Tim Schafer ist für viele eine Videospielikone und auch ich bin ein großer Fan der meisten seiner Werke. Im Gegensatz zu vielen anderen sehe ich ihn aber trotzdem noch als ganz normalen Menschen und als solcher kann, darf und soll er Fehler machen dürfen. Obwohl auch ich mit einigen Entscheidungen und Vorkommnissen rund um seine Person, aber vor allem seinem Studio Double Fine, alles andere als glücklich oder zufrieden bin, verstehe ich nicht, wie manche Leute sich derzeit aufführen. Für alle Uneingeweihten die Kurzusammenfassung der beiden (Haupt)probleme: Die meisten wissen vermutlich, dass Double Fine mit dem Kickstarter von Broken Age zu den Firmen gehörte, die Crowd Funding zum Massenphänomen machten. Mehr als drei Millionen Dollar wurden von Fans gesammelt, um endlich mal wieder ein „ordentliches“ Adventure zu bekommen. Allerdings wurde der Release mehrfach verschoben, weil man nicht und nicht fertig wurde, der Titel selbst in zwei Teile gespalten und auf die Fortsetzung wartet man bis heute. Zweiter Fauxpas: Spacebase DF-9. Die Idee zu dem Weltraumstation-Simulator entstand während des firmeninternen Game Jams „Amnesia Fortnight“. Aufgrund guten Feedbacks wurde der Titel weiterentwickelt, (mit)finanziert durch das Early Access-Programm von Steam. Das Problem: Scheinbar blieb der Vorverkauf weit hinter den Erwartungen zurück und vor Kurzem wurde bekannt, dass das nächste Update das letze mit neuen Spielinhalten sein würde. Folge: S**t-Storm der Community. Jetzt kann man trefflich streiten, ob angekündigte, aber noch fehlende Features „versprochen“ oder doch nur „geplant“ waren. Darum geht es aber gar nicht. Verstehe ich die Enttäuschung der Leute, dass ein Spiel nicht das ist/wird, was sie sich erwartet hatten? Bin ich inzwischen auch der Meinung, dass Double Fine nicht besonders gut in Dingen wie Budget- und Zeit-Planung ist? Natürlich! Aber genau das sind die Risiken, die man mit Early Access und teilweise auch Kickstarter in Kauf nimmt!
Vielleicht ist es wirklich ein Hauptproblem, dass sich die meisten Leute immer noch Illusionen machen, was professionelle Videospielentwicklung kostet. Drei Millionen klingt nach viel Geld, muss man allerdings Steuern, Personal, Miete und, und, und davon zahlen, reicht es bestenfalls für ein kleines Projekt. Dafür ist der erste Teil von Broken Age ein wunderschönes Spiel und wäre auch von der Länge bereits mehr als ausreichend. Trotzdem bekommt man noch einen zweiten Teil. Bei Spacebase DF-9 hatten/haben die Entwickler rein rechtlich sogar noch weniger Verpflichtungen. Early Access warnt ausdrücklich davor: Man bezahlt für den AKTUELLEN Entwicklungsstand des Produkts, nicht mehr und nicht weniger. Natürlich soll das nicht heißen, dass man sich nicht ärgern darf, weil eben noch viel mehr Funktionen geplant waren. Aber man muss das ganze auch realistisch sehen: Wenn ich als Geschäftstreibender Geld in etwas investiere und es offensichtlich wird, dass ich damit Verlust mache, bzw. machen werde, dann muss ich als verantwortungsbewusste Person/Firma die Gehälter und Mieten zahlen muss NATÜRLICH möglichst bald die Reißleine ziehen. Ich kann und will natürlich niemandem vorschreiben, wie er über diese Angelegenheit zu denken, oder zu fühlen hat, aber erlaube mir doch die Bitte: Kurz durchatmen, vielleicht auch einmal die Probleme der anderen Seite bedenken und erst dann den Rage-Hammer auspacken!
Zu schön, um wahr zu sein
Zu erfreulicheren Dingen: Kurz nachdem ich die Zeilen des letzten Monats fertiggetippt hatte, erschien mit The Vanishing of Ethan Carter ein Titel, dessen Existenz ich fast vergessen hatte. In den letzten Tagen des Redaktionsbetriebs der alten Gamers-Zeitschriften hatte ich das Spiel noch auf dem Schirm und wollte eigentlich in der Ausgabe, die nie mehr gewesen ist, eine Vorschau dazu schreiben (vielleicht auch schreiben lassen). Fast ein Jahr später stand der Titel dann aber (für mich) plötzlich auf der Veröffentlichungsliste von Steam. Die Details des Titels hatte ich längst vergessen, aber Trailer und Kurzzusammenfassung, aber auch erste Meinungen ließen mich Gutes hoffen. Da war es auch kein Hindernis, dass mich kein „Walking Simulator“ – so sehr es schmerzt, keine andere Genre-Bezeichnung passt – bisher begeistern konnte. Anders Ethan Carter: Nachdem ich mich einmal daran gewöhnt hatte, dass ich nicht wie aufgeladen durch die Gegend wetze und auch Bunnyhoping nicht zum Bewegungsrepertoire gehört stellte sich fast so etwas wie Entspannung ein. Ich ließ Landschaft, Story und Musik einfach auf mich wirken. Über die Story möchte ich kein Wort verlieren, aber um es kurz zu machen: Ich war begeistert. Die tolle Grafik und packende Atmosphäre runden das Spiel bestenfalls ab und für den Titel kann es von mir nur zwei Daumen plus zwei Zehen nach oben geben.
Batassin Creed: Mittelerde
Gerade im Spielebereich eine neue große Marke zu etablieren wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Natürlich, gelegentlich gibt es einen Überraschungshit, aber meistens zahlen sich Investitionen in etwas wirklich Neues nur dann aus, wenn man die finanziellen Mittel hat, um a) die Werbetrommel mächtig zu rühren und b) die Zeit bis zum zweiten Teil zu überbrücken, weil dann kann man frühestens mit ordentlichen Gewinnspannen rechnen. Bei Middle-Earth: Shadow of Mordor haben Warner Monolith darum einen geschickten Mittelweg gewählt. Man nehme einfach die einem Millionenpublikum aus „Herr der Ringe“ bekannte Welt von Mittelerde, entferne sich aber schön weit von der bekannten Haupthandlung und schon hat man die kreative Freiheit so ziemlich alles zu tun, was man möchte. Dazu ein paar gut „ausgeborgte“ Konzepte – die Parcours-artige Fortbewegung von Assassin’s Creed und das flüssige Kampfsystem von Batmans Arkham-Abenteuern – ein paar frische eigene Ideen (Nemesis-System) und fertig ist ein grundsolide „neue“ Marke die schon viel begeistern konnte. Auch mir gefällt Shadow of Mordor sehr gut, aber auch nicht mehr. Nach intensiven zehn Spielstunden habe ich jetzt einmal eine längere Spielpause eingelegt, es kommt einfach zu schnell Neues nach. Ich werde den Titel aber ziemlich sicher vor Jahresende noch einen Besuch abstatten, und habe auch vor ihn zu beenden.
Im Weltall hört dich zumindest der Nachbar schreien
Zwei wichtige Dinge, die ich vorweg erwähnen sollte: 1.) Ich spiele keine Horror-Spiele. 2.) siehe 1.). Darum kann ich mir zwei weitere Dinge eigentlich nicht erklären: Warum ich mir für diesen Monat Alien: Isolation auf meine „To Play“-Liste gesetzt habe und nächsten Monat mit The Evil Within noch einen nachlegen werde. Gut, eine Sache hat vielleicht eine Rolle gespielt: perverse Neugier. Selbst die Alien-Filme habe ich nur teilweise und kaum am Stück gesehen, denn auch was Filme betrifft, bin ich alles andere als ein Horror-Fan. Die Hintergrundgeschichte kenne ich trotzdem soweit ganz gut, obwohl ich auch die Spiele immer von anderen habe testen lassen. Warum auch nicht, schließlich war nie meine Art Spiel dabei und das Schlussfazit lautete sowieso immer „mittelmäßig bis wirklich schlecht“. Man stelle sich also meine Überraschung vor, als es da plötzlich hieß: Alien: Isolation ist ein gutes Alien-Spiel geworden! Nein sogar ein gutes SPIEL, also nicht nur gut für ein Alien-Spiel, sondern GUT GUT! Da regte sich dann doch eine gewisse – für mich persönlich aber wie gesagt eigentlich trotzdem leicht perverse – Neugier in mir. Ein Moment der Schwäche, ein paar Klicks in Steam und es war zu spät: Ich musste mich nach Jahren wieder mit einem waschechten Horror-Game auseinandersetzen. Die Erfahrung war insgesamt … interessant. Zuerst einmal objektiv: Ja, Isolation ist ein gutes Spiel. Ähnlich wie oben fällt es für mich persönlich zwar nicht in die Kategorie „Großartig“, aber ich muss meinen Hut vor den Entwicklern ziehen, die grafisch, (sound)technisch, spielerisch usw. erstklassige Arbeit geleistet haben. Ich kann sogar teilweise die Begeisterung vieler „echter“ Alien-Fans teilen, weil man gekonnt die Retro-Science-Fiction-Optik des Original-Films übernahm. 1979, das Produktionsjahr des ersten Alien-Films, ist halt schon ein wenig her. Damals schien es noch ganz logisch, dass auch die Raumschiffe der Zukunft mit monochromatischen Röhrenmonitoren auskommen und Kameras bei großer Entfernung nur ein verschwommenes, farbarmes Bild liefern. Insgesamt habe ich es mir aber vor allem den Horror-Faktor schlimmer vorgestellt, als er war. Gut, ein paar Herzschläge hat mein Herz bei den bisherigen Begegnungen mit dem Alien schon ausgesetzt, seit meinem letzten virtuellen Ableben habe ich Albträume von rot leuchtenden Androidenaugen und beim Anblick von Lüftungsschächten breche ich neuerdings spontan in Schweiß aus aber … MIR GEHT ES GUT!!
Bis nächsten Monat, euer Onkel Tom
Links des Monats:
The Vanishing of Ethan Carter (25.09.2014)
http://store.steampowered.com/app/258520/
Middle-Earth: Shadow of Mordor (30.09.2014)
http://store.steampowered.com/app/241930/
Alien: Isolation (07.10.2014)
http://store.steampowered.com/app/214490/