Einem milden Winter folgt jetzt schon früh schönes und richtig warmes Wetter. Raus aus den eigenen vier Wänden, an die frische Luft und Sonne tanken ist zwar sicherlich (meistens) gesund, aber ein bisschen Zeit darf man natürlich trotzdem mit anderen Dingen verbringen. Anbei ein paar Tipps, welch andere Dinge das zum Beispiel sein könnten …
Intergalaktisches Putzkommando
Die Entwickler von Image & Form waren mit ihren SteamWorld-Titeln schon öfters in dieser Kolumne vertreten und haben mit diesen auch eine große Spielerschaft erreichen und begeistern können. Ende 2021 lieferte das schwedische Entwicklerstudio mit The Gunk seinen seit Jahren ersten Titel abseits des SteamWorld-Universums ab und kann auch damit überzeugen – wenn auch nicht begeistern.
Das 3D-Action-Adventure dreht sich um die beiden Glücksritterinnen Rani & Becks, die als Weltraum-Schrottsammlerinnen gerade mal so über die Runden kommen. Ihr Blatt scheint sich zu wenden, als sie auf einen scheinbar unberührten und extrem ressourcenreichen Planeten stoßen. Ganz so verlassen ist der Planet dann aber doch nicht und die beiden stoßen auf Ruinen einer fortschrittlichen Zivilisation, überzogen von einer toxischen schwarzen Masse. Dieser namensgebende Gunk breitet sich immer weiter aus und absorbiert die prächtige Flora und Fauna und droht den Planeten zu zerstören. Vor allem der sensiblen Rani geht das ans Herz und sie beschließt den Gunk zu bekämpfen und herauszufinden, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Ihr Powerhandschuh eignet sich zum Glück hervorragend zur Beseitigung des Parasiten, der sich damit wunderbar einsaugen lässt …
Story, Grafik und Charaktere sind nett, das Gameplay gemütlich, aber nicht gerade abwechslungsreich oder fordernd. Leider ist der Titel auch extrem linear, Nebenaktivitäten gibt es keine und auf die wenigen optionalen Upgrades für unsere Ausrüstung kann man geflissentlich verzichten. Von Anfang bis Ende investiert man auch gerade mal fünf Stunden um – Achtung: Spoiler! – den Planeten zu retten und mit unserem Raumschiff Richtung Abspann zu fliegen. Kurz gesagt ist The Gunk zwar ein solides und nettes Action-Adventure für zwischendurch, aber kein Titel, an den sich die meisten in ein paar Jahren – geschweige denn Jahrzehnten – noch erinnern werden.
Nicht ohne meinen Kombi
Survival-Titel gibt es inzwischen doch einige und wenn die „Umverpackung“ auch oft variiert, folgen viele doch recht festgetretenen Gameplay-Pfaden. Auch das Ende Februar erschienene Pacific Drive spielt zwar genretypisch in einer verlassenen Wildnis, verfrachtet das Geschehen aber auf die Straße und macht einen fahrbaren Untersatz zum eigentlichen Hauptdarsteller.
Aber der Reihe nach: In einer alternativen Version des amerikanischen Nordwestens findet sich im Spiel die Olympic Exclusion Zone. Nachdem einige energetische Experimente mehr als schief gegangen sind, ist die gesamte Zone seit Jahren absolutes Sperrgebiet. Als gesichts- und namenloser Kurierfahrer werden wir durch einen Unfall aber just in dieser gefangen. Von einem Energiesturm verfolgt, können wir diesem gerade noch so in einem glücklicherweise noch funktionsfähigen Fahrzeug entkommen. Über Funk machen wir die Bekanntschaft einiger Überlebender, die seit den Experimenten vor vielen Jahren ebenfalls in der Zone gefangen sind. Sie zeigen sich an uns und vor allem unserem Auto ausgesprochen interessiert, ist es doch das einzige noch funktionierende Fahrzeug in der gesamten Zone und damit vielleicht auch die erste und einzige Fluchtchance.
Schnell wird klar: Unser Kombi im Stil der in Amerika so berühmten „Station Wagons“ ist Transportmittel, mobiler Schutzraum und bester Freund zugleich. In unserer Basis, einer verlassenen Autowerkstatt, reparieren wir unser Gefährt, tauschen Türen, Reifen und Karosserieteile aus und basteln Upgrades aus in der Zone gefundenen Ressourcen. Der Kofferraum wird mit überlebenswichtiger Ausrüstung beladen und der nächste „Road Trip“ in die Zone geplant. Dabei folgt man entweder der etwas seichten Hintergrundgeschichte und/oder sammelt einfach nur Ressourcen. Das Spiel versteht es dabei geschickt uns ständig an die enorme Wichtigkeit unseres Transportmittels zu erinnern. Mit verschiedenen Werkzeugen bewaffnet steigt man zwar immer wieder aus um verlassene Fahrzeuge, Tankstellen und Häuser zu plündern, Strahlung, Energiestürme und andere tödliche Phänomene treiben uns aber immer wieder zurück in die vermeintliche Sicherheit unseres Gefährts. Der allgemeine Schwierigkeitsgrad ist dabei nicht ganz ohne und man muss immer damit rechnen, dass ein Ausflug mal schiefgeht und wir mit einem möglicherweise ohne Beute und nur mit einem schwer beschädigten Fahrzeug zurück in die Werkstatt rollen …
Fahrzeuge sind in Survival-Titeln meist ein rares und/oder eher oberflächlich eingebundenes Gut. Dass Pacific Drive seinen Gameplay-Fokus auf das eigene Auto legt ist eine erfrischend neue Idee und unterhält die geneigte Lenker*in schon dadurch für (potentiell viele) Stunden.
Poké ohne Pika?
Wer sich für das Thema Videospiele interessiert, hat die diversen Kontroversen rund um den Early Access-Lauch von Palworld ziemlich sicher mitbekommen. Ja, die Entwickler haben sich beim Kreaturen-Design und Gameplay ohne jeden Zweifel *sehr* stark von Nintendos Cashcow Pokémon „inspirieren“ lassen. Unzählige selbsternannte Copyright-Expert*innen haben sich über das Thema ausgelassen und sogar vermeintliche digitale Tierquälerei und Sklaverei wurden ins Feld geführt.
Auch als „Pokémon mit Schusswaffen“ wird der Titel gerne beschrieben. Das greift allerdings doch etwas zu kurz und tut dem Titel auch ein bisschen Unrecht. Das – natürlich primäre – Jagen und Sammeln der Pals genannten Kreaturen integriert sich nämlich gut in klassische Survival- & Crafting-Mechaniken. Pals können uns zudem nicht nur im Kampf unterstützen, sondern auch einfache Arbeitsaufgaben – wie das Sammeln von Ressourcen oder die Herstellung von Gegenständen – in unseren Basen übernehmen. Besonders in diesem Zusammenhang lässt ihre KI allerdings noch einige Wünsche offen. Die offene Welt ist zwar statisch, dafür aber weitläufig und es gibt einiges zu entdecken. Wie es sich für einen Survival-Titel gehört können außerdem auch neue Technologien erforscht, Basen gebaut und unsere Ausrüstungsgegenstände nach und nach verbessert werden. Und ja, auch Schusswaffen spielen eine Rolle, allerdings erst im späteren Spiel und bei weitem nicht in dem Umfang, den manche glauben machen wollen.
All die massiv aus dem Ruder gelaufenen Diskussionen sind inzwischen größtenteils abgeklungen und auch das oftmals heraufbeschworene juristische Armageddon für die Entwickler ist bislang ausgeblieben. Ob Palworld gekommen ist, um zu bleiben, wird sich trotzdem erst mit der Zeit zeigen. Der Titel bietet zwar bislang eine solide Basis, es bleibt aber noch *sehr* viel zu tun, um sich als ernstzunehmender Mitbewerber zum japanischen Genre-Primus zu etablieren.
Neukaledonische Folklore
Nach knapp einjähriger Exklusivität im Epic-Store hat es das tropische Action-Action-Adventure Tchia auch auf andere Plattformen geschafft. Auch Steam-Nutzer*innen klettern, schweben, schwimmen und segeln jetzt über und durch ein Inselarchipel, das von Neukaledonien inspiriert wurde. Diese zu Frankreich gehörende Inselgruppe liegt östlich von Australien und bietet mit seiner Mythen- & Sagenwelt die Grundlage für das (meist) unbekümmerte Abenteuer rund um magische Fähigkeiten, böse Götter und das Erwachsenwerden der titelgebenden Heldin.
Die Grafik ist fröhlich und bunt, nur das Charakterdesign vielleicht etwas Geschmackssache. Die musikalische Untermalung mit lokalen und/oder lokal angehauchten Melodien ist hervorragend gelungen und die Synchronisation mit einheimischen (!) Sprechern – teilweise auf französisch, teilweise in Drehu, einer der lokalen Stammessprachen – sorgt für noch mehr authentischen Charme.
Gameplaytechnisch wird ein solider Plattformer geboten, aufgelockert durch Mini-Games und Nebenaktivitäten wie eine voll spielbare Ukulele. Mit letzterer lassen sich auch sogenannte Seelenmelodien anstimmen, welche Spielwelt und Spielgeschehen beeinflussen können. Die wichtigste und interessanteste Spielmechanik ist allerdings Tchias Fähigkeit des Seelenspringens. Für kurze Zeit kann sie Tiere aber auch leblose Gegenstände übernehmen und kontrollieren. Das erleichtert die Erforschung der Inseln und des umliegenden Ozeans, ist aber auch (über)lebenswichtig im Kampf gegen die Stoffsoldaten des bald schon identifizieren Oberschurken. Und schlussendlich macht es vielleicht einfach Spaß als Kokosnuss über einen Südseestrand zu rollen …
Eine etwas eindeutigere Festlegung auf ein älteres ODER jüngeres Zielpublikum hätte dem Titel aber vielleicht gutgetan. Beide Zielgruppen gleichzeitig zu erreichen ist durchaus möglich, aber nicht so einfach. So sind in dem zu sicher 95% absolut kindergerechten Spiel nämlich einige teils unerwartete Momente und Szenen eingestreut, über deren Eignung für jüngere Spieler*innen zumindest diskutiert werden darf. Besonders eine Szene hat schon für einigen Gesprächsstoff gesorgt: Der Bösewicht verspeist in einer Zwischensequenz ein menschliches Baby. Keine Parabel, keine Übertreibung, und die Kamera schneidet im letzten Moment weg, aber in jeder Beziehung eindeutig, was hier passiert. Das schockt im Moment dann sogar manch älteres Semester. Nicht, weil per se unzumutbar, sondern weil so absolut unerwartet, da man doch gerade – und vielleicht bewusst – ein „nettes“ Spiel spielt. Zwar gibt es zwischenzeitlich eine Option in den Einstellungen, die solche und andere Szenen auf Wunsch „entschärft“, aber es bleibt doch ein bisschen die Frage nach dem ursprünglichen Warum.
Tchia ist eine spielgewordene Liebeserklärung an die Landschaft, Kultur und Geschichte Neukaledoniens. Aus den gameplaytechnisch guten und kreativen Ansätzen hätte man vielleicht (noch) mehr rausholen können und über die Eignung einzelner Szenen für allein spielende Kinder lässt sich sicher diskutieren. Trotzdem ein wirklich netter Titel, der sich zum Beispiel zum *gemeinsamen* Spielen mit dem Nachwuchs eignet.