In den vergangenen Monaten wurde (nicht nur) in Österreich über „Spaltungen“ (die Kernphysik lässt grüßen) innerhalb der Gesellschaft gesprochen. Flüchtlings-, Wirtschafts- und Politikkrisen stellen uns vor neue Herausforderungen. Keine Angst, es wird nicht politisch.
Werden wir zu einer Gesellschaft von Fanboys?
Ich bin der Erste, der zugibt, dass es keine einfachen und schnellen Lösungen gibt. Gerade weil dieser schnell gesagten Floskel so ziemlich jeder zustimmen wird, ist es für mich aber umso überraschender, dass man gleichzeitig scheinbar nur mehr „für“ oder „gegen“ etwas oder jemanden sein kann (und darf). Andererseits sollte ich das Problem aus der Computer- und Videospieleindustrie eigentlich ganz gut kennen: Hier nennt man vehemente Anhänger konträrer Positionen Fanboys. Auch über diese habe ich jahrelang den Kopf geschüttelt, aber irgendwann einfach aufgegeben. Ich kann (und will) sie eigentlich nicht verstehen und habe es als Eigenheit vorwiegend pubertierender Jugendlicher abgetan. Dass diese Tendenzen jetzt aber immer mehr auf die Gesellschaft als Ganzes überschwappen, erfüllt mich doch mit Sorge.
Das soll nicht heißen, dass es oft wichtig, richtig und nötig ist Position zu beziehen. Aber das sollte (bis auf ganz, ganz wenige, wohl überlegte und BEGRÜNDBARE Ausnahmen) nicht heißen, dass man jede andere Meinung als „falsch“, „böse“ und/oder „dumm“ bezeichnet. Man muss nicht immer alles mögen und sollte auch regelmäßig die eigenen Vorurteile und Beweggründe hinterfragen.
Vive Fanboy im Glashaus?
So bin ich zum Beispiel nach meiner letzten Kolumne etwas kritisiert worden, dass ich zu sehr „gegen“ die Oculus Rift und zu sehr für die „unnötige“ HTC Vive wäre. Stimmt, meine persönliche Wahl ist aktuell die HTC Vive. Das bedeutet aber nicht – und damit wären wir bei der inzwischen automatischen Annahme, dass man immer nur für oder gegen etwas sein kann –, dass ich etwas gegen die Rift hätte. Eine bei mir scheinbar sehr ausgeprägte Anfälligkeit für Simulator-Sickness macht sie für mich in der aktuellen Version einfach nicht sinnvoll. Zusätzlich halte ich Room Scale für ein ganz entscheidendes Feature und keine unnötige Spielerei. Bedauerlich ist hingegen, dass mir als Spieler dadurch einige wirklich interessante Exklusivtitel von Oculus verschlossen bleiben. Aber es geht noch weiter mit den Perspektiven: Als Konsument bin ich kein Fan von Exklusivtiteln. Aber als Realist bzw. jemand, der eine grobe Ahnung davon hat, wie schweineteuer Hardware- und Videospielentwicklung ist, verstehe ich den Wunsch von Oculus (aber auch Sony, Microsoft, Nintendo usw.) sich derartig abzusichern. Damit ich es also einmal ganz eindeutig uneindeutig gesagt habe: Ich finde manches an Apple | Microsoft | Sony | Nintendo | Oculus | Vive toll, anderes gut, einiges schwach und Teile sogar schlecht. Jetzt kann sich jeder herausklauben, was ihm gefällt.
Ist der Hype noch da?
Die Meisten aus meiner Bekanntschaft mussten sich in den vergangenen Monaten irgendwann einen Vortrag darüber anhören, wie toll VR nicht ist. Entsprechend kam bei Wiedersehen in den letzten Wochen dann doch immer wieder die Frage auf, ob ich immer noch so begeistert bin. Die kurze Antwort ist Ja. Die lange Antwort ist wie so oft etwas komplizierter. Wirklich „viel“ spiele ich nämlich eigentlich nicht. An Abenden unter der Woche überhaupt selten und wenn, dann nur kurz, oft weniger als eine Stunde. Auch an ruhigen Wochenenden wird nur max. 2 Stunden am Stück gespielt, aber das hat auch damit zu tun, dass es immer noch wenig neuen Content gibt. Eine Runde Audioshield, quasi als Sportersatz (*hust*), dann eine kostenlose Demo oder neue Spielerfahrung ausprobiert und das war es auch schon wieder. Einerseits „fehlen“ mir Titel, die ich wirklich länger spielen könnte. Andererseits finde ich das seltsamerweise ganz ok. Es zeigt sich für mich nämlich immer mehr, dass ich VR-Games zusätzlich und nicht statt „traditioneller“ Titel spiele. Und die vielleicht noch viel interessantere Selbsterkenntnis: Den größten Spaß habe ich beim Vorführen des Geräts, vor allem wenn meine „Probanden“ noch keinerlei VR Erfahrung haben. Keine Reaktion ist gleich, aber eigentlich jede ist geprägt von Überraschung und fast schon kindlicher Begeisterung für das Gesehene und Erlebte. Einfach schön mit anzusehen.
Mehr, aber immer noch (zu) kurze Titel
Wenige VR Titel konnten mich in den letzten Wochen also länger hinter die Brille fesseln. Ausnahmen gab es natürlich: Portal Stories: VR ist zum Beispiel ein kostenloses Fanprojekt, das anhand von 10 (leider extrem kurzen) Mini-Leveln zeigt, wie man den Puzzle-Charme und Witz von Portal in virtuelle Realitäten portieren könnte – und das ganz ohne Portale!
Final Approach ist hingegen ein kommerzieller Titel, der auch eigentlich zu den Launch-Titeln gehört hat. Irgendwie war ich anfangs von den Screenshots und der Spielbeschreibung nicht so richtig angetan und ignorierte den kleinen Flughafen-Time-Management-Simulator völlig. Aber die positiven Bewertungen häuften sich und ich gab dem Titel dann doch eine Chance. Zum Glück, denn der Titel ist nicht nur unterhaltsam, sondern manchmal auch überraschend fordernd und schweißtreibend.
Ähnlich stressig ist HordeZ, ein nicht besonders hübscher, linearer Zombie-Railshooter, der noch dazu mit einer etwas hackeligen Steuerung zu kämpfen hat. Wäre der Titel nicht in VR, wäre er vermutlich nach spätestens zehn Minuten des Ausprobierens auch gleich wieder deinstalliert worden. Taucht man aber selbst in die Spielwelt ein, sind die offensichtlichen Schwächen schnell vergessen. Auge in Auge mit den Zombie-Horden hat man plötzlich andere Sorgen, als das karge und lineare Leveldesign.
Noch ein Titel, den ich quasi noch nachholen musste, ist Space Pirate Trainer. Spielinhalt: Von einer Plattform auf Drohnen schießen und deren Gegenfeuer gleichzeitig ausweichen. Ebenfalls ein Spielkonzept, das ohne VR wohl nicht (über)lebensfähig wäre, aber auch hier funktioniert es dank der Immersion durch Brille und Bewegung. Ballern wie ein Westernheld und gleichzeitig wie Neo den Kugeln ausweichen macht mehr Spaß, als ich anfangs glauben wollte.
Nicht wirklich begeistern konnte ich mich hingegen das hochgelobte Pool Nation VR. Wie der Name schon sagt ein Pool-Simulator, der auch gut funktioniert und auch noch eine soziale Komponente mitbringt. Besonders der tiefe Immersions-Grad wir von vielen betont, was ich auch selbst bestätigen kann. Und so absurd es klingen mag, ist genau das auch mein Problem: Ich versuche mich regelmäßig auf dem für mich viel zu niedrigen virtuellen Tisch aufzustützen… Umgefallen bin ich (noch) nicht, aber vielleicht werde ich auch deswegen nicht so richtig warm mit dem Titel.
Und auch für den schmalsten Geldbeutel habe ich wie immer in paar Empfehlungen: Disney Movies VR ist eine kostenlose Technikdemo des Mauskonzerns. Interaktivität gibt es keine und die meisten Optionen sind trotz großer Namen wie Avengers und Star Wars leider kompletter Schrott. Die beiden Dschungelbuch-Clips, die einen praktisch IN den Film stecken, sollte man aber auf jeden Fall (an)gesehen haben.
Deutlich mehr bietet hier Waltz of the Wizard. Zaubertränke mixen, Feuerbälle werfen und andere Dimensionen besuchen – all das und mehr erlaubt der kurzweilige kleine Sandboxtitel um den kleinst möglichen Preis von null Euro.
Es gibt nicht nur VR
Auch im vergangenen Monat hatte ich mehr als genug zu tun und hatte leider wenig Zeit für viele Spiele. Die VR-Liste mag lang scheinen, bei oft nur 30 bis 60 Minuten effektiver Nutzung pro Titel bleibt aber trotzdem nicht viel übrig. Ansonsten habe ich mich tatsächlich nur mit zwei Titeln länger beschäftigt: Meine PS4 setzte schon länger Staub an, aber nachdem ich Uncharted: The Nathan Drake Collection zum Schnäppchenpreis ergattern konnte, habe ich sie mal wieder angeworfen. Ich mag Shooter auf Konsolen noch immer nicht besonders und vor allem der zweite Teil ging mir hier schon 2009 gewaltig auf die Nerven – oft hängt man eine gefühlte halbe Stunde in einem verdammten Raum fest, weil sinnlos Gegnerwelle auf Gegnerwelle folgt. Aber die Inszenierung ist nett, das Remake technisch solide und irgendwann wird auch Uncharted 4 günstiger werden. Spätestens dann muss mein Wissen um die Trilogie wieder auf Stand sein.
Titel Nr. 2 der mich (zu) viele Stunden (ich kann meiner Steam-Statistik selbst nicht glauben) gekostet hat, ist der Early Access-Titel Factorio. In gewisser Weise ein Topdown-Survival-Titel in 2D, der sich aber komplett auf die Konstruktion effektiver Abläufe der Ressourcengewinnung, des Transports und der Produktion konzentriert. Wer hier nach ein paar Stunden Spielzeit noch selbst mit der Spitzhacke abbaut, hat etwas falsch gemacht. Das sollte dann schon längst von elektrischen Bohrern erledigt werden, gewonnene Rohstoffe landen via Roboterarm und Fließband in einem Schmelzofen und/oder einer Fabrik die ihre Produktion dann via Zug ans andere Ende der Karte verfrachten. Alles voll automatisch versteht sich – und in meinem Fall auch sehr suchterregend.
Da war doch noch was im Juni…
Und dann ist/war diese Woche ja noch E3. Natürlich interessant, was da alles angekünndigt wurde, vor allem im Bereich VR. Aber ich werde das erst einmal in Ruhe aufnehmen und sich setzen lassen, die wirklich interessanten Titel kristallisieren sich von ganz alleine heraus. Auf den ersten Blick aber auf jeden Fall deutlich mehr spannendes „Material“ als noch 2015 und vielleicht lesen wir uns zum einen oder anderen Titel und/oder Thema im Juli!
Euer Onkel Tom