Dass sich unser Geschmack im Laufe unseres Lebens teils massiv ändert, fällt eigentlich jedem früher oder später auf. Das betrifft aber nicht nur den kulinarischen, sondern auch viele, viele andere „Geschmäcker“. Wie ich in meinem Fall in den letzten Jahren feststellen musste zum Beispiel auch den spielerischen. In manchen Bereichen ist und war es ein schleichender Prozess und ist bis heute nicht gleich auf den ersten Blick offensichtlich.
Die Genres, die ich (vermeintlich?) besonders „mag“, haben sich nämlich in über zwei Jahrzehnten eigentlich nicht geändert: Action-Adventures, Puzzler & Adventures waren und sind mein klassisches Beuteschema. Trotzdem muss ich feststellen, dass ich in den letzten Jahren kaum Adventures gespielt habe. Ich kann gar nicht sagen warum, denn immer noch lässt die Aussicht auf ein neues „richtiges“ Adventure meine Augen leuchten und mich Vorbesteller-Buttons drücken oder Kickstarter-Budgets auffüllen. Gleichzeitig lassen sich die Adventures, die ich in den letzten Jahren auch WIRKLICH gespielt habe, an einer Hand abzählen. Über die Zahl derer, die ich noch nicht einmal installiert habe, will ich gar nicht erst reden…
Brauch ich nicht, will ich nicht
Vielleicht hängt es mit einer zweiten, leichter zu identifizierenden Selbsterkenntnis zusammen: Ich bin weniger kompromissbereit, wenn es darum geht, ob mir es gefällt oder nicht. Geht mir spielerisch / moralisch / inhaltlich auch nur eine Kleinigkeit gegen den Strich, beeinflusst das meinen subjektiven Spielspaß um einiges stärker als früher. Das zumindest ist etwas, was ich leichter nachvollziehen kann, weil ich es aus anderen Bereichen schon seit Jahren von mir kenne. Beispiel Anime: Ich habe und hatte einige Bekannte und Freunde, die große Fans des japanischen Zeichentrick-Genres sind. Auch ich finde einige Titel ganz fantastisch und scheue auch nicht vor der Behauptung zurück, dass viele Filme und Serien absolut top sind und auch nichts Kindisches an sich haben. Aber einige Eigenheiten haben mich schon immer gestört und mich fast schon aktiv daran gehindert tiefer in diese durchaus faszinierende Sub-Kultur einzutauchen. Da wäre zum Beispiel die Geschichte mit dem „Fanservice“. Gerade in vielen Serien – die mir inhaltlich sonst gut gefallen hätten können – ist es leider oft ein Muss, dass die weiblichen Figuren regelmäßig in Unterwäsche herumlaufen oder der Kamerawinkel bewusst so gewählt wird, dass man ihnen unter die lächerlich kurzen Miniröcke spickt. Ist eine „kulturelle Eigenheit“ wurde mir erklärt und „das muss man halt ignorieren können“. Natürlich „kann“ ich es geistig zu einem gewissen Grad ausblenden – auch wenn es mir das früher sicher leichter gefallen ist. Heute frage ich mich darum viel eher, warum ich es ausblenden müssen soll, wenn ich doch einfach auch etwas anderes konsumieren kann?
Muss das wirklich sein?
Und das bringt uns zu Spielen, die ich heute weniger oder gar nicht mehr spielen mag. Übermäßige Sexualisierung ist hier allerdings weniger das Problem. Ich muss nämlich leider eingestehen, dass ich entsprechende „Mängel“ oft nur bemerke, wenn ich aktiv darüber nachdenke oder darauf hingewiesen werde – beim Spielen selbst fällt es mir nicht selten gar nicht auf. Natürlich, manchmal ist es fast schon schmerzlich offensichtlich (Dead or Alive Xtreme Beach Volleyball …), dass hier etwas schief läuft. Das heißt trotzdem nicht, dass ich JEDE Kritik nachvollziehen kann, ich finde die Diskussion über das Thema aber sehr, sehr wichtig und auch dringend nötig. Gelegentlich liege ich nämlich auch komplett daneben. Interessant finde ich zum Beispiel, dass das hochgelobte Bayonetta für scheinbar viele NICHT sexistisch ist, während es mir auf einer ganz persönlichen, nicht quantifizierbaren und vor allem nicht repräsentativen Ebene doch ein paar Schritte zu weit geht. Vielleicht bin ich einfach zu prüde, keine Ahnung.
Viel niedriger als früher liegt meine Toleranzschwelle aber vor allem dann, wenn es um Gewalt geht. Hat es mich noch vor zehn Jahren nicht wirklich gekümmert, wenn sich Gegner in Pixelblutwolken auflösen und ihre digitalen Eingeweide durch die Gegend spritzen, denke ich mir heute oft: „Muss das wirklich sein?“. Es ist auch meistens nicht die grafische Gewalt alleine, sondern auch ihr Kontext. In flotten Team-Shootern sich gegenseitig abballern ist für mich ein harmloses Spaß, ich vergieße keine Träne ob pulverisierter Horden generischer Terroristen-Nazi-Alien-Zombies und auch Dämonen aus dem siebten Kreis der Hölle dürfen ruhig auf meiner Schwertspitze landen. Wenn sehr persönlicher und kalkulierter Mord allerdings zum „harmlosen“ Spielelement wird, beginnt sich in mir Widerstand zu regen. Deutlich wurde es mir mal wieder als ich – ich konnte mich des Hypes nicht erwehren und irgendwie will man ja auch in meinem Alter noch „mitreden können“ – dem PC-Release von GTA V eine Chance gab. Persönlich bin ich ja eigentlich schon seit GTA III nicht mehr dabei. Ich verneige mich vor der technischen Meisterleistung und kann objektiv die unglaublichen Möglichkeiten bewundern, aber vor allem die Hauptdarsteller und ihr Handeln waren mir stets extrem unsympathisch. Mir ist schon bewusst, dass dies durchaus gewollt ist, dass hier Gesellschaftskritik geübt wird, vieles nur Satire und sowieso alles nur ein Spiel ist. Aber für mich bleibt immer ein schaler Beigeschmack – vor allem, wenn Mord und Totschlag trivialisiert werden. Im aktuellen Teil wurde mir das schon im Prolog wieder extrem bewusst: In diesem Tutorial-Ersatz rauben Trevor und Michael ja bekanntlich ein Gelddepot aus, doch Michael wird von einer Wache erwischt und dient dieser als menschliches Schutzschild. Jetzt liegt es an Trevor Michael zu „retten“. Ich alter Gutmensch, der in GTA wohl nichts verloren hat, wollte die Wache verschonen und probierte es mit einem Schulterschuss. Doch weit gefehlt, diese Zimperlichkeit wurde vom Spiel sofort mit einem „Game Over“-Screen bestraft. Also ein gezielter Kopfschuss … und genau so muss es (laut Spiel) auch sein! Ich erwarte von niemandem, dass er oder sie das versteht, aber dieser Kopfschuss hat für mich einfach eine Linie überschritten, die ich heutzutage nicht mehr so bedenkenlos überschreite wie früher. Darum werden GTA V und ich wohl ebenfalls keine richtigen Freunde werden – egal wie fantastisch das Spiel an sich sein mag.
Zeldalinchen
Aber ich drohe es schon wieder zu tun: viel Geschwafel und bisher wenig Spiele. Tatsächlich hatte ich im vergangenen Monat nicht viel Zeit und mir lief auch kein wirkliches Highlight über die Festplatte. Das schon im letzten Monat empfohlene Ori and the Blind Forest habe ich durchgespielt, ansonsten kann ich diesmal allerdings bestenfalls mit Füllmaterial aufwarten. Meine persönliche Erfahrung mit Oceanhorn: Monster of Uncharted Seas blieb zum Beispiel weit hinter meinen Erwartungen zurück. Der PC-Port des hochgelobten Tablet-Blockbusters macht nichts falsch und kann wirklich als (abgespeckte) Zelda-Alternative herhalten – mehr aber auch nicht. Am Tablet ist das Spiel sicher etwas ganz besonderes und ausgehungerte Hyrule-Fans können ihn sicher als Snack nutzen, bis dann irgendwann nächstes Jahr das neue Zelda kommt. Ich für meinen Teil halte es aber so: Wenn ich mal irgendwann wieder Lust auf Zelda bekomme, dann spiele ich auch Zelda – wenn auch nicht auf meinem PC.
Abgefackelt
Bei Burnstar sprang der Funke schon mehr über. Stellt euch einfach Bomberman als Singleplayer- bzw. Koop-Puzzler vor: Eine begrenzte Anzahl Bomben muss so platziert werden, dass Kisten verbrannt und Sterne freigelegt werden. Dabei muss man berücksichtigen, dass manche Kisten (unterschiedlich stark) explodieren und größere Kisten benachbarte kleine Kisten in Brand stecken, aber nicht umgekehrt. So muss man sich nach und nach immer komplexere und parallel laufende Explosionsfolgen überlegen – und dabei auch noch Acht geben, dass man nicht selbst in einer davon draufgeht. Klassischen Multiplayer gibt es zwar (noch?) keinen, aber die Entwickler denken angeblich darüber nach. Wird wohl auch vom Verkaufserfolg abhängen …
Peng, du bist tot
Ein zumindest ungewöhnlicher Titel rutschte mir quasi noch in letzter Minute in die heutige Kolumne: Westerado: Double Barreled könnte klischee-geladener nicht sein: Der Wilde Westen; Bandit ermordet Familie, verbrennt die Farm; der überlebende jüngste Sohn schwört bittere Rache. Das ganze ist aber nett verpackt, denn der Mörder unserer Familie ist nicht leicht gefunden, erst nach und nach sammeln wir Hinweise über sein Aussehen. Beschuldigen (oder gleich erschießen) kann man aber von Anfang an fast jede Spielfigur in der offenen Spielwelt … allerdings auch mit den entsprechenden Konsequenzen! Paart man das noch mit einem „interessant umständlichen“ Schießsystem – Pistolenhahn und Abzug werden mit verschiedenen Tasten bedient und Kugeln fliegen ausschließlich horizontal – hat man schon mal ein ungewöhnliches Spiel. Ob „ungewöhnlich gut“ oder einfach nur „ungewöhnlich“ (und vielleicht nicht gut) muss ich allerdings noch herausfinden. Den Stil der Pixelgrafik finde ich auf jeden Fall charmant!
Nächsten Monat erzähle ich euch, was mich von jetzt, bis Mitte Mai so alles beschäftigt haben wird. Danach nimmt sich Onkel Tom allerdings eine Auszeit und wird sich erst wieder im August mit einer Kolumne zu Wort melden. Erstens erwartet uns das traditionelle Sommerloch mit (weniger) Neuerscheinungen und zweitens sollte ich mich auf meine Diplomarbeit konzentrieren – die ist nämlich bis September fällig. Bis dahin müsst ihr aber trotzdem nicht ganz ohne mich auskommen: Wenn alles klappt, werde ich Arkham Knight für Gamers.at rezensieren dürfen. Aber jetzt erst einmal: Bis nächsten Monat!
Euer Onkel Tom
Links des Monats
Burnstar
http://store.steampowered.com/app/318480/
Oceanhorn: Monster of Uncharted Seas
http://store.steampowered.com/app/339200/
Westerado: Double Barreled
http://store.steampowered.com/app/275200/