MORTAL KOMBAT X TEST

Chapeau – ich ziehe den Hut vor meinem Gegner! Aber nicht zum Ausdruck der Anerkennung oder um ihm Respekt zu zollen, sondern weil sich meine Kopfbedeckung durch drehende Bewegungen in eine Kreissäge verwandelt hat, in dessen rasiermesserscharfe Krempe ich den Kopf meines am Boden liegenden Kontrahenten drücke. Das Blut spritzt nach allen Seiten, aus den beiden Schädelhälften quillt Hirnmasse und das Leben des Widersachers endet mit einem markigen Todesschrei. Warum ich das tue? Meine Name ist Kung Lao, ich bin Teilnehmer des Mortal Kombat und mein Auftrag war: “Finish Him!”

Warnung: Wem diese Einleitung schon zu barbarisch, blutrünstig und abscheulich war, der braucht jetzt gar nicht mehr weiter zu lesen. (Anmerkung Johannes: oder eigentlich schon – weil das heißt dass er oder sie keine Ahnung hatte, was Mortal Kombat ist; und das ist eine Bildungslücke imho. 😉 ) Diesen Pazifisten sage ich: “Hey, das ist Mortal Kombat! Hier geht es nicht darum den Gegner zu besiegen, sondern ihn zu vernichten und das auf eine möglichst gewaltsame Art und Weise”. Auch Teil 10 (römisch X) bleibt dieser Tradition treu und bringt die Gewaltdarstellung in Computerspielen auf die nächste Stufe. Um aber den selbst ernannten Moral-Aposteln gleich wieder den Wind aus den Segeln zu nehmen, MKX übertreibt es mit dem Abtrennen von Körperteilen und spritzenden Blutfontänen derart, so dass der sarkastische und humorige Unterton nicht mehr wirklich als subtil bezeichnet werden kann. Spielerisch bringen die Fatalities (besonders grausame Finishing-Moves) oder die X-Ray (Spezialangriffe in Röntgenansicht) nur bedingt Vorteile, aber es macht durchaus Laune, wenn man sieht wie die Spielfigur des Gegners neben mir auf der Couch einen brutalen Tod stirbt. Ist das noch nicht Gewalt genug, feiern die Brutalities aus Mortal Kombat 3 ein Comeback. Dabei handelt es sich aber nicht mehr um Combos die den Gegner zum explodieren bringen, sondern um eine Art Mini-Fatalities, die nur unter bestimmten Voraussetzungen ausgeführt werden können. Aber auch wenn das Level der Gewaltdarstellung absurd und maßlos übertriebenen ist, Mortal Kombat X ist nichts für Zartbesaitete. Splatter-Fans und Gore-Junkies kommen aber voll auf ihre Kosten.

The next Generation

In der Zwischenzeit umfasst das Mortal Kombat Universum mehr als 70 spielbare Charaktere und rund 24 davon haben es auch in den Kader von Teil X geschafft. Das Wichtigste vorweg: Die populärsten und beliebtesten Figuren sind natürlich wieder mit dabei. Darunter aus Film und Fernsehen bekannte Charaktere wie der Ninja Sub-Zero, sein Todfeind Scorpion, auch Donnergott Raiden ist mit von der Partie, genauso wie die beiden Fan-Lieblinge Liu Kang und Sonnenbrillen-Träger Johnny Cage. Aber nur rund zwei Drittel sind wirklich erprobte Kämpfer, denn auch bei Mortal Kombat zeichnet sich ein Generationswechsel ab. Mit Cassie Cage, Jacqui Briggs und Kenshis Sohn Takeda Takahashi ist bereits der Nachwuchs bekannter Charakter vertreten. Komplettiert wird der Roster durch völlig neue Kämpfer wie die Insektenfrau D’Vorah, den Pistolenschwinger Erron Black, das dynamische Duo Ferra & Torr sowie dem Azteken-Gott Kotal Kahn. Die umfangreiche Auswahl an Kämpfern ermöglicht eine große Variation an differenzierten Spielweisen, welche sich dazu durch die drei vor Kampfbeginn wählbaren Spielstile nochmals unterscheiden. So ist beispielsweise Scorpion im Hellfire-Modus sehr offensiv ausgerichtet und kann mit Flammen-Angriffen sehr gut austeilen, während er im Inferno-Spielstil dämonische Helfer beschwören kann, die den Gegner festhalten. Die Variante Ninjutsu ähnelt eher seinem klassischen Kampfstil, erweitern um zusätzliche Schwertangriffe. Auch wenn die grundlegenden Move-Sets des einzelnen Figuren dabei immer gleich bleiben, erlaubt diese Neuerung eine etwas flexiblere Herangehensweise an die Kämpfe und erhöht zusätzlich den Umfang an taktischen Möglichkeiten. Da kann man dann auch leicht verschmerzen, dass einige Charaktere wie Baraka oder Nightwolf zwar im Story-Modus vorkommen, aber nicht spielbar sind. Oder dass der Predator und Serienmörder aus Freitag dem 13., Jason Voorhees, nur per kostenpflichtigem DLC angeboten werden. Etwas unverfroren von Warner Bros ist es dagegen, den vierarmigen Champion Goro zwar in der Charakterauswahl anzuzeigen, aber ebenfalls nur gegen Einwurf von zusätzlichen Münzen, in Form von Echtgeld, freizuschalten.

Für eine handvoll Koins

Der Story-Modus knüpft direkt an den Vorgänger an, durch den die Geschichte des Mortal Kombats und des ewigen Kampfes zwischen dem Earthrealm und der Outerworld, mehr oder weniger einen Neustart verpasst bekommen hat. Nach Shao Kahns Niederlage kann sich der gefallene Gott Shinnok aus seiner Verbannung in der Unterwelt befreien und zettelt einen neuen Krieg gegen die Ältesten Götter und den Earthrealm an. Aufgabe des Spielers besteht darin Shinnok aufzuhalten und das Erdenreich gegen seine Schergen verteidigen. Die Geschichte selbst wird in knapp 2 ½ Stunden an Cutscenes erzählt, die nahtlos in die einzelnen Kämpfe übergeben. Der Story-Modus ist dabei zwar sicherlich nicht das Highlight von Mortal Kombat X, dafür aber sehr kurzweilig und qualitativ sicherlich nicht schlechter als die diversen Verfilmungen. Kernpunkt des Spiels sind aber nach wie vor die Versus-Kämpfe, vor allem gemeinsam auf der Couch vor einem Bildschirm. Natürlich sind auch Online-Matches möglich, bei diesen muss man aber nicht nur gegen den Gegner, sondern teilweise auch störende Lags kämpfen. Wer auf das online Spielen trotzdem nicht verzichten möchte, der bekommt mit den Fraktions-Kriegen ein ganz besonderes Feature geboten. Beim ersten Start muss man sich für eine von fünf Fraktionen entscheiden (Lin Kuei, White Lotus, Brotherhood of Shadow, Black Dragon oder Special Forces). Für jeden gewonnene Kampf oder gemeisterte Fraktionsherausforderungen gibt es Punkte. Jene Fraktion die am Ende der Kriegsperiode von 7 Tagen die meisten Zähler hat, erhält eine bestimmte Belohnung. Neben den Story- und Versus-Modi gibt es natürlich auch noch die klassischen Arcade-Modi, in MKX in so genannte Türme unterteilt. Da gibt es die traditionellen Varianten, in denen ihr gegen eine bestimmte Anzahl an zufälligen Gegnern antreten müsst, oder die Türme “Endlos” und “Überleben”. Etwas ausgefallener sind die Modi “Test your Luck” bei der die Rahmenbedingungen der Kämpfe mit rund 100 verschiedenen Modifikatoren verändert werden können, oder „Test your Might“ in dem mittels Button-Smashing divers Bruchtests absolviert werden müssen. Wem das noch zu wenig ist der kann sich an den „Lebenden Türmen“ versuchen, die in jeweils stündlichem, täglichem und wöchentlichen Rhythmus den Spieler vor wechselnde Aufgaben stellen.  Alleine schon mit diesem Content ist wochenlanger Spielspass garantiert, für die notwendige Motivation sorgt dazu das Belohnungssystem in Form von sogenannter Koins. Diese erhält man etwa für gewonnene Kämpfe oder bestandene Herausforderungen und können in der Krypta für Kostüme, Brutalities, Fatalities, Soundtracks oder Artworks ausgegeben werden. Wer zu faul ist, der kann sich übrigens per kostenpflichtigen DLC alle Geheimnisse und Schätze der Krypta auf einmal freischalten lassen.

Schöne Last-Gen Technik

Wie schon im direkten Vorgänger, sowie im Comic-Ableger Injustice: Gods among us verwendet Entwickler NetherRealm Studios auch für Mortal Kombat X die nun schon etwas angegraute Unreal Engine 3. Umso erstaunlicher ist es, was dieses Framework noch leisten kann. Zwar gibt es bei den einzelnen Charktermodellen sehr große qualitative Unterschiede, aber in Sachen flüssige Animationen und detaillierte, wunderschöne Hintergründe wirkt optisch alles top – die entsprechende Hardware natürlich vorausgesetzt. Auch akustisch wird einiges geboten. Die Story wurde von professionellen Sprechern vertont und auch wenn die deutsche Vertonung nicht immer lippensynchron ist und beinahe schon an einen chinesischen Kung-Fu-Film aus den siebziger Jahren erinnert, so hat man doch in den Vorgängern wesentlich schlimmeres gesehen bzw.gehört.  Für die Steam-Installation verwenden NetherRealm und Valve übrigens ein neues Verfahren: Es werden rund drei der über 30 Gigabyte vorab geladen, danach ist Mortal Kombat X eingeschränkt spielbar. Die restlichen Daten werden im Hintergrund in insgesamt 29 Paketen vom Server geholt. Dass dieses Nachladen nicht wirklich ausgereift ist und auch nicht einwandfrei funktioniert, merkten zahlreiche Spieler die von groben Problemen bis hin zu Systemabstürzen berichteten. Als Entschädigung für den etwas holprigen Start bekamen alle Spieler von NetherRealm Studios 10.000 Koins gutgeschrieben.

Fazit

Ist Mortal Kombat X übertrieben brutal, grausam und sadistisch? Definitiv ja! Bringen diese übertriebenen Gewaltdarstellungen einen spielerischen Mehrwert? Eher nein. Aber sind wir uns ehrlich, ein Mortal Kombat ohne Brutalities und Fatalities ist wie ein Splatterfilm ohne literweise Blut. Sie sind ein fester Bestandteil der Serie und gehören einfach dazu. Wer mit der exzessiven Gewaltdarstellung nicht klar kommt, der hat etwa mit Super Smash Bros oder PlayStation All-Stars Battle Royale entsprechenden Alternativen, verpasst aber dadurch ein auch auf ganzer Linie spielerisch überzeugendes Beat’ em Up. Mortal Kombat X ist vielleicht nicht der beste Teil der Spielreihe, aber eine solide Fortsetzung mit zahlreichen kleinen Verbesserungen und motivierenden Neuerungen. Übrigens: Dass NetherRealm Studios nun auch auf Mikro-Transaktionen setzt und Charaktere sowie Gegenstände kostenpflichtig sind, halte ich persönlich für nicht schlimm. Das Spiel fühlt sich auch ohne diesen Zusatzinhalt komplett an. Nur seit mir Goro quasi als Karotte vor die Nase gesetzt wird, die ich leider ohne zusätzliche monetäre Ausgaben nie erreichen werden, fühle ich mich etwas als Esel. Aber noch lange nicht als Kuh die von den Publishern gemolken wird.

Gesamtwertung: 8.4

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 10 | Spieldesign: 6 | Motivation: 10

Passende Beiträge

Flint: Treasure of Oblivion im Test

ANTONBLAST im Test

The Spirit of the Samurai im Test