New Tales from the Borderlands im Test

Mit New Tales from the Borderlands bringt Entwickler Gearbox überraschend einen Nachfolger des überaus erfolgreichen Episoden-Adventures aus dem Jahr 2016 heraus. Das Original von Telltale war eine der witzigsten Geschichten, die ich je am PC spielen durfte. Kann auch der nun für PC (Steam, Epic), PlayStation und X-Box erschienene Nachfolger dieses hohe Niveau halten?

Borderlands ist eine der erfolgreichsten Shooter-Serien der letzten 10 Jahre. Im Schatten der Shooter-Serie ist aber auch ein überaus beliebtes Spin-Off erschienen – Tales from the Borderlands. Über 12.000 und zu rund 95% positive Reviews auf Steam sprechen eine eindeutige Sprache – das war eines der erfolgreichsten Spiele vom Entwickler Telltale. Telltale ist trotzdem Pleite gegangen – umso überraschter war ich nun, als plötzlich der Nachfolger erschienen ist. Entwickler war diesmal Gearbox direkt – also die Firma, die auch die Looter-Shooter Borderlands 1, 2 und 3 gemacht hat.

Interaktiver Zeichentrickfilm

New Tales from the Borderlands ist in fünf Episoden unterteilt, die allerdings alle gleichzeitig erschienen sind. Das Spiel läuft über weite Strecken wie ein Zeichentrickfilm (oder wie man heute sagt: Anime) ab, wird allerdings regelmäßig unterbrochen von einerseits unter Zeitdruck zu treffenden Entscheidungen – drücke A, B, X oder Y am Gamepad. Oder andererseits von QTEs  (Quick Time Events), bei denen Ihr möglichst rasch die am Bildschirm angezeigten Handlungen ausführen müsst. Und hier zeigt sich New Tales from the Borderlands von einer sehr abwechslungsreichen Seite. Im Gegensatz zu dem (von der Geschichte her durchaus guten) As Dusk Falls, bei dem die QTEs alle sehr ähnlich und damit bald absolut langweilig waren, gibt es in New Tales from the Borderlands sehr unterschiedliche Aktivitäten unter Zeitdruck zu bestehen. Natürlich sind es keine Komplexitätsmonster, aber ihr müsst in die richtige Richtung ausweichen, die richtigen Knöpfe drücken, Knöpfe gedrückt halten, auf Knöpfe draufhämmern, Knöpfe zum richtigen Zeitpunkt loslassen, mit dem Gamepad zielen… so werden die QTE-Sequenzen nicht allzu schnell eintönig. Zwischendurch habt ihr auch immer wieder einmal die Kontrolle über eure Spielfigur und könnt euch in einer (kleinen) Umgebung frei bewegen, um neue Hotspots zur Interaktion zu finden oder um Gadgets zu benutzen.

Fünf Episoden – drei Spielcharaktäre

Ihr übernehmt die Rollen von drei Figuren – alle drei ziemliche Loser. Liebeswert, aber teilweise so bescheuert, dass es schon fast weh tut. Da wäre die geniale Wissenschaftlerin Anu. Sie arbeitet für den ATLAS Konzern – der eigentlich nichts außer tödlichen Waffen herstellt. Das ist allerdings nicht unbedingt das Lebensziel von Anu, sie hat ein Gerät entwickelt, mit dem man Dinge (oder Personen) einfach nur weg beamt, ohne dabei jemanden zu töten. Allerdings hat sie weder eine Ahnung, wohin die Dinge oder Personen gebeamt werden, noch wie man sie zurückholen kann. So ganz ausgereift und serienreif ist ihr Gerät also noch nicht, aber das ist ihrem Boss vollkommen egal. Nicht so ganz egal ist ihm allerdings, dass Anu gerade wieder die ganzen armen Labortiere aus ihren Käfigen befreit hat… Anu trägt eine Brille, mit der sie die Umgebung scannen kann.

Dann spielen wir Anu’s Bruder, den Möchtegern Unternehmenstycoon Octavio, dessen ganzer Stolz eine spezielle Uhr an seinem Handgelenk ist. Mit der Uhr kann er ins Darknet gehen und dort spezielle Informationen abrufen. Sie funktioniert auch als Telefon und zum Hacken diverser elektrischer Geräte. Er träumt von seinem wirtschaftlichen Erfolg, während er sich mit Kleinkriminalität durchs Leben kämpft. An seiner Seite ist sein Freund Lou13, ein Killerdroide. Octavio bringt potentielle Ziele dazu, ihren Namen preiszugeben, woraufhin sie von Lou13 eliminiert werden. Seine anderen Freunde, ein Tacostand-Besitzer mit seltsamen Haustieren und ein Zwerg, der alles in die Luft sprengt, sind auch ein wenig ungewöhnlich – aber hilfreich im Kampf.

Und schließlich spielen wir noch die im (Schwebe-)Rollstuhl sitzende Fran, die in ihrem Shop das beste Frozen Joghurt der Stadt verkauft und (natürlich ewig) darauf wartet, dass ihr die Versicherung endlich die Versicherungssumme für ihren bei einem Unfall schwer beschädigten Shop auszahlt. Sie kann ihren Rollstuhl (eigentlich Schwebestuhl) upgraden, um damit allerhand Zusatzfunktionen auszuführen. Eigentlich ist sie ganz nett, aber sie hat in ihrem früheren Leben ein wenig zu exzessiver Gewalt tendiert…

Anu wird von ihrem Boss gefeuert, Fran entsorgt ihren Schutzgelderpresser und Octavio assistiert wieder einmal seinem Killer-Freund bei einem Auftrag, als es zu einer Invasion von feindlichen Truppen auf dem Planeten kommt – und das Abenteuer der drei beginnt. Wir spielen die drei abwechselnd, jeweils mehrmals in jeder Episode. An speziellen Kabinen (Change-O-Mate) können wir ihre Ausrüstung (Brille, Uhr, Schwebesessel) verbessern und ihnen neue Kleidung kaufen, sofern wir ausreichend Geld haben. Das finden wir an vielen Stellen in der Umgebung in diversen Behältern herumliegend. Schon ein wenig besser versteckt können wir auch Vaultlander-Spielfiguren finden, die wir später auch für ein Mini Strategiespiel benötigen.

Eigentlich sind unsere drei Figuren nicht so extrem durchgeknallt, wie wir es vom Borderlands Universum erwarten würden. Es sind einfach schräge Typen, die sich durch das Leben schlagen. Die wirklich irren Gestalten und Kreaturen gibt es aber schon, denen begegnen wir im Laufe des Spieles. Ob euch das reicht oder ob das Spiel dadurch zu wenig Borderlands-typisch ist, müsst ihr selbst entscheiden. Es ist jedenfalls eine nicht ganz so überdrehte Story wie im ersten Teil.

Das Vermächtnis von Telltale

Telltale war ein überaus kreativer Entwickler. zu einer Zeit, als Adventures bestenfalls noch als winzige Nischenprodukte existierten, hat Telltale das Genre neu aufgestellt. Telltale hat gezeigt, das man mit dem Erzählen spannender Geschichten durchaus noch Spieler begeistern kann, wenn man die komplexen Rätseleinlagen zurückfährt und sich auf die Geschichte konzentriert. Während die früheren Spiele von Telltale noch eher rätselorientiert waren (wie Tales of Monkey Island), so ist der Rätselanteil bald zurückgefahren worden und dafür wurden mehr QTEs verwendet. Die Geschichten wurden immer geradliniger. Während ich beispielsweise Jurassic Park: The Game noch mit 31/50 Achievements durchgespielt habe (und oft gestorben bin), war ich bei Game of Thrones – A Telltale Games Series mit 48/48 Achievements beim Spielende – weil es keine wirklich alternativen Lösungswege oder Actionsequenzen mehr gab. Beide Games sind übrigens nicht mehr erhältlich, die hohen Lizenzgebühren waren angeblich einer der Gründe, warum Telltale Pleite gegangen ist.

Eine der weiteren großen Innovationen von Telltale war auch das episodenweise Veröffentlichen ihrer Spiele. Somit konnte bereits Umsatz generiert werden, während der Entwickler noch am Spiel gearbeitet hat. Eine Art von frühem Early Access… die zwar in den ersten Jahren sehr erfolgreich war, allerdings längerfristig dazu geführt hat, dass die meisten Spieler darauf gewartet haben, bis die ganze Season fertig war und erst dann gekauft haben. Heute ist diese Art der stückchenweisen Veröffentlichung wieder ein wenig außer Mode geraten. Auch bei New Tales from the Borderlands sind alle 5 Episoden als Gesamtpaket erschienen.

Zusammenfassung

Passende Beiträge

Planet Coaster 2 im Test

Little Big Adventure – Twinsen’s Quest im Test

LEGO Horizon Adventures im Test