Und alle Jahre wieder grüßt der Franchise-Reigen. Neben Fifa, Madden und unzähligen anderen Spielen, die Platzhirsch EA im jährlichen Rhythmus vom Band lässt, befindet sich natürlich auch, passend zum nahenden Winter, NHL 21 im Portfolio. Ich habe mir, selbst völliger Eishockeyneuling, die Kufen angeschnallt, um für euch zu testen, was der neueste Ableger der Reihe so hergibt. Lässt es sich dabei mühelos über das gefrorene Nass gleiten, oder hat sich EA böse auf die Nase gelegt?
Die Eishockeysimulation verspicht packende Duelle auf dem Eis, bei der gerade die oft beklagte Altlast der Vorgängerversionen – die schlechte KI – endlich der Vergangenheit angehören soll. KI-Mitspieler sollen sich nun effizienter in der Offensive anbieten und in der Verteidigung nicht mehr, einer auf Kufen gestellten Litfaßsäule gleich, harmlos zur Tat schreiten, sondern tatsächliche eine Herausforderung für den Gegner darstellen. Ebenfalls überarbeitet wurde der MyPro-Mode, bei der ihr eure eigene Eishockeygeschichte schreiben könnt. Aber leider merkt man dem Spiel hinsichtlich der Performance an, gerade wenn man auf die Unterschiede zum Vorgänger achtet, dass die neue Konsolengeneration zum Greifen nahe ist.
Agil übers Eis
Als völliger NHL-Neuling musste ich mich zuerst mit den Eigenheiten des Spieles bekannt machen. Die Grundsteuerung geht gut von der Hand und ist sehr intuitiv. Hier kann zwischen drei verschiedenen Varianten von Buttonbelegungen gewählt werden, ums zu passen, den Puck Richtung Tor zu feuern oder den Gegner mit einem Bodycheck aufs Eis zu befördern. Die Eishockey-Spieler lassen sich dabei stets mühelos über das Eis steuern und reagieren blitzschnell auf jede Eingabe. Nach nun fast 30 Stunden Spielzeit muss ich ganz klar sagen, dass die Steuerung von NHL 21 die beste ist, mit der ich jemals zu tun haben durfte und es ist wirklich jedes Mal wieder eine Freude mit meinem Athleten über das Eis zu jagen.
Bloßes button mashen reicht nicht aus
Aber die leicht zu erlernende Grundsteuerung des Spiels soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass NHL 21 einiges an Können und taktischer Übersicht erfordert. Besonders bei Aktionen in der Offensive habe ich einige Zeit gebracht, um zu verstehen, dass Punkte harte Arbeit sind und dass ich, um den Puck im gegnerischen Netz zu versenken, deutlich mehr tun muss als einfach blind draufloszuschießen. Hier gilt es, die gegnerischen Defensivreihen, die dank der neuen KI wirklich eine Herausforderung darstellen, mit präzisen Pässen zu zerpflücken und den Torwart auf dem falschen Fuß zu erwischen. Hat man dies einmal begriffen beginnt man aktiv die Schwächen des Gegners zu analysieren und auszunützen. Besonders im MyPro-Mode, bei dem nur der eigene Athlet gesteuert wird und die Zeit auf dem Eis und am Puck folglich nochmals wertvoller ist, wird dies zu einer lohnenden Herausforderung.
Chancen beginnen in der Defensive
Auch in der Defensive dürfen nicht wild drauf los Bodychecks verteilte werden, da die KI dies dann ebenfalls eiskalt ausnützt, um uns selbst auf dem falschen Fuß zu erwischen. So gilt es lieber abzuwarten und auf einen Fehlpass zu hoffen. Aber natürlich gibt es nichts befriedigenderes, als einen gegnerischen Schützen, der gerade einen Schuss aufs Tor abfeuern will, mit einem Bodycheck zu Boden zu befördern. Wenn dann auch noch die Prügelei, die dabei provoziert werden kann, gewonnen wird, gibt es einen Energieschub für das gesamte Team. Und der Geschlagene wird es sich zweimal überlegen, ob er noch einmal einfach so zum Schuss ansetzten möchte.
Details mit Tücken
Technische läuft das Ganze auf der Ignite Game Engine und wurde von der hauseigenen Spieleschmiede EA Vancouver entwickelt. Wie von EA gewohnt sind Grafik und visuelle Präsentation stimmig gestaltet und im Ganzen gut gelungen. Besonders beeindruckend sind die Zeitlupenwiederholungen bei Toren oder anderen Highlights. Was jedoch zu bemängeln ist sind die oftmals zu steif wirkenden Spielfiguren.
Ebenfalls fast perfekt ist die Vertonung. Stimmig führen einen die Moderatoren durch die Matches und diverse Menüs, jedoch fällt hier nach längerem Spielen sehr schnell auf, dass für bestimmte Momente leider nur wenige Tonspuren aufgenommen wurden, was schnell zu dem einen oder anderen Déjà-vu führt.
Erfolg in den unterschiedlichsten Modi
Bei den Spiel-Modi setzt EA auf bekannte Varianten. Im schnellen Spiel könnt ihr wahlweise direkt gegen die KI oder menschlichen Mitspieler antreten und liefert euch packende Duelle auf dem Eis, bei denen schon mal die eine oder andere Faust fliegen kann (natürlich nur Ingame). Das macht nicht nur einen riesen Spaß und weckt Ehrgeiz, es gibt auch noch eine Unmenge an verschiedenen Teams und Ligen aus denen ausgewählt werden kann. NHL All Star Team gegen die Legenden der vergangenen Tage? Kein Problem. Mit den Dornbirn Bulldogs versuchen den amtierenden Stanley Cup Champion zu schlagen? Auf geht’s!
Ebenfalls mit dabei in NHL 21 ist der Franchise Modus, bei dem ihr als General Manager euer eigenes Team übernehmt und es über mehrere Jahre zum Stanley Cup führt. Dabei gilt es gute Trades zu machen, sich die großen Stars in der Free Agency zu angeln oder mit Draft-Geschick den nächsten All Star zu verpflichten und ihn durch Fingerspitzengefühl zu einer Legende werden zu lassen. Oder ihr stellt euch der ultimativen Challenge und versucht eine ganz neue NHL Expansion Franchise ins Leben zu rufen und sie in wenigen Jahren als einen Fixstern am Eishockeyfirmament zu etablieren. Dabei könnt ihr entweder ein vorgefertigtes Team auswählen oder selbst bestimmen, wie sich euer Traumteam präsentiert.
Freude ohne Lootboxen
Auch die World of CHEL ist zurück und sie erinnert mich immer mehr an den MYCareer Mode aus NBA 2k. Hier kämpft ihr mit eurem eigens erstellten Spieler gegen andere Onlinegegner in verschiedenen Modi um Punkte, mit denen ihr in der Rangliste aufsteigen könnt. Auch erhaltet ihr Belohnungen mit denen ihr euern Avatar kosmetisch nach euren Wünschen anpassen könnt, denn gespielt wird natürlich in gewöhnlicher Straßenkleidung. Besonders löblich ist hier, dass EA auf die in der Vergangenheit so gerne eingesetzten Lootboxen verzichtet.
Für Sammelwütige gibt es auch wieder den HUT Mode, der ident mit dem Ultimate Team Modus aus FIFA und MADDEN ist. Hier stellt ihr euer Traumteam mittels Sammelkarten zusammen. Die Auswahl reicht hierbei von blutjungem Rookiespieler über gefeierten Allstar bi hin zu HOF Eishockeylegende und kann bunt zusammengewürfelt werden. Euer Team verbessern könnt ihr, wenn ihr Onlinepartien bestreitet oder euch den Herausforderungen stellt, die euch einiges an Können und Geduld abverlangen.
Glanz des MyPro Mode
Das Flaggschiff und meinen ganz persönlichen Kaufgrund liefert EA Vancouver jedoch mit dem MyPro Mode. Hier erstellt ihr euern eigenen Athleten und startet mit ihm wahlweise direkt in die NHL in Kanada oder spielt zuerst einen Wettbewerb in Europa, bei dem ihr euch für den NHL Draft empfehlt. Dann gilt es via Chat Menü Gespräche mit NHL Teams zu führen und so den eigenen Draft Rang zu verbessern. Generell spielt sich ein großer Teil dieses Modus abseits des Eises, in besagten Chatmenüs ab und wird stimmig von Einspielungen diverser Reporter begleitet, die die eigene Reise dokumentieren und kommentieren.
Im Laufe des MyPro-Modus trifft man auf Mitspieler, die einen zu Teamaktivitäten einladen oder Herausforderungen für das nächste Spiel aussprechen, verhandelt mit seinem Manager über das eigene Gehalt und noch vieles mehr. Die jeweiligen Antworten während der Chats schlagen sich auf die Beliebtheit bei beim Team, dem Manager und auch auf dem Marke nieder. Je nach Zustimmung, beziehungsweise Ablehnung stehen Boni zur Verfügung; zum Beispiel bedenken einen Mitspieler, bei denen man sich durch das Bezahlen des gemeinsamen Bowlingabends beliebt gemacht hat, während der nächsten Hockey-Partie eher mit einem Pass. Allerdings kostet diese Option einen Teil des eigenen Gehaltes. Die Beträge sind jedoch so lächerlich gering, dass diese gar nicht ins Gewicht fallen. Ich musste etwa von meinen Gehalt in der Höhe von 800.000$ gerade einmal 200$ berappen, um die gesamte Mannschaft ins Kino einladen zu können.
Geld spielt eher dann eine Rolle, wenn es darum geht, sich schicke Accessoires zu kaufen. Vom Drahtesel bis zum eigenen Restaurant ist hier alles dabei. Die jeweiligen Investitionen geben einem dann einen Boost auf und abseits des Platzes und halten so auch die Motivation aufrecht, sich immer das nächste teure Gadget zu erarbeiten.
Generell ist der MyPro Modus gut gelungen. Selten habe ich so mitgefiebert wie in dem Moment, als mein virtueller Athlet auf dem Eis sein erstes Tor erzielte, langsam zu einer fixen Größe im Team heranreifte und leider seine erste Finals Series verlor und so eine fast perfekte Rookie Saison in bitteren Tränen endete. Die Hälfte meiner NHL 21 Spielzeit habe ich in diesem Modus versenkt und ich werde auch noch einige darin investieren, um endlich den Stanley Cup nach LA zu holen.
FAZIT
Alles in allem ist NHL 21 ein wirklich gelungenes Hockeyspiel, das manchmal jedoch leider zu arcadelastig ist. Aber das trägt auch dazu bei, dass das Spiel gerade für Neulinge leichter zugänglich wird und nicht frustriert weggelegt wird. Meiner Meinung nach machen gerade die Kopf an Kopf Zweikämpfe im eigenen Wohnzimmer und der wirklich packende MyPro-Modus NHL 21 zu einem wirklich unterhaltsamen Spiel, gerade für Neoschlittschuhläufer. Jedoch sollten sich alle alteingesessenen Spieler fragen, ob sie sich das Geld nicht für das nächste NHL, das dann für die neue Konsolengeneration erscheinen wird, sparen möchten. Denn wirkliche und grundlegende Änderungen im Spielgeschehen, der Grafik und der Gesamtstruktur sind erst dort zu erwarten.
Ein Gastartikel von Bernhard Bitschnau
Was ist NHL 21? Der neueste Eintrag in die Eishockey-Videospiel-Serie mit offizieller National Hockey League-Lizenz.
Plattformen: Xbox One, PlayStation 4
Getestet: Version 1.10 auf Playstation 4 Slim
Entwickler / Publisher: EA Canada / EA Sports
Release: 16. Oktober 2020
Link: Offizielle Webseite
Gesamtwertung: 8.0
Einzelwertungen: Grafik: 6 | Sound: 8 | Handling: 10 | Spieldesign: 8 | Motivation: 8