Das war also 2017. Ich werde langsam älter, darum zuerst mal das obligatorische Gejammere: Zeit so schnell vergangen; alles wird teurer; früher war einiges besser; sind jetzt endgültig alle verrückt geworden?
Aber auch wenn ich mit so mancher Entwicklung unglücklich bin: Die Welt steht trotzdem noch und damit lebt auch die Chance weiter, dass wir als Gesellschaft / Bevölkerung / Menschheit irgendwann noch die Kurve kriegen.
Im Herbst ordentlich unter Druck
Vor allem Oktober und November waren dieses Jahr wieder besonders fordernd. Gerade wenn man wenig bis gar keine Freizeit und/oder Energie mehr hat, ist man für Titel dankbar, die man kurz und zwischendurch (weiter)spielen kann. Entspannung fand ich zum Beispiel bei einer Fortsetzung, mit der ich fast schon nicht mehr gerechnet hatte. Jump’n’Runs und Plattformer spiele ich selten, wenn mich dann aber doch einmal einer packen kann, dann meistens richtig. SteamWorld Dig war Anfang 2014 eine solche Ausnahme, war innerhalb kürzester Zeit durchgespielt und die Lust auf mehr bald schon wieder groß. Fast etwas enttäuscht war ich daher, als in diesem Jahr mit SteamWorld Heist zwar ein Nachfolgetitel im gleichen Universum folgte, spielerisch allerdings etwas komplett anderes geboten wurde. Nicht missverstehen, auch der rundenbasierte Strategie-Ableger hat mir gut gefallen und das habe ich in einer meiner Kolumnen auch kundgetan. Aber ich wollte einfach mal wieder die Spitzhacke auspacken und dem Bohrmeißel Dampf machen. Und siehe da, ganz überraschend wurde ich nur wenige Monate später erhört und mit SteamWorld Dig 2 bekam ich endlich den Nachfolger, auf den ich gewartet hatte!
Fortsetzungen können auch nach hinten losgehen, aber die Entwickler haben ihre Sache gut gemacht. Das „Platform Mining Adventure“ mit einem Schuss Metroidvania konnte mich über viele Abende wieder vor den Bildschirm fesseln. Das belegen auch die 13 Stunden, die ich investiert habe, um den Titel durchzuspielen und (fast) alle Geheimnisse zu lüften. Spielerisch bleibt eigentlich alles beim Alten, doch mehr Abwechslung bei der Ausrüstung und der Gestaltung der Levels sorgen für frischen Wind und lassen keine Langeweile aufkommen. Außerdem wird nicht nur die Geschichte des ersten Teils fortgesetzt, sondern auch eine Überleitung zum – sonst etwas losgelösten – SteamWorld Heist geboten. Was kann man sich von einer Fortsetzung mehr erhoffen?
Alles eine Frage der Perspektive
Manchmal steht man als Schreiberling vor dem Problem, dass sich das Spielprinzip eines Titels nur schwer in Worte fassen lässt. Bilder und Videos können helfen, aber auch die sind manchmal für sich genommen nicht wirklich aussagekräftig, weil der Zuschauer vielleicht gar nicht versteht, was er/sie eigentlich sieht. Und dann gibt es noch Titel wie Gorogoa, auf die beides zutrifft. Ich kämpfe nicht nur damit, die Spielmechanik dieses Puzzlers zu beschreiben, ich weiß zudem, dass auch Screenshots und Videos die Sache nicht unbedingt besser machen werden. Aber versuchen wir es: Gorogoa erzählt ohne Worte und Texte eine Geschichte in vier, in einem Quadrat angeordneten Paneelen. Unsere Spielfigur agiert selbstständig, wir können sie nur beeinflussen durch das, was in den anderen Fenstern passiert. Darum müssen die (bis zu maximal vier) aktiven Paneele zum Beispiel so angeordnet werden, dass eine neue Szene entsteht und wir unser nächstes Zwischenziel erreichen können. Gezeigt werden allerdings Szenen aus verschiedenen Zeiten und Welten und die wollen oft nicht so recht zusammenpassen. Schaffen wir es allerdings – zum Beispiel durch hinein- und hinauszoomen – eine optische Verbindung zu schaffen, können wir Hindernisse verschwinden lassen oder neue Wege offenbaren. Außerdem können die Paneele sich gegenseitig auch beeinflussen: Kommt von „unten“ Hitze steigt der Druck in einem Kessel. Oder ein großer Magnet in einer Ecke wird Kompassnadeln in der Nachbarschaft in seine Richtung ziehen. Manchmal „fehlt“ aber auch etwas und dann wir zum Beispiel ein leerer Türrahmen aus einer Szene entnommen und in einer andere eingesetzt – und schon sieht die (Spiel)welt ganz anders aus.
Zugegeben, mit der entsprechenden Motivation dahinter (bzw. einer Tendenz zum Masochismus, wenn es um Denkaufgaben geht) ist der Titel in weniger als zwei Stunden durchgespielt. Aber ich habe mich gefordert und unterhalten gefühlt und kann den Titel nur empfehlen – wenn man auf ungewöhnliche Rätsel steht und der Kopf auf manchmal rauchen und die Lösung nicht so offensichtlich sein darf.
Noch in Arbeit
Andere Titel befinden sich noch „in Arbeit“ und bei manchen besteht sogar die realistische Chance, dass ich sie in absehbarer Zeit weiter- und vielleicht sogar fertig spielen werde. Wolfenstein 2: The New Colossus ist so ein Kandidat. Eigentlich die Art Shooter, die mir normalerweise viel zu brutal wäre, durch solide Dramaturgie und bissige Kritik an aktuellen Ereignissen aber trotzdem ganz gut gefällt. Da kann man auch über historische Fehler hinwegblicken. Ich spreche hier aber nicht von irgendwelchen Symbolen, sondern von offensichtlichen geografischen Fehlern. Jedes Kind weiß zum Beispiel, dass die Area 52 in Wien-Floridsdorf liegt, nicht östlich von Phoenix. (Ja, den werden einige nicht verstehen…)
Auch die virtuelle Realität kam kaum zum Zug, die (Mini-)Flut an AAA-Titeln Anfang Dezember machte aber zumindest Kurzausflüge nötig. Bethesda feuerte mit DOOM VFR und Fallout 4 VR nämlich zwei VR-Granaten in kurzer Folge ab, die sich auch durchaus sehen lassen können. DOOM VFR ist ein solider Ableger des bekannten Shooters und man merkt, dass sich die Entwickler so einiges überlegt haben, um die Vorteile von VR zu nutzen und gleichzeitig die Nachteile zu minimieren. Das hat Kollege Tom Steinbauer in seinem Test auch schön zusammengefasst. Für mich selbst ist das Ganze aber etwas zu hektisch und auf Dauer auch zu anstrengend.
Ich glaube man darf die Behauptung aufstellen, dass es jedem, der in Fallout 4 VR zum ersten Mal das Ödland betritt, kurz den Atem verschlagen wird. Die riesige Welt und die unzähligen Möglichkeiten sind wie geschaffen für VR. Trotzdem weiß ich nicht, ob ich mir den Titel nicht für die nächste Hardwaregeneration aufheben sollte. Mehr Auflösung und bessere (oder gar keine) Kabelanbindung würden das Spiel noch viel lebendiger machen. Außerdem muss man auch noch an Dingen wie der Fortbewegung arbeiten, bevor ich mir vorstellen kann einen Titel mit 50 Spielstunden oder mehr anzugehen.
Wenn man den Anschluss verliert
Dieses Jahr habe ich zum ersten Mal richtig gespürt, dass es jetzt doch schon vier Jahre sind, seit der consol.MEDIA-Verlag seine Pforten geschlossen hat und ich mich beruflich neu orientieren musste. Hobbymäßig und gelegentlich sogar nebenberuflich bin ich der Industrie zwar erhalten geblieben, aber „mittendrin“ bin ich jetzt schon länger nicht mehr.
Es sind viele Kleinigkeiten, an denen sich das langsam bemerkbar macht. War es früher eine Selbstverständlichkeit, dass ich zu fast jedem Titel Release-Datum, Publisher und zuständigen Pressekontakt wie aus der Pistole geschossen nennen konnte, haben inzwischen viele meiner früheren Kontakte ebenfalls neue Herausforderungen angenommen. In immer mehr Fällen kenne ich ihre Nachfolger bestenfalls noch namentlich. Und auch so manche – aus meiner Sicht – „plötzlich“ bevorstehende Veröffentlichung erwischt mich inzwischen gelegentlich komplett unvorbereitet. Was ich aber fast am meisten vermisse – und mir ist leider vollkommen klar, dass dies meinem Charakter nicht unbedingt schmeichelt – ist der Umstand, dass ich nicht mehr immer mitreden kann. Ich kenne nicht mehr wie früher „alle“ Titel, bekomme nicht mehr jede Neuankündigung mit und auch kleine und/oder große „Geheimnisse“ werden mir nicht mehr anvertraut. Schon der Jahres-, Monats- und Magazinplanung wegen *musste* ich zum Beispiel oft schon vor der ersten offiziellen Ankündigung wissen, dass Titel XY kommt. Auch war (und vermutlich ist) es gang und gäbe, dass man abseits der offiziellen Informationen noch das eine oder andere aufschnappt.
Dadurch fühlt man sich natürlich ein kleinwenig besonders, auch (oder gerade dann?), wenn man über manches davon nicht laut reden darf. Entgegen dem, was Verschwörungstheoretiker und Gamergater glauben, geschieht dies aber vorwiegend aus Gründen des Anstands, weil man seinen Lesern nichts spoilern will oder weil man hoffentlich über die möglichen Auswirkungen nachdenkt. Ein Beispiel: Mehr als ein Jahr vor der entsprechenden Ankündigung wusste ich aus gut informierter Quelle, dass in der PlayStation 4 eine AMD APU verbaut sein wird. Interessante Info, potenziell auch für den Leser, aber auch nicht wirklich weltbewegend. Der Ärger mit Sony wäre aber vorprogrammiert gewesen und in diesem Fall wäre eine Veröffentlichung daher nicht nur ein Vertrauensbruch gegenüber der Quelle gewesen, sondern hätte auch weitreichende Folgen haben können.
Dass ich heute weniger „weiß“ als früher, stimmt mich zwar gelegentlich etwas melancholisch, unterm Strich bin ich aber fast froh. Darüber nachdenken zu müssen WAS man WEM gegenüber WANN weiß bzw. wissen darf, konnte gelegentlich fast schon anstrengend werden…
Jahresurlaub
Zwei ganze Wochen Urlaub liegen jetzt vor mir und ich merke, dass ich ihn dringend nötig habe. Mein nicht mehr ganz so neuer Job bereitet mir viel Freude, ist aber nicht ohne Herausforderungen (was bei mir sowieso irgendwie zusammenhängt). Den Urlaub werde ich nutzen, um mich körperlich zu erholen und spielerisch nachzuholen. Vor allem meine VR Bibliothek habe ich aus Energiemangel komplett vernachlässigt. Wie ein Schneetiger habe ich mich beispielsweise auf The Talos Principle VR und The Gallery – Episode 2: Heart of the Emberstone gefreut, bis heute aber keinen der beiden Titel auch nur gestartet. Auch L.A. Noire: The VR Case Files könnte interessant sein, aber hier habe ich zumindest die Ausrede, dass der Titel gerade erst erschienen ist. Wie viel ich wirklich zum Spielen kommen werde, bleibt allerdings wie immer abzuwarten.
Ich wünsche euch auf jeden Fall erholsame Feiertage, guten Rutsch und ein erfolgreiches 2018!
Euer Onkel Tom