucht also auch auf eurer Festplatte reichlich Platz. Der initiale Download ist nur ein paar Gigabyte groß. Allerdings werden erst beim ersten Start die „echten“ Daten auf die Festplatte geholt: rund 150 Gigabyte solltet ihr auf jeden Fall parat haben. Idealerweise sogar etwas mehr – wegen den erwähnten Realtime-Daten und immer wieder nachgeladenen, temporärer Daten warads gewesen.

Faszination Fliegen

Die Weltkarte kommt aber nicht nur im Flug zum Tragen. Sie ist auch euer Einstieg ins Spiel selbst. Bevor ihr nämlich abhebt, müsst ihr auf eben jener eure Flugroute planen. Schon dabei wird der Simulations-Charakter des Titels klar. Denn obgleich ihr es auch dabei belassen könnt einfach einen Startpunkt (kann ein Flughafen oder irgendwo sein – in diesem Fall startet ihr direkt in der Luft) auszuwählen und auf „FLY“ zu drücken, so bietet euch das Spiel doch zahlreiche weitere Möglichkeiten: Wetter-Daten abrufen, Routenpunkte entsprechend setzen, Zeitplan festlegen… im Grunde eben alles zu tun, was auch ein echter Pilot so macht, bevor er ins Cockpit kraxelt.

Und apropos Cockpit: Kommen wir zum Fliegen selbst. Tatsächlich gibt es im Cockpit eines Flugzeugs jetzt nicht unbedingt viel zu tun, sobald ihr mal auf Reisehöhe seid; es ist aber die Summe der Teile einer ganzen Reise, die hier den Reiz ausmachen. Natürlich sind also Start und Landung das eigentlich spannendste. Auf einer Transatlantik-Reise allerdings immer wieder aufgrund von Wetterentwicklungen den Kurs zu korrigieren kann auch seinen Reiz haben. Im Großen und Ganzen besteht Fliegen aber nach dem Erreichen von Reisegeschwindigkeit und vorgegebener Höhe in einem langen Geradeaus. Da die Zeit hierbei standardmäßig 1:1 mit der Realität vergeht, kann das also schon mal eine ganze Weile dauern. Angenehmerweise gibt es aber  die „Travel to-Funktion“. Damit könnt ihr einzelne Phasen des Flugs überspringen und solchermaßen aus einer 12h-Reise von Wien nach LA beispielsweise ruck-zuck eine 1-stündige Angelegenheit machen.

Die Steuerung der Maschinen in der Luft selbst ist recht einfach. Ich habe leider meinen alten Flugstick nicht mehr gefunden und daher auf den Controller zurückgreifen müssen, kam damit aber bestens zurecht. Natürlich aber nicht mit ihm allein. Die meisten Einstellungen und Aktionen müssen direkt über Umsehen im Cockpit und Befehle mit der Maus erledigt werden. Auf diese Weise könnt ihr euch auch all die Anzeigen im jeweiligen Cockpit genauestens zu Gemüte führen, um immer im Blick zu haben, ob alles nach Plan läuft und alle Systeme nach demselben arbeiten. Mit dem Stick hingegen übernimmt man die Steuerung der Ruder. Übertreibt man es hier und überfordert die Maschine, oder droht abzustürzen, wird der Bildschirm übrigens augenblicklich schwarz. Gezielt in Gebäude fliegen geht folglich nicht. Dass das früher ging war wohl mit ein Grund warum die Serie so lange pausierte … ihr wisst schon.

Alle Ängste, alle Sorgen blieben unter den Wolken verborgen

Alles in allem empfand ich das Fliegen selbst aber als unglaublich entspannende Erfahrung. Wer also zockt, um seinen Puls hochzujagen und schnelle Erfolgserlebnisse zu kassieren, ist hier falsch. Vielmehr ist Flight Simulator eine fast schon meditative Erfahrung. Vor allem auch, wenn man während des Fluges in eine der Außenkameras wechselt und einfach nur die wunderschöne Grafik genießt. Wer das auf die Spitze treiben will, kann die Steuerung übrigens auch gleich ganz an seinen Co-Piloten übergeben – also quasi den Autopiloten einlegen. Einziges Problem an der Sache: Zumindest während meiner Tests hat dieser sich als nicht sonderlich verlässliche Alternative zur eigenen Steuerung erwiesen. Bei einem Flug von Innsbruck nach Frankfurt etwa riss er unseren kleinen Passagierjet ohne erkennbaren Grund in eine scharfe Rechtskurve und setzte zum Sturzflug an. Wollte wohl nicht mehr…

Zum Schluss noch ein paar Worte zu den Flugzeugen und Editionen, in denen das Spiel verkauft wird. Das hängt nämlich stark miteinander zusammen… ebenso wie die Anzahl der per Hand gebauten Flughäfen im Spiel. Je nachdem, ob ihr euch nämlich für die Standard-, Deluxe- oder Premium-Version des Spiels entscheidet wird dafür unterschiedlich viele geboten. Aber keine Sorge: Schon die 20 in der Standard-Edition enthaltenen Maschinen decken von der kleinen Propeller-Maschine bis zum Airbus A320neo oder der Boeing 747-8 alles ab. Und auch der eine österreichische Flughafen, der per Hand von den Entwicklern hoch-detailliert ins Spiel gehoben wurde (Innsbruck), ist bereits in der Standard-Version enthalten. Hier jedenfalls der Überblick:

 

FAZIT

Der Microsoft Flight Simulator ist nach wie vor kein Spiel wie alle anderen. Dementsprechend muss man bei ihm freilich auch andere Maßstäbe ansetzen. Wer klassische Videospiel-Progression und Erfolge im Sinne von vorgegebenen Zielen erwartet, ist hier vollkommen falsch. Asobo und Microsoft geben einem vielmehr eine unglaublich gut aussehende und realistische Sandkiste in die Hand, innerhalb derer man sich selbst Ziele setzen und in Folge versuchen kann zu erreichen. Dabei ist der Titel absolut fantastisch. Und hab ich schon erwähnt, dass er unfassbar gut aussieht?

Was ist Microsoft Flight Simulator? Nach 14-Jähriger Abstinenz der neueste Eintrag in die Flugsimulations-Serie von Microsoft.
Plattformen: PC
Getestet: auf PC, Intel Core i7-3300k, 16GB RAM, NVIDIA GTX 980 Ti
Entwickler / Publisher: Asobo Studio / Xbox Game Studios
Release: 18. August 2020
Link: Offizielle Webseite

„Microsoft/Xbox hat uns das Testmuster zum Microsoft Flight Simulator für Review-Zwecke zur Verfügung gestellt.“

Gesamtwertung: 9.2

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 10 | Handling: 10 | Spieldesign: 10 | Motivation: 6

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