Onkel Toms Spielecke #26: September 2016

Das Ende ist nahe! Nicht der Kolumne – so viel Glück habt ihr nicht. Auch nicht der Welt (hoffentlich). Einfach nur das Ende einiger extremst arbeitsintensiver Monate für den armen Onkel Tom. Richtiger Urlaub steht zwar erst im Dezember an, aber zumindest die Abende und das Wochenende gehören teilweise wieder mir. Etwas eingeschränkt ist daher auch die Ausbeute für diesen Monat. Sie folgt aber der Devise klein, aber fein!

The Final Station ist ein Action-2D-Sidescroller im Pixel-Look … und alles dreht sich um einen Zug. In einer Gesellschaft, die von einer mysteriösen Invasion/Seuche (inkl. gefährlichen Infizierten, aber keinen Zombies) beinahe zerstört wurde, liegt es an Zugführern, wie unserer Spielfigur, die Reste der Zivilisation in Verbindung zu halten. Die Hauptstadt behält die Kontrolle über die umliegenden Stationen mit dem Versprechen von Schutz und dem Bau eines gigantischen Wächters, der eine erneute Invasion verhindern soll. Doch wie so oft (und das nicht nur in Spielen) klappt nicht alles, wie geplant. Station um Station fällt einem erneuten Ausbruch zum Opfer. So gilt es abwechselnd zwei Aufgaben zu meistern: In den größtenteils überrannten Stationen suchen wir in klassischer Plattform-Manier nach Überlebenden und müssen das Weiterkommen für unseren Zug sicherstellen. Während der Fahrt zwischen den Stationen gilt es hingegen, sich um unsere Passagiere zu kümmern und die ständig bockende Technik unseres Zuges am Laufen zu halten. Das Ganze wird eingebettet in eine komplexe und bis zuletzt nicht ganz durchschaubare Hintergrundgeschichte, die viel Raum für Interpretation lässt. Gelungenes Spiel, aber das Ende hätte auch etwas positiver ausfallen können.

Redmond weiß es besser

Ich hege keine Abneigung gegen Microsoft an sich – und ja, ich weiß, dass die meisten redaktionellen Hinrichtungen genau so anfangen. Aber viele Ideen und Strategien der letzten Jahre kann ich einfach nicht nachvollziehen. Die Probleme rund um die Fragen, was die Xbox One sein wollte, sein sollte und schließlich geworden ist, sind hinlänglich bekannt. Man hat sich aber – wenn auch deutlich abgeschlagen – irgendwann wieder gefangen. Doch am PC scheint man ausgesprochen lernresistent zu sein. Das „Games for Windows“-Label und der gleichnamige Store und DRM-Schutz waren eine Katastrophe. Nicht durchdacht, restriktiv und technisch mangelhaft umgesetzt wurde „Games for Windows“ das Unwort einer ganzen Generation von Computerspielern. Man versprach Besserung, doch zuerst musste es mit Windows 8 noch schlimmer werden. Windows 10 war dann endlich ein Lichtblick, man hat auf die User gehört und von wenig durchdachten Neuerungen Abstand genommen. Auch der Spielebereich begann, wieder vielversprechender zu klingen: Kein eigenes PC-Spielelabel mehr, es läuft alles unter dem Xbox Brand. Dazu die Möglichkeit Xbone-Titel am PC „fernzuspielen“ und die Aussicht, dass Multiplattform-Titel nicht mehr doppelt gekauft werden müssen. Klingt doch nicht schlecht!

Doch dann kam der Store … Er mag nicht mehr Games for Windows-Marketplace heißen, aber es mangelt erneut an so vielen grundlegenden Dingen, dass man sich wirklich fragen muss, ob ein einziger Mensch mit Wissen über PC-Spiele(r) in die Planung involviert war oder nur irgendwelche Marketing-Manager einfach mal drauf los theoretisiert haben… Ich meine ernsthaft: Ich muss in die Systemoptionen ins gefühlt dreihundertste Untermenü gehen um mir aussuchen zu dürfen, wohin ein Spiel installiert wird?! Doch damit nicht genug, Spiele müssen jetzt Apps sein und plötzlich gelten unzählige technische Einschränkungen? Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen ist die jeweils neuste Version von Windows 10 natürlich Pflicht. Wer hat das abgesegnet? Ich meine dazu muss man noch nicht einmal etwas über die (zugegebenermaßen zahlreichen) Eigenheiten von PC-Spielern wissen. Menschen werden nicht gerne zu etwas gezwungen. Man muss ihnen solch tief greifende Änderungen gut verkaufen und schmackhaften machen. Und hier hat Microsoft leider auf ganzer Linie versagt.

 

Zurück in die Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart

Auf was mein Geschwafel schlussendlich hinausläuft: Ich (und scheinbar sehr, sehr viele andere PC-Spieler) nutze den Microsoft Store nicht. Und wenn sich nicht drastisch etwas ändert, werde ich ihn auch weiterhin nicht nutzen. Spiele, die dort exklusiv erscheinen, habe ich schlichtweg nicht am Radar.  Das sage ich auch nicht aus Bosheit, sondern stelle einfach eine Tatsache fest. Ich war ernsthaft überrascht, als ich vor einer Weile realisierte, dass vor einigen Monaten das Gears of War Ultimate-Remake auch am PC erschienen ist. Aber eben Microsoft Store-exklusiv und damit praktisch eine Totgeburt – der Multiplayer war nach ein paar Wochen ausgestorben, was man so liest. Das erste (ebenfalls exklusive) PC-Release von Quantum Break habe ich wenigstens mitbekommen. Aber leider auch nur deswegen, weil die zahlreichen Probleme und Einschränkungen für Schlagzeilen sorgten. Aber auch das war aus schnell wieder vergessen. Mein Interesse wurde erst wieder geweckt, als bekannt wurde, dass Quantum Break mit Verspätung auch für andere Download-Plattformen und (Überraschung!) Windows-Versionen erscheinen würde. Scheinbar war und bin ich nicht der Einzige, der dem Store nichts abgewinnen kann…

Dieses zweite PC-Release des Spiels der Max Payne-Macher ist auch durchaus gelungen, technisch solide und ein mit interessanten Konzepten gespickter Zeitreise-Third-Person-Shooter. Die Entscheidungen des Spielers beeinflussen die Zeitlinien und Spielgeschichte, was sowohl in computeranimierten als auch real gefilmten Sequenzen erzählt wird. Außerdem sind die temporalen Fähigkeiten unseres Helden eine deutlich sauberere Erklärung für „Bullet Time“-Einlagen, als der Drogenkonsum von Mr. Payne. Insgesamt ist Quantum Break ein gutes, wenn auch nicht sehr gutes Spiel. Dank der Zeitfähigkeiten hätte man einige interessante Puzzles einbauen können und auch die Story ist rückwirkend betrachtet eher schwach. Aber vielleicht hebt man sich das für einen zweiten Teil auf, der zumindest angedeutet wird.

 

Entführt in die VR

Ich habe die Kickstarter-Kampagne von Obduction leider komplett verschlafen, denn auf ein neues Spiel der Myst-Macher habe ich schon lange gewartet. Das Spiel selbst ist auch genau das, was ich erwartet und erhofft habe: Fantastische Landschaften, die es mit offenen Augen und wachem Verstand zu erforschen gilt. Trotzdem bin ich noch nicht weit gekommen. Einerseits war ich zuletzt einfach zu geschafft für geistig anspruchsvolles Abendprogramm. Andererseits will ich die Rätsel, Landschaften und Erfahrungen, die mich noch erwarten, doch lieber zum ersten Mal in VR genießen. Denn VR-Support soll und wird „bald“ kommen und ich kann mir keine perfektere Art von Titel dafür vorstellen!

Angespielt

Interesse wäre auch noch an anderen Titeln da gewesen, doch mangelte es an Zeit und/oder dann doch Motivation: Seasons after the Fall sollte eigentlich jedem Ori and the Blind Forest-Fan (hier!) gefallen, aber irgendwie ist der Funke noch nicht über gesprungen. Die handgemalten Grafiken sind hübsch und die Spielmechaniken interessant, aber vielleicht brauche ich nach Headlander (siehe letzte Ausgabe dieser Kolumne) doch noch eine längere Plattformer-Pause.

Als kostenlose Overwatch-Alternative wurde mir hingegen Paladins ans Herz gelegt. Wie aber eigentlich erwartet, treffen die Gründe, warum ich Overwatch nie ausprobiert habe, auch auf Paladins zu: 1) man sollte halbwegs gut in Shootern sein (naja) und 2) viel Zeit zum Trainieren und „erlernen“ der Charaktere mitbringen (haha). Wenn ich jemals wieder Zeit für Team-Spiele finde, werde ich mich wohl eher wieder auf Team Fortress 2 stürzen. Das ist nicht so kompliziert für alte Semester wie mich…

Last but not least: Mafia III. Drei Minuten hat die erste Sitzung gedauert und nein, es hatte nichts mit dem (inzwischen behobenen) 30fps-Limit zu tun. Vielleicht oute ich mich als „Softie“, wenn ich erkläre warum. Grundsätzlich habe ich kein Problem mit Gewalt in Spielen – wenn sie zum Inhalt, der Geschichte und/oder dem gespielten Charakter passt. Nur Gewalt um der Gewalt willen kann ich nichts abgewinnen. Natürlich erwarte ich einiges an Gewalt in einem Mafia-Titel. Die ersten beiden Teile haben mir trotzdem gut gefallen, denn sie erzählten jeweils die komplexe Geschichte von jungen Männern, die langsam in einen Sog von Kriminalität und Gewalt gezogen werden – und dabei nach und nach auch Dinge tun, von denen sie wissen, dass sie eigentlich nicht richtig sind. Die zunehmende Gewalt gehört also zur Geschichte, ist sogar ein wichtiges erzählerisches Mittel.

Der dritte Teil beschreitet hier – zumindest aus meiner Sicht – gänzlich andere Wege. Es fängt mit einem atmosphärischen Intro und der mehr als mutigen Ankündigung der Entwickler an, dass das Spiel Rassismus in seiner ganzen Hässlichkeit darstellen wird, um authentisch zu sein. Soweit, so gut und wir übernehmen die Kontrolle über unsere Spielfigur Lincoln. Der scheint in einen geplanten Raubüberfall verwickelt zu sein, denn er trägt zwar die Uniform eines Wachmanns, diese gehört ihm aber nicht. Während unser Partner vom bevorstehenden Job quasselt finden wir in einem Nebenraum die ursprünglichen Besitzer der Uniformen: Einer liegt tot am Boden, der Zweite sitzt gefesselt auf einem Stuhl – absolut wehrlos und mit einem Sack über den Kopf. Gehen wir in die Nähe der Geisel, bietet das Spiel eine Interaktionstaste an. Wer jetzt wie ich unschuldig bestätigt – vielleicht in Erwartung eines Kommentars zum Gefangenen oder der Möglichkeit einer Entscheidung – wird überrascht sein: Lincoln schießt der Geisel eiskalt in den Kopf, inklusive positiver Zustimmung seines Partners. Ja, das geht mir persönlich etwas zu weit. Ich finde das Spiel sollte mir die Wahl lassen. Es wäre für mich in Ordnung, wenn ich einen Figur bewusst als „Monster“ spiele, oder wenn sich die Geschichte in diese Richtung entwickelt hat. So früh aber klar zu machen, dass Lincoln ein kompletter Soziopath ist, macht ihn mir als Spielfigur eher unsympathisch. Die Entscheidung der Entwickler dazu ist in gewisser Weise „mutig“ und kann auch nicht so leicht als „richtig“ oder „falsch“ eingestuft werden. Mir persönlich hat sie allerdings nicht gefallen. Ich werde dem Spiel zwar sicher eine zweite Chance geben – alles andere wäre kindisch und unfair – aber ich hoffe, dass etwas mehr Hintergrund zu Lincolns Verhalten geliefert wird, sonst werde ich mich wohl kaum länger mit ihm beschäftigen wollen.

Ich halte euch auf dem Laufenden!

Euer (manchmal) pazifistischer Onkel Tom

 

 

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