Das alte Paradoxon der Zeitwahrnehmung: Gefühlt war der knapp dreiwöchige Urlaub maximal ein paar Tage lang und seither müssen doch schon mindestens ein paar Monate vergangen sein. Beides stimmt (leider) nicht, aber es ist zumindest einiges weiter gegangen und manches sogar fertig geworden.
„Kein Plan überlebt die erste Feindberührung.“ oder so ähnlich soll Napoleon oder von Clausewitz gesagt haben. Tatsächlich – so lehrte mich Wikipedia gerade eben – wird die Aussage aber Helmuth Karl Bernhard von Moltke zugeschrieben, einem mir dato unbekannten preußischen Generalfeldmarschall. Wer immer es gesagt hat, der Mann hatte recht, auch wenn es in meinem Fall um weniger martialische Themen geht.
So schön hatte ich mir nämlich meinen Urlaub eingeteilt: eine Woche Entspannung & Erholung, eine Woche Zimmer-Renovierung. Und zum großen Finale drei Tage Kurzurlaub in der Steiermark und mal wieder auf der Uni in Krems vorbeischauen. Spoiler vorab: Pustekuchen, der Plan war schnell für die Fische.
Schon in der Woche vor meinem Urlaub zeichnete sich ab, dass einige Sachen wohl doch nicht wie geplant fertig werden würden. Eine entsprechende Projektübergabe an die Kollegen war nicht in allen Fällen möglich / sinnvoll. So wurden in Woche Eins noch einige Mails geschrieben und noch mehr Telefonate getätigt. Aber ist schon ok, unterm Strich war sie trotzdem erholsam. Für Woche Zwei stand dann eine Generalüberholung eines Zimmers an: Aus einem ehemaligen Schlafzimmer, dann Abstellraum sollte nach fast zwei Jahren der Planung endlich ein Esszimmer werden. Kurz gesagt: Tapete & Teppich entfernen, Fenster neu verschalen, spachteln, malen & noch mal malen dauerte dann doch länger, als gedacht. Plötzlich war Woche Zwei schon wieder um – aber von Fußboden und Möbeln noch keine Spur.
Zumindest Woche 3 begann gut mit drei sehr erholsamen Tagen in der Nähe von Obdach. Im Ferienhaus von Freunden wurden Brettspiele gespielt, über das Leben philosophiert und das Eigengewicht in allerlei ungesunden Dingen gegessen und getrunken. Und das ganze (fast) ohne Elektronik, denn nur die Switch Konsole (und Octopath Traveler, aber ich will den Review der Kollegin nicht spoilern) durfte mitkommen. Wieder zurück zuhause kam ich wieder einmal einem Bildungsauftrag in Krems nach – nette & interessierte StudentInnen, was will man mehr. Gleichzeitig war mir aber klar, dass ich mit dem Zimmer fertig werden muss. Daher am letzten Wochenende in Freiheit dann doch noch einmal den Nachbrenner angeworfen und in zwei Tagen Laminatboden verlegt, – geschätzt – 238 IKEA Kartons zu Möbeln verschraubt und Elektriker gespielt. Alles fertig, Onkel Tom auch fertig, und zwar fix und fertig. Und dann begann meine erste Arbeitswoche nach meinem LANGEN und ERHOLSAMEN Urlaub, wie meine Kollegen bemüht waren ständig zu betonen…
Man muss die Zeit finden
Trotz Urlaubs also gut ausgelastet, war es zum Glück trotzdem nicht so, dass ich gar keine (Frei)zeit für mich gefunden habe. Das schon in der letzten Kolumne löblich erwähnte God of War wurde erfolgreich abgeschlossen, auch wenn mich das serien-atypische relativ „ruhige“ Ende fast überraschte. Auch neben Wolfenstein II kann nach langer Zeit endlich ein Häkchen gemacht werden. Mein eigentlicher Urlaubs-Plan, mich mit VIVE-Unterstützung in VR-Welten zu verlieren, trug hingegen keine Früchte. Ich war einfach meistens zu geschafft, um zum Beispiel im eigentlich sehnsüchtig erwarteten Budget Cuts herumzuturnen. Das deutlich gemächlichere – da für Seated VR konzipierte – Psychonauts in the Rhombus of Ruin war da schon eine andere Geschichte. Das kleine VR-Adventure knüpft direkt an den Vorgänger an. Unser Held & frisch gebackener Psychonaut Raz, seine Freundin (oder doch nicht?) Lili so wie die erfahrenen Psychonaut-Agenten Sasha, Milla und Coach Oleander machen sich auf, um Truman Zannotto, Chef der Psychonauts (und Lilis Vater), zu befreien. Dabei läuft allerdings etwas schief und kurze Zeit später findet sich Raz ebenfalls in Gefangenschaft. Auf einem Stuhl fixiert (geschickte Begründung, warum man sich nicht bewegen kann) müssen wir allein mit unseren psychischen Kräften unsere Freunde und uns selbst befreien und den unbekannten Schurken entkommen. Fans von Tim Schaffer & den Psychonauts kommen auf jeden Fall auf Ihre Kosten.
Hottehü und Zauberstab
Im Freundeskreis, und inzwischen sogar im beruflichen Umfeld, wird auch immer noch versucht, mich zu einem Battle Royale-Spieler zu machen. PUBG war nie etwas für mich, mein leichter Frust über die Entwicklungsrichtung von Fortnite ist ebenfalls kein Geheimnis. Realm Royale war der nächste Versuch der BR-Fraktion, mich doch endlich zu bekehren. Die Gameplay-Grundformel ist bekannt. Auf Bauen wird verzichtet, dafür gibt es Klassen, Spezialfähigkeiten und ein Fantasy-Setting. Loot gibt es aus Truhen und natürlich von Gegnern. Praktisch ist, dass nicht benötigtes Loot „recycelt“ werden kann und man daraus in – entsprechend umkämpften – Schmieden besseres Equipment für den eigenen Charakter basteln darf. Außerdem kann man jederzeit ein Pferdchen aus der Tasche zaubern, mit dem größere Strecken schneller überwunden werden können. Keine Frage, es kann schon SEHR unterhaltsam sein, mit Freunden im Squad zu spielen. Aber es bleibt leider dabei: Ich bin nicht gut genug und nicht motiviert genug, um meine kostbare Freizeit in solche Titel zu stecken. Aber vielleicht klappt es ja bei Battle Royale-Klon Nr. 47, der rein rechnerisch in den nächsten 2-3 Monaten erscheinen sollte…
Henk, bist du das?
Wenn kindliche Fantasie das Wohnzimmer zur Spielwiese erklärt, werden Action-Figuren zu Superhelden, die Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt und der Fußboden kann sogar zu tödlicher Lava werden. Jetzt noch möglich schnell durchwetzen und einen neuen Rekord aufstellen … Déjà-vu? Tatsächlich schreibe ich nicht über Action Henk, ein ähnlich situiertes und unterhaltsames Rennspiel, das ich schon vor längerer Zeit absolut empfehlen durfte. Klei Entertainment hat die Grundidee nämlich aufgegriffen und heimlich still und leise ein neues Spiel daraus gemacht. Unter dem Titel Hot Lava hat man der Grundidee eine dritte Dimensions verpasst und spielt außerdem aus der Ego-Perspektive. Der Titel ist derzeit als „Open Beta“-Version erhältlich, das Schildchen Early Access wollte man sich nicht umhängen, um keine falschen Erwartungen zu erzeugen. Ganz verstehe ich den vermeintlichen Unterschied nicht, aber der Titel ist auf jeden Fall unterhaltsam und macht Lust auf mehr – vor allem, wenn man den Streckenrekord eines Freundes vernichten kann.
Wenn ich groß bin, werde ich ein Portal
Wenn Computerspiele Menschen wären, würde The Spectrum Retreat vielleicht so oder so ähnlich denken. Gleichzeitig ist es unfair diesem ambitionierten und stellenweise wirklich guten Puzzler mit dem Genre-Primus zu vergleichen. Aber alles der Reihe nach. Als Spieler erwachen wir in einem von Robotern geführten Hotel. Die Androiden sind freundlich und zuvorkommend, doch ihre aalglatte Art erzeugt von Anfang an leichtes Unbehagen. Erst so langsam wird uns klar, dass unsere Sorgen berechtigt sind, denn immer wieder werden – für sich genommen durchaus vernünftige – Gründe gefunden, warum wir den Lift nicht benutzen oder das Hotel nicht verlassen können. Hinter den Wänden der perfekten Hotelwelt entdecken wir dann die zweite Ebene der Spielwelt: Sterile Techniktunnel, in denen mittels der richtigen Kombination von farblichen Autorisierungen bewiesen werden soll, dass wir berechtigt (oder würdig?) sind, das Hotel zu verlassen. Was man bei Story und Atmosphäre großartig macht, wird durch etwas repetitives und oft zu einfaches Puzzledesign leicht beschädigt. Hinzu kommt der – vermutlich nicht ganz unbegründete – Verdacht, dass man durch stellenweise absurd langsame Fortbewegung und mehrfache Wiederholung bestimmter Abläufe eine längere Gesamtspielzeit erzwingen wollte. Wäre eigentlich nicht nötig gewesen, der Titel wäre auch so solide genug gewesen, wenn man auf solche Spiele steht.
September is coming
An dieser Stelle habe ich die obligatorischen und generischen Ausreden einzufüllen, warum ich nicht versprechen kann/mag, wann die nächste Kolumne kommt. Aus aktueller Sicht ist der (manchmal ungefähr eingehaltene) Monatsrhythmus nicht ganz unrealistisch, aber man (ich) weiß fast nie, was noch kommen könnte. Anschließend kommt dann sowieso der September. Und von dem weiß ich jetzt schon mehr, als mir lieb ist. Ein ehemaliger consol.MEDIA-Kollege hätte zu dem dann anstehenden Terminkalender gesagt „Wie werden alle sterben.“ Ich hoffe mal das Beste…
Bis zum nächsten Mal
Euer Onkel Tom