Neue Amiga Shoot’em up im Kurztest

Wir befinden uns immer noch im Lockdown, das Home Office nervt langsam, ich muss mich abreagieren. Ein klassisches Shoot’em up (aka Shmups) geht immer, und eine Runde R-Type auf meinem Commodore Amiga hat mir schon vor über 30 Jahren Spaß gemacht. Also – los geht’s. Aber halt, was lese ich da? Mit Inviyya ist soeben ein neuer kommerzieller Amiga Shooter erschienen? Fast 30 Jahre nach dem unrühmlichen Tod von Commodore?

Das muss ich mir ansehen! Und scheinbar ist das nicht der einzige professionelle neue Amiga Shoot’em up! Schon 2019 ist RESHOOT R auf den Markt gekommen. Muss ich mir auch ansehen! Und wenn ich schon dabei bin, kann ich mir auch gleich noch T-Zer0 vornehmen, das als eines der letzten kommerziellen Amiga Spiele im Jahr 1999 veröffentlicht wurde und noch in der eingeschweißten CD in meinem Keller vor sich hin schimmelt …

Inviyya im Kurztest

Inviyya von Tigerskunk aus München ist ein klassischer horizontal scrollender Shooter für den Commodore Amiga. Es ist offensichtlich massiv von der Shooterlegende R-Type inspiriert. Nicht nur unser Raumschiff, auch die Gestaltung der Gegner, die Umgebung und das gesamte Spielgefühl ist angelehnt an R-Type. Die Sprachausgabe zu Beginn ist jedoch von einem anderen, unspielbar schweren Amiga Klassiker abgeschaut… „First, there was nothing (Menace), now there is….“. Das erinnert mich an meine Wutanfälle bei Blood Money (Psygnosis, 1988), einem Frühwerk der späteren Grand Theft Auto Entwickler. Zurück zu Inviyya. Das Spiel beginnt mit einem animiertem Titelbildschirm mit ein paar Infos, aber außer „Press Fire to Start“ gibt es keine Optionen. Kein 2-Spieler Modus, kein Schwierigkeitsgrad, keine Levelauswahl. Nur eine Top 5 Highscore Liste und ein cooler Soundtrack, fast so gut wie der geniale Amiga R-Type Soundtrack von Chris Hülsbeck.

Wir beginnen mit unserem Raumschiff, das träge dahinschwebt wie ein Ziegelstein mit Flügeln. Ausweichen ist mit dieser Geschwindigkeit nicht einfach, also sollte man die anfliegenden Feinde entweder großräumig umfliegen oder mit gezielten Treffern zerstören. Unser Schiff und die Gegner sind relativ groß, es gibt also nicht übermäßig viel Platz zum Manövrieren. Das Spiel ist hammerhart – unser Schiff hält nicht viel aus. Ein Treffer oder eine Berührung mit der Umgebung – und das erste unserer drei Leben ist verbraucht. Das Spiel ist gnadenlos, es gibt keine Continues und nach Verbrauch aller Bildschirmleben startet man in Level 1. Recht so, freischaltbare Levels sind was für Weicheier! Eine Pausefunktion gibt es auch nicht, nicht einmal zwischen den einzelnen Leveln kann man kurz pausieren. Allerdings wird man nicht bei jedem Bildschirmtod ganz an den Levelanfang zurückgesetzt, es gibt automatische Speicherpunkte während der Abschnitte.

Mit ein wenig Übung habt ihr jedoch bald ein paar Erfolgserlebnisse. Zumindest den ersten der sechs (vergleichsweise kurzen) Levels hat man bald geschafft. Am Ende eines jeden Spielabschnitts müssen wir uns einem besonders mächtigen und großen Endgegner stellen. Einsammelbare Extras erhöhen die Feuerkraft unserer Waffe oder die Geschwindigkeit unseres Raumschiffes. Leider gibt es keine Spezialwaffen oder die abkoppelbaren Sonde (das Force-Modul) aus R-Type. Die sechs Abschnitte haben alle ein komplett eigenes grafisches Design, eigene Gegner und eine eigene Hintergrundmusik.

FAZIT zu Inviyya

Das flüssige 3-Wege Parallax Scrolling von Inviyya kann bereits auf einem ganz normalen Amiga 500 mit 512KB Speichererweiterung genossen werden. Der Entwickler merkt zwar an, dass eine Turbokarte bei vielen Gegner am Schirm nicht schadet, aber notwendig ist sie nicht. Ebensowenig ist eine Installation auf Festplatte notwendig, Puristen können von Diskette spielen. Ich habe das Spiel auf einem Amiga 1200 mit Blizzard 1230 Turbokarte und Festplatte getestet – läuft ohne Probleme. Auch technisch gehört Inviyya zu den besten Shoot’em up, die je das Licht der Welt am Amiga erblickt haben! Inviyya macht aber auch Spaß, sobald man sich ein wenig warm gespielt hat, kommt man bei jedem Versuch ein wenig weiter.

Kaufen kann man Inviyya als digitale Fassung um ganze $12 auf Itch, oder in diversen hübschen Schachtel-Editionen bei poly.play ab Mitte des Jahres.

RESHOOT R im Kurztest

RESHOOT R ist der zweite aktuelle Amiga Shooter, den ich mir angesehen habe. Er ist bereits seit 2019 erhältlich, und ist eine Weiterentwicklung von RESHOOT (das ich ebenso nicht gekannt habe…). RESHOOT R stammt aus der Feder (den Programmierhänden?) von Richard Löwenstein und seinem bayrischen Entwicklungsstudio spieleschreiber. Bayern scheint ein fruchtbarer Boden für neue Amiga Entwicklungen zu sein.

RESHOOT R ist ebenso wie Inviyya ein klassisches horizontal scrollendes Shoot’em up. Es hat mich stark an Nemesis erinnert – zu Beginn ist es recht friedlich, man fliegt in einem extrem lahmen Raumschiff und versucht, so rasch wie möglich einfache Feindformationen auszuschalten und ein paar Extras einzusammeln, um ein wenig mehr Feuerkraft und eine höhere Geschwindigkeit zu erhalten. Man stirbt anfangs eher durch Kollisionen mit im Weltall umhertreibenden Felsen als durch Feinbeschuss, aber das ändert sich nach einer kurzen Aufwärmphase rasch. Schon bald sind wir in eine schweißtreibende Weltraumschlacht verwickelt und der Bildschirm ist randvoll mit Feinden und tödlichen Geschossen. Im Gegensatz zu Inviyya sind unser Raumschiff und die Feinde kleiner, man hat daher mehr Manövriermöglichkeiten am Bildschirm. Die Anzahl der Kugeln ist allerdings deutlich höher – stellenweise spielt sich RESHOOT R mehr wie ein modernes Bullet Hell Spiel als ein klassischer Shooter.

Die Spielbarkeit ist sehr gut, schon bald ballern wir uns zu fetzigem Techno-Soundtrack und Sprachsamples (Weapon, Speedup) durch die fünf völlig unterschiedlichen Abschnitte. Genretypisch ist am Ende von jedem Level ein Bossgegner zu finden. Wir sterben nicht bei jedem Treffer oder jeder Berührung mit der Umgebung, allerdings nimmt unser Raumschiff Schaden und wir verlieren Geschwindigkeit oder Waffen. Insgesamt haben wir anfangs nur ein Leben – wenn wir sterben starten wir wieder am Anfang von Level 1. Erst wenn wir die ersten beiden Level geschafft haben, stehen uns drei Continues zur Verfügung, die uns am jeweiligen Levelanfang ohne Punkte starten lassen. Ab dem vierten Level kann man nach Ende des Spiels wieder im dritten Level mit nur einem Leben starten.

Die Waffenvielfalt ist überschaubar, wir können unser Schiff neben der Verbesserung unserer Kanone nur mit einem Streuschuss verbessern, der auch dringend notwendig ist, um der Schaar an Gegner Herr zu werden. Übrigens starten wir jeden Level ohne verbesserten Waffen. Im Spiel wird sogar eine Geschichte erzählt, und zwar von unserer Heldin Aryn, die plötzlich von den bösartigen Tars angegriffen wird. Naja, Shakespeare-Qualität darf man sich nicht erwarten. Dafür sorgen eine tolle Grafik, ein antreibender Techno-Soundtrack und abwechslungsreiches Level-Design für ordentlich Spielspaß.

FAZIT zu RESHOOT R

Technisch ist RESHOOT R deutlich fordernder als Inviyya. Ein Amiga 1200/4000 mit Festplatte (oder ein CD32) muss es schon sein, um spielen zu können. Dafür bekommt man auch tolle AGA-Grafik, flüssiges 50 Hz Parallax Scrolling und einen rockigen Soundtrack geboten. Ein wenig extra Speicher schadet auch nicht, immerhin sind manchmal gut 100 bewegte Objekte gleichzeitig am Schirm. Einen 2-Spielermodus gibt es leider trotzdem nicht. Abgesehen davon ist RESHOOT R jedoch eines der besten Shoot’em up, das es am Amiga gibt.

Erhältlich ist RESHOOT R bei APC&TPC. Richard Löwenstein arbeitet derzeit übrigens bereits am Nachfolger, RESHOOT PROXIMA 3, der Ende 2021 erscheinen soll.

T-Zer0 im Kurztest

Schlussendlich habe ich mir als dritten vertikal scrollenden 2D Amiga Shooter noch T-Zer0 von clickBOOM angesehen. Das Spiel ist 1999 erschienen, also zu einer Zeit als so gut wie keine brauchbaren kommerziellen Amiga Spiele mehr entwickelt wurden. Zu diesem Zeitpunkt waren PCs oder die damals aktuellen Konsolen technisch schon deutlich überlegen – aber der Amiga hatte immer noch ein paar Tricks auf Lager. clickBOOM hat es sich zum Ziel gesetzt, den besten jemals entwickelten Amiga Shooter zu produzieren. Ich war damals bereits auf den PC umgestiegen und habe T-Zer0 bisher noch nie gespielt. Zeit, meine noch originalverpackte CD zu öffnen!

Nach einem minutenlangen (abbrechbaren) gerenderten Intro (das heutzutage niemand mehr beeindruckt) kommen wir in das Startmenu, in dem es vor Optionen nur so wimmelt. Grafikoptionen, Anzahl der Continues, 1-oder 2 Spieler, Autofire, Startlevel, Arcade oder Storymodus und einiges mehr. Danach wählen wir eines der vier verfügbaren Raumschiffe und beginnen nach einer weiteren Rendersequenz das Spiel.

T-Zer0 ist ein weiterer horizontaler Shooter. Wir steuern ein kleines Raumschiff durch einen sehr langsam scrollenden Bildschirm, der voll von Feinden, Extras und Kugeln ist. Die verdammt gute CD-Musik (falls wir einen Amiga mit CD-Laufwerk haben – sonst gibt es nur ein paar Soundeffekte) peitscht auf uns ein, während wir im Dauerfeuer feindliche Raumschiffe vom Bildschirm fegen. Technisch ist T-Zer0 beeindruckend, spielerisch eigentlich wie die beiden vorherigen Spiele. Die fünf Welten, die in jeweils vier Levels (mit alternativen Wegen) unterteilt sind, sind jedoch deutlich länger als bei Inviyya oder RESHOOT R, und es ist es möglich den Spielstand (zum jeweiligen Levelanfang) abzuspeichern. Auch die Auswahl an Waffen ist deutlich umfangreicher – es gibt drei Hauptwaffen und sechs Sekundärwaffen, jeweils in verschiedenen Ausbaustufen. Dazu gibt es noch sieben Specials, wie die Atombombe, ein Extraleben oder ein Tarnschild. Ist T-Zer0 dadurch ein besseres Spiel? Nicht unbedingt, es hat einfach nur wesentlich mehr Inhalt, aber dafür kann es auch ein wenig repetitiv werden. Das beste Amiga Shmups aller Zeiten ist es sicher nicht – schlecht ist es aber auch nicht. Mir haben meine ersten Stunden mit T-Zer0 durchaus gut gefallen, ich werde es sicher in Zukunft weiter spielen. Trotz der Handbuchabfrage mit den winzigen Symbolen, für die ich meine Lesebrille benötigt habe. Tja, ich werde auch nicht jünger …

FAZIT zu T-Zer0

Die Hardwareanforderungen sind (für Amiga Verhältnisse) überaus hoch – ein Amiga 1200/4000 mit 68030 CPU, zumindest 8 MB RAM und einer Festplatte mit 350 MB freien Platz ist notwendig, um das Spiel zu starten. Nur mit einem (optionalen) CD-ROM Laufwerk kann man die Musik von der CD abspielen, sonst hört ihr nur Soundeffekte. Clickboom empfiehlt übrigens eine 68060 CPU … Insgesamt ein System, das nur eingefleischte Amiga Freaks haben. Für die drei oder vier Leute, die so einen aufgemotzten Amiga jedoch zur Verfügung haben kann ich T-Zer0 durchaus empfehlen.

Exkurs: Amiga Shoot’em up

Der 1987 veröffentlichte Amiga 500 war einer der ersten leistbaren 16-bit Heimcomputer und hervorragend für Spiele geeignet. Besonders in Europa hat er sich sehr gut verkauft und war für viele Jugendliche der Einstieg in die Computer(spiel)welt. Im Laufe seiner langjährigen Lebensdauer wurden über 4.000 kommerzielle Spiele für ihn veröffentlicht, bis sein Hersteller Commodore schließlich im Jahr 1994 aufgrund unzähliger Managementfehler in Konkurs ging und die meisten Spielehersteller sich mehr oder weniger von ihm abwandten. Der Amiga ist sicher nicht die einzig wahre oder allerbeste Plattform für klassische Shoot ‚em up, allerdings wurden am Amiga eine große Zahl von ihnen veröffentlicht. Viele davon waren zu ihrer Zeit in der absoluten Oberklasse und können sich auch heute noch mit den Toptiteln anderer Plattformen durchaus messen. Als alter Amiga Freak ist meine persönliche Favoritenliste ellenlang, und ab sofort um Inviyya, RESHOOT R und T-Zer0 erweitert.

Wer sich für gute Amiga Shoot’em up interessiert, dem kann ich neben den drei getesteten Spielen auch Apidya, Denaris, Z-Out, Disposable Hero, Project X Special Edition, X-Out, SWIV, Menace, Saint Dragon, Banshee, Gunbee F99, Lethal Xcess, Xenon II und natürlich die Amiga R-Type Portierung wärmstens empfehlen.

FAZIT

Alle drei getesteten horizontal scrollenden Amiga Shoot’em up (Inviyya, RESHOOT R, T-Zer0) sind hervorragende Vertreter ihres Genres, technisch ausgereift und mit ordentlich Spielspaß. T-Zer0 fällt ein klein wenig ab, es ist umfangreicher aber auch eintöniger und stellt horrende Hardwareanforderungen. Der Schwierigkeitsgrad bei allen drei Spielen ist durchaus ansprechend, aber sonst wäre es ja fad. Ich würde einen Joystick mit Dauerfeuer empfehlen, oder ihr holt euch einen Krampf. Wer also Lust auf eine Weltraumschlacht im Stil der großen Arcade Klassiker wie Silkworm, R-Type oder Gradius hat, kann zur Abwechslung durchaus zu jedem der drei getesteten Amiga Shoot’em up greifen. Solltet ihr selbst keinen Amiga besitzen, könnt ihr die Spiele natürlich auch per Emulator auf eurem PC zocken.

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