Narita Boy im Test

Mit Narita Boy von Studio Koba aus Barcelona ist Ende März ein fantastisches Actionspiel erschienen. Narita Boy entführt uns und seinen gleichnamigen Helden in das Digitale Königreich, um unser Techno-Schwert gegen das Böse zu schwingen.

Narita Boy ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Eine erfolgreiche Kickstarter Kampagne im Jahr 2016 hat mit über 5.000 Unterstützern einen Betrag von über 160.000 € (von 120.000 € Ziel) aufgebracht, aus der geplanten Fertigstellung Ende 2018 wurde allerdings nichts. Hier kam nun Team 17 mit ins Spiel, um die weitere Entwicklung zu finanzieren. Jetzt war es endlich so weit und das Spiel ist für PC, PlayStation 4, Xbox One und Switch erschienen.

Das Digitale Königreich

In Narita Boy spielen wir einen Jungen in den 80er Jahren, der in seinen Computer gesaugt wird, nachdem er den ganzen Tag ein (aus heutiger Sicht primitives) Actionspiel gezockt hat. Er wurde von den Priestern des Digitalen Königreichs herbeigerufen, einem Königreich in der digitalen Welt, das von Tausenden von Programmen bewohnt wird. Es ist eine Welt, die einige Ähnlichkeiten mit der Welt von Disney’s Tron aufweist. Das Digitale Königreich wird von HIM bedroht, einem Programm, das einst aus dem Digitalen Königreich verbannt wurde und nun zurückkehren will. HIM sendet seine Schergen aus, um das Digitale Königreich zu versklaven. Niemand im Königreich ist in der Lage, die Schergen von HIM zu bekämpfen. Nur wir, Narita Boy, können die Schergen von HIM besiegen.

Das Techno-Schwert

Unser erstes Ziel im Spiel ist es, das Techno-Schwert zu finden. Nur damit können wir unsere Gegner bekämpfen. Nur wir, der Auserwählte, der Sohn der Trichroma, der Befreier der Erinnerungen des Schöpfers, können das Techno-Schwert führen. Es wird in einer Burg von Tech-Mönchen versteckt, die nur auf unsere Ankunft warten, um uns das Schwert zu übergeben. Den ersten Gegnern können wir nur ausweichen, bis wir das Schwert in unserer Hand haben. Zum Glück ist die Burg mit dem Schwert recht einfach  zu finden.

Techno-Religion

Die Story von Narita Boy ist vollkommen durchgeknallt. Sie spielt im Digitalen Königreich, das auf dem heiligen Quellcode basiert, der Zeile für Zeile vom Schöpfer entworfen wurde. Es wird bewohnt von empfindungsfähigen Programmen, die in Tempeln zu ihrem Schöpfer beten. Das Königreich ist voll mit religiösen Symbolen aller Art, wie heiligen Reliquien und Tech-Priestern, die in Tempeln den Strahl der Trichroma anbeten. Als ich zu Beginn des Spieles auf Motherboard getroffen bin, einem Supervisor-Programm und die schützende Mutter aller Programme im Digitalen Königreich, dachte ich, was für eine kreative Idee, aber zu meiner Überraschung setzt sich diese Kreativität während des gesamten Spiels fort. Fast jeder neue Raum bringt eine neue verrückte Idee, die oft nur visuell umgesetzt wurde, oft aber auch durch die Gespräche mit den Programmen vermittelt wird.

Macht die Geschichte Sinn?

Die Inspiration zu den meisten Ideen stammt offensichtlich einerseits aus der (katholischen) Religion, von den drei Strahlen (Trichroma/Dreifaltigkeit) über heilige Reliquien, der Anbetung des heiligen Baumes der die eingebettete Metafunktion repräsentiert, über unzählige Tempel, betende Programme die eins werden wollen mit ihrem Schöpfer, pilgerreisenden Programmen und vieles mehr. Der Schöpfer des Digitalen Königreiches ist an vielen Stellen in Schreinen, Bildern und Denkmälern dargestellt. HIM, der ehemalige Manager der Datenabfalls, der aus dem Königreich verbannt wurde, ist wohl der Luzifer aus unserer Mythologie.

Andererseits ist das Digitale Königreich aufgebaut aus Codezeilen und Computerteilen, und es vergeht kaum ein Gespräch in dem nicht in irgendeiner Weise darauf referenziert wird. Unser Held trefft auf seinem Abenteuer viele witzige Charaktere , wie beispielsweise Synth-Sensai, den Barden der Dreifachverzweigung, der aus den Geschichten der Reisenden musikalische Algorithmen erschafft und Synthmusik spielt, oder König *NumStr, der uns sein bestes Pferd, das übertaktete Servo-Horse, zur Verfügung stellt, mit dem wir dann durch die Wüstensimulation reiten. Es gibt während des Spiels viel zu sehen und zu lesen. Kenntnisse der Heiligen Bibel, der katholischen Religion, des Innenlebens eines Computers und Erfahrung im Programmieren sind hilfreich, um alles auch so halbwegs zu verstehen. Wobei ich der Meinung bin, das vieles gar keinen Sinn ergibt, sondern einfach nur witzig ist.

Unser Ziel im Spiel ist einfach. Wir müssen HIM aufhalten, denn er zerstört die Erinnerungen des realen Schöpfers, um das Digitale Königreich zu versklaven. Dazu müssen wir die Schergen von HIM vernichten und die Erinnerungen des Schöpfers, deren Backups in heiligen Schreinen überall im Königreich verstreut aufbewahrt werden, einsammeln, um sie wieder herzustellen. Neben den 12 Erinnerungen des Schöpfers, die wir finden müssen gibt es auch noch eine dreizehnte Erinnerung, die allerdings bereits von HIM zerstört wurde. Allerdings soll sich ein Backup auf fünf gut versteckten Disketten befinden… Der Code des Digitalen Königreiches ist bereits instabil, überall tauchen unvermittelt Schergen von HIM auf. Die Generäle von HIM müssen in aufwändig inszenierten Bosskämpfen besiegt werden. Der erste General dem wir begegnen ist Lord VHS, der einen Hammer wie Thor schwingt, der aber aus einer Videokassette mit Stiel besteht.  Weitere Bosse sind ebenfalls großartig ausgedacht, es tut fast weh, sie zu töten.

Das Gameplay

Das Spiel besteht darin, das Königreich zu erkunden, mit seinen Bewohnern zu sprechen und die Schergen von HIM zu bekämpfen. Wir kämpfen, springen, klettern und versuchen, uns nicht zu verirren. Das Kämpfen beginnt einfach, aber das Spiel präsentiert uns ständig neue Gegner, die alle eine andere Taktik erfordern, um sie zu bekämpfen. Die meisten Gegner sind leicht zu erledigen, aber wenn man gegen mehrere von ihnen gleichzeitig kämpfen muss, kann es durchaus etwas schwieriger werden. Wirklich schwierig wird es aber erst, wenn man gegen die großen Bosse kämpfen muss. Sie sind alle völlig unterschiedlich, und sie erfordern ein wenig Nachdenken, manchmal die Nutzung der Umgebung und natürlich ein paar Wiederholungen, bis sie endgültig in die digitalen Jagdgründe eingehen. Oder viele Wiederholungen, wie in meinem Fall.

Abgesehen von den Bosskämpfen besteht die Herausforderung im Spiel in einigen Kletterpassagen. Diese sind oft nur durch Springen im genau richtigen Augenblick, Dashen mitten in der Luft und zügige Richtungswechseln zu schaffen. Es ist auch nicht immer einfach, den weiteren Weg zu finden. Manchmal kann es schwierig sein, eine Plattform oder eine kletterbare Wand zu sehen, und man läuft im Kreis herum, bis man endlich entdeckt, wo es weiter geht. Das Digitale Königreich ist nicht sonderlich gut ausgeschildert und ganz sicherlich nicht behindertengerecht.

In einigen im Königreich verteilten Datenpools können wir meditieren, um dadurch in versteckte Regionen zu gelangen. Dazu müssen wir jedoch drei Codes korrekt eingeben, die in der Spielwelt versteckt sind. Jeder Pool benötigt seine eigenen Codes, die allerdings im Regelfall in den angrenzenden Räumen zu finden sind, wenn man die Augen offen hält. Abgesehen davon gibt es nicht viele Rätsel zu lösen. Viele der Bewohner des Digitalen Königreiches geben uns Techno-Schlüssel, um eine der vielen Türen zu öffnen. Sonst gibt es aber keine anderen interaktiven Stellen. Entweder man kämpft, sucht den weiteren Weg oder man hört sich an, was die Bewohner des Reiches einem so erzählen.

Charakterentwicklung

Narita Boy kann herunterladbare Pakete finden, um neue Fähigkeiten zu erlangen. Anfangs sind das Fähigkeiten wie z.B. ein Dash um Gegnern auszuweichen oder die Fähigkeit, sich selbst zu heilen. Im weiteren Spielverlauf kommen allerdings eine Menge weiterer Upgrades für unseren Helden dazu, und die meisten davon werden auch benötigt, um an bestimmten Stellen weiterzukommen oder um manche Gegner zu besiegen. Viele davon sind durchaus vielfältig einzusetzen. Narita Boy lernt beispielsweise den „Uppercut“, mit dem wir Gegner von unten mit dem Schwert aufschlitzen können. Der Uppercut dient jedoch auch dazu, um hoch in die Luft springen zu können und so zuvor unerreichbare Plattformen zu betreten oder um Gegnern auszuweichen, die uns sonst in jedem Fall treffen würden. Mit dem „Taiyo Strahl“ rufen wir einen Freund zu Hilfe, der eine ganze Menge an Gegnern mit seinem Strahl wegpustet. Der „Schulterrempler“ hilft uns, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, eine weitere Distanz zu springen oder auch um Gegner anzurempeln, die sich hinter einem Schild verstecken.

RetroVania

Die Entwickler bezeichnen ihr Spiel als ein RetroVania, also stellt sich die Frage, ob es sich bei Narita Boy um ein Metroidvania handelt. Ein Metroidvania zeichnet sich durch eine zusammenhängende Umgebung aus, durch die der Spieler ohne klare Zielvorgabe navigiert. Die Level sind begrenzt durch zunächst unüberwindbare Hürden, die sich aber später mit neuer Ausrüstung und neuen Fähigkeiten letztendlich meistern lassen. Typisch sind auch Gegner, die bei ihrem Tod ein Goldstück oder ähnliches hinterlassen, und die bei Verlassen des Bildschirmes wieder erscheinen. Bei Narita Boy trifft zwar ein Teil davon zu, es handelt sich jedoch keinesfalls um ein klassisches Metroidvania. Ein Backtracking zu bereits absolvierten Abschnitten ist nicht möglich. Ausgeschaltete Gegner hinterlassen keine Beute und erscheinen bei erneutem Betreten eines Raumes (im Regelfall) nicht mehr. Ich würde Narita Boy als ein lineares Action-Adventure bezeichnen, bei dem man sich langsam durch die Geschichte kämpft.

Zusammenfassung

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