Onkel Toms Spielecke #31: Juni&Juli 20017

Es ist schon wieder eine Weile her… Mein Job hält mich immer noch gut beschäftigt, aber das Arbeitspensum hat sich saisonbedingt auf ein zumindest realistisches Maß reduziert. Trotzdem hat der Tag irgendwie nie genug Stunden und die Woche immer zu wenig Tage.

Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich (viel) zu wenig Freizeit und/oder keine Zeit zum Spielen hatte, aber ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Stunden andere Berufstätige trotzdem in bestimmte Spiele stecken können. Betreibe ich schlechtes Zeitmanagement? Fehlt mir einfach nach einem fordernden Arbeitstag die Energie? Oder ist an den Binsenweisheiten bezüglich „Zeit nehmen“ doch etwas dran? Ist eigentlich auch egal. Solange es mir Spaß macht ist ein bisschen zu wenig Zeit vielleicht sogar ganz gut. Damit wird man nicht übersättigt und die Freude ist umso größer, wenn man dann doch mal wieder Zeit für eine Runde hat. Aber auch Vorsicht ist geboten: Fehlgriffe schmerzen dann umso mehr, wenn man die investierten Stunden und Minuten, dann doch lieber in etwas anderes gesteckt hätte.

Rätselschonkost

Es ist kein Geheimnis, dass ich besonders Spiele bevorzuge, die auch ein wenig das Köpfchen fordern. Zuletzt musste ich mich in dieser Beziehung aber eher mit leichter Kost begnügen. RiME ist ein entspannter Plattformtitel, der sich doch recht ungeniert bei ICO, Ghibli und anderen Pfeilern der Videospiel- und Popkultur-Geschichte bedient. Durch Verzicht auf praktisch jegliche Art von Action hat man Gelegenheit die wirklich schönen Landschaften zu genießen und sich die Hintergrundgeschichte zusammenzureimen. Mehr war es – zumindest für mich – dann aber auch nicht, denn die Rätselelemente des Spiels waren mir einfach zu wenig anspruchsvoll und abwechslungsreich. Nach ein paar Rätseln kennt man die Denkweise der Designer einfach. Trotzdem, insgesamt ein netter Titel und ich könnte mir vorstellen, dass eventuelle Nachfolgetitel richtig gut werden könnten.

Auch wenig abwechslungsreich, aber alles andere als anspruchslos sind hingegen die Rätsel von Cosmic Express. Es gilt, die Strecke für eine Weltraumeisenbahn so zu planen, dass alle Aliens eingesammelt werden, sich die Gleise aber niemals kreuzen. Das Konzept ist nett, aber man merkt, dass der Titel eigentlich mehr auf das Tablet ausgelegt ist.

Reale virtuelle Faulheit

Bei VR-Spielen ist mein eigener Energielevel immer noch eine ganz große Herausforderung. Nach einem regulären Arbeitstag fehlt mir oft die Energie für ein mehr oder weniger anspruchsvolles Computerspiel, geschweige denn das Turnen durch virtuelle Welten. Wie so viele treibt es mich dann eher auf die Couch und in Richtung Netflix & Co. Bleiben nur die Wochenenden und auch hier nicht jedes. Fairerweise genügt dies aber auch, denn im Mainstream ist VR noch lange nicht angekommen und das spürt man auch bei der Anzahl der Veröffentlichungen.

Ich habe mir schon immer gedacht, dass sich der kreative Shooter SUPERHOT verdammt gut in VR machen würde. Als dann die (zeitlich limitierte) Exklusiv-Ankündigung als SUPERHOT VR für die „falsche“ VR-Brille kam, war die Freude zwar etwas gedämpft. Mit Ende der Exklusivität ist jetzt aber ein weiterer VR-Pflichttitel gefunden. Genau wie das Original vergeht die Zeit nur, wenn man sich bewegt. Das bedeutet, dass jede Kopfdrehung, jede Bewegung der Hand wohl überdacht sein sollte. Über kurz oder lang wird man sich dabei erwischen, dass man ähnliche Verrenkungen versucht, wie ein gewisser Mr. Anderson. Ich wäre dabei übrigens fast umgekippt. Weniger wegen der unnatürlichen Haltung, sondern weil mich Steam just in diesem Moment informieren musste, dass ich das sehr passende „Chosen one“-Achievement freigeschaltet hatte…

Jeder waschechte Nerd muss sich (angeblich) irgendwann in seinem oder ihrem Leben zwischen Star Wars, Stargate und Star Trek entscheiden. In meinem Fall misslungen, weil leiden kann ich alle drei, wenn auch in dieser Reihenfolge und Star Trek eher am Ende des Spektrums. Als Trekkie würde ich mich daher nie bezeichnen, mein Wissen ist extrem beschränkt und ich gehöre auch noch zu den Ketzern, welche den Reboot eigentlich ganz gut gefunden haben (ausgenommen Beyond – der war einfach nur langweilig). Entsprechend habe ich es mir lange überlegt, bevor ich Star Trek: Bridge Crew eine Chance gab. Praktisch der erste vollwertige, Multiplattform-AAA-VR-Titel eines bekannten Publishers war aber natürlich eine Ansage. Die Erfahrung war auf jeden Fall interessant. Selbst mich als Nicht-Trekkie durchlief ein leichter Schauer, als ich plötzlich im Kapitänssessel bzw. an einer der Stationen saß. Außerdem ein perfektes Beispiel für die Möglichkeiten, die VR gameplaytechnisch bieten könnte – auch ohne Roomscale und „nur“ als 360°-Monitor Marke PlayStation. Trotzdem ist der Funke nicht übergesprungen. Alleine ist es doch zu wenig abwechslungsreich und in Anbetracht der Anzahl von Bekannten mit Vive (3) die jemals ein Star Trek-Spiel zocken würden (0), sahen die Aussichten auf Multiplayer-Partien eher düster aus. Darum für mich leider nein, aber ich bin absolut überzeugt, dass auf so manchen „echten“ Trekkie hier noch die Erfüllung eines Lebenstraums wartet.

Einer geht noch: Vanishing Realms war – trotz seiner geringen Länge und spielerischen Komplexität – einer der ersten VR-Titel, die mich wirklich begeisterten. Einfach weil er mir klarmachte, was VR werden könnte, es aber immer noch nicht ist. Der Early Access-Titel Karnage Chronicles tritt in sehr ähnliche Fußstapfen, versucht aber deutlich mehr Möglichkeiten, wie zum Beispiel ein komplexeres Kampfsystem, zu bieten. Ich glaube der Titel hat deswegen viel Potenzial, konnte mich aktuell aber noch nicht so richtig packen bzw. ist momentan einfach noch zu wenig Inhalt da.

Ungewöhnliches

Ich bin durchaus bereit zu argumentieren, dass Videospiele auch Kunst sein *können*. Genauso können sie – auch auf durchaus ungewöhnliche Weise – Geschichten erzählen, Emotionen hervorrufen und zum Nachdenken anregen. Gleichzeitig bin ich aber nicht bereit jede wirre Anhäufung von inhaltlichen und/oder optischen Ergüssen gleich als wertvoll oder erstrebenswert zu akzeptieren. Dieses „Problem“ hatte ich schon in meiner Schulzeit, in der eine motivierte Zeichenlehrerin uns auch immer wieder mit etwas … anderer Kunst konfrontierte. Prinzipiell ein nobles Ziel, aber für meine öffentlich geäußerten Zweifel an dem Wert eines bestimmten Stückes wurde ich von den Fans der entsprechenden Pädagogin als „Kleingeist“ abgestempelt. Ist es sehr schlimm, dass ich – damals wie heute – unglaublich stolz auf diesen Titel bin?

Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich The Beginner’s Guide als Kunst bezeichnen würde. Ungewöhnlich, interessant, informativ? Auf jeden Fall, aber ich glaube gar nicht, dass es dem Macher (Davey Wreden, vielleicht bekannt für The Stanley Parable) wichtig ist, ob man seine Spiele als Kunst bezeichnet. Es ist ihm auf jeden Fall gelungen, eine einzigartige (Spiel)erfahrung zu realisieren. Nicht jeder/jedem wird sie gefallen, nicht jede/jeder wird das Gleiche daraus mitnehmen. Aber ich werde mich hüten, solche Menschen als „Kleingeister“ zu bezeichnen. Diesen Titel muss man sich in meinen Augen nämlich erst verdienen!

So ungewöhnlich wie Beginner’s Guide ist Domina bei weitem nicht, aber die Kombination von Spielelementen ist doch relativ einzigartig. Mir würde zum Beispiel auf Anhieb kein anderer „Gladiatoren-Ausbildungs-Simulator“ einfallen. Gefallen hat mir an dem Titel so einiges: Der Pixel-Look, der es bewerkstelligt die unglaubliche Brutalität dieser traurigen menschlichen Vergangenheit auszudrücken, ohne zu verherrlichen oder zu verharmlosen. Auch die Möglichkeit, selbst die Kämpfe zu übernehmen ist nett, allerdings ist die KI in meinem Fall leider deutlich besser als ich. Last but not least: Die einfache Festlegung, schon durch den Titel, dass man eine Frau spielt. Ich räume gerne ein, dass man(n) mit nur einem X-Chromosom vielleicht niemals den kompletten Umfang der Herausforderungen rund um Feminismus, Gleichbehandlung & Emanzipation verstehen *kann*. Aber ich sehe hier doch ein dezentes, aber trotzdem starkes Statement: Man spielt eine Frau. Am Spiel und seinen Mechaniken ändert dies nichts. Conclusio: Weitermachen, weiterspielen, das Geschlecht ist egal.

Trotz dieser starken Argumente wurde mir Domina leider recht schnell langweilig. Die Grundlagen hat man schnell gemeistert, dann spielt man eigentlich nur mehr gegen die Uhr um möglichst schnell kräftige Gladiatoren heranzuzüchten. Im Mikro-Management des Trainings und der Kämpfe wollte ich mich nicht verlieren, ganz ohne geht es aber nicht. Dafür sorgt der schnell anziehende Schwierigkeitsgrad. Dementsprechend also durchaus eine Empfehlung für Fans ungewöhnlicher Simulationsspiele.

Erinnerungen & böse Buben

Als Silver vor bald zwei Jahrzehnten erschien, durfte ich zwar noch nicht offiziell wählen, aber bei jeder Wahl zum Spiel des Jahres wäre es trotzdem mein Kandidat gewesen. Aus heutiger Sicht mag das Action-Rollenspiel inzwischen altbacken sein und die polygonale Grafik früher 3D-Spiele altert bekanntlich nicht sehr gut. Aber absolut innovative Gameplay-Konzepte – die Mausbewegung während der Attacke beeinflusste die Art des Angriffs (!) – fesselten mich damals an den Bildschirm. Zeit- und altersbedingt habe ich den Titel zwar kein zweites Mal so richtig gespielt, aber nachdem er neben GOG jetzt auch auf Steam in gepatchter Form verfügbar war, musste ich einfach zugreifen. Verdammter Sammeltrieb…

Normalerweise möchte und versuche ich, in Spielen immer der Gute zu sein. Als Jedi-Ritter versuche ich den Verlockungen der dunklen Seite zu widerstehen; als geschasste Kaiserin nehme ich niemandem das Leben und auch sonst neige ich besonders bei Rollenspielen auf eine Weise zu spielen, die andere wohl als übertriebene Gutmenschlichkeit bezeichnen würden. Ausnahme zur Regel: Wenn die übernommene Rolle von Haus aus ein Schurke ist und die gelebte Boshaftigkeit mit einem Augenzwinkern daherkommt – Stichwort: Dungeon Keeper. Darum hat mir auch Antihero sehr gut gefallen, trotz der Prämisse, dass man als Meisterdieb und –attentäter eine Stadt von jeglicher Konkurrenz befreien muss. Insgesamt kann ich mich Kollegen Tom Steinbauer nur anschließen: „Trotz seines eher geringen Umfangs bietet Antihero ein enorm abwechslungsreiches Spielerlebnis und ist dank zahlreicher taktischer Finessen stets fordernd. Natürlich hätte man sich etwas variantenreichere Möglichkeiten wünschen können, aber als digitales Brettspiel darf man sich hier einfach nicht zu viel erwarten.“ Manchmal kann Artikelschreiben so einfach sein, wenn man einfach nur ein paar Zeilen kopieren muss…

Mehrspieler, mehr Spiel?

Wer mich ein wenig kennt, weiß nicht nur um meinen eingangs erwähnten Rätselfimmel, sondern auch, dass ich mit „klassischen“ Multiplayer-Titeln meist nichts anfangen kann. Ob Online-Shooter oder jegliche Art von MMO-irgendwas, meine diesbezügliche Hemmschwelle ist irgendwo zwischen den Gipfelspitzen von K2 und Mount Everest zu finden. Gegen Fremde spiele ich nur sehr ungern kompetitiv und ganz allgemein fehlt mir scheinbar der „Killerinstinkt“, der Millionen Titel wie PLAYERUNKNOWN’S BATTLEGROUNDS spielen lässt. Ausnahmen von dieser Regel kommen nur vor, wenn sich die richtigen Leute im Bekanntenkreis finden, die mitspielen. Anders wären meine Ausflüge in World of WarCraft oder ARK: Survival Evolved wohl nicht zustande gekommen. Mit 7 Days to Die war es mal wieder soweit. Bearbeitet wurde ich schon länger, aber inzwischen habe ich dazugelernt. Oft schon wollten mich Bekannte und Freunde von Eintagsfliegen überzeugen, die sie dann selber nach zwei Wochen nicht mehr spielen. Der Early Access-Titel, der Survival-Titel mit Zombieapokalypse paart, hat sich allerdings im Bekanntenkreis lange gehalten, und so ließ ich mich dann schlussendlich doch breit schlagen. Nach einigen Stunden des Schnupperns kann ich sagen: frustrierend aber nett. Die Zombies sind fordernde Gegner, die namensgebenden siebten Nächte (während derer man von den Zombies aktiv gejagt wird, egal wie gut versteckt man ist) sind besonders für Anfänger ein Albtraum. Hat man allerdings die richtige Gruppe um sich und betreibt Arbeitsteilung, kann man auch die Zombiekalypse gut er- und überleben. Und dabei auch noch Spaß haben!

Meine Art von Multiplayer bleiben aber die lokalen und vor allem Koop-Multiplayertitel, von denen ich zum Abschluss noch zwei wärmstens empfehlen möchte:

Wer gerne (zusammen) rätselt sollte sich Death Squared einmal ansehen. 1, 2 oder 4 Spieler können sich an dem kooperativen Puzzle-Spiel versuchen, wobei jeder Spieler eine andere Farbe hat. Farbige Bereiche können nur von genau dieser Farbe befahren werden, Energiestrahlen und Stacheln in Fremdfarben sind hingegen absolut tödlich. Kommt jetzt noch hinzu, dass sich die Spielwelt durch das Auslösen von Tasten jederzeit verändern kann, sollte schnell klar sein, dass man zum Lösen der Level zusammenarbeiten muss. Ausgenommen man gehört natürlich zu jenen bösartigen Menschen, welche die eigenen Mitspieler gerne abstürzen und/oder explodieren sehen…

Fans des klassischen Brettspiels werden sich hingegen bei For The King ganz zuhause fühlen. Noch im Early-Access, gilt es zusammen ein rollenspiellastiges, digitales Brettspiel zu meistern. Momentan nur zu dritt spielbar (entsprechend nicht ideal für jede Gruppe) steuert jeder Spieler einen Charakter durch ein von Chaos bedrohtes Königreich. Braucht man für die gegebenen Quests zu lange, nimmt das Chaos nach und nach Überhand, es erscheinen mehr Gegner und irgendwann ist das Spiel verloren. Arbeitsteilung ist also angesagt, bringt aber ganz andere Gefahren mit sich. Sind unsere Spieler zu weit voneinander entfernt, müssen sie auch die Kämpfe auch allein oder nur zu zweit bestreiten. Das bringt zwar mehr XP, allerdings auch das Risiko eines verlorenen Kampfes mit sich, der den/die entsprechenden Spieler dann für mehrere kostbare Spielrunden ausschaltet. Jetzt schon sehr kurzweilig hoffe ich im Lauf der Entwicklung noch auf mehr Inhalte, vor allem was Quests und Ausrüstung betrifft.

Jedes Mal, wenn ich zum Ende komme, ist mein schlechtes Gewissen, dass wieder soviel Zeit zwischen den Kolumnen vergangen ist, etwas reduziert. Vielleicht unverdient, denn ich sollte mich wirklich öfters an der Nase nehmen und mich einfach hinsetzen. Vielleicht ist an der Geschichte mit dem „Zeit nehmen“ ja doch was dran…

Bis zum nächsten Mal

Onkel Tom

 

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