ONKEL TOMS SPIELEECKE #9: NOVEMBER

Ich bin von Natur aus eher ein Skeptiker, ein Pessimist und neige zu kritisieren – übrigens die häufigsten Erkennungsmerkmale der meisten Journalisten. Aber selbst mir wird das immer extremere Gejammer vieler Spieler langsam zuviel: früher war alles besser, die Entwickler sind alle unfähig,  jeder DLC ist Abzocke und technische Probleme bei der Veröffentlichung sollten als Kapitalverbrechen geahndet werden. Und wenn jemand für eine Leistung, die Monate oder sogar Jahre seines Lebens verschlungen hat, mehr als 79 Cent verlangt, ist das sowieso Betrug im großen Stil. Bevor sich jetzt wirklich jeder Leser dieser Zeilen beleidigt fühlt – ich will nämlich nicht jeden, sondern nur viele kritisieren – eine Klarstellung: Ja, manchmal ist es frech, was einem als fertiges Produkt geboten wird, mancher DLC riecht nach dreister Gewinnmaximierung und wenn die Multiplayer-Server nach Wochen immer noch nicht stabil laufen, wurde irgendwo ganz ordentlich geschlampt. Aber noch ist das die Ausnahme, nicht die Regel, auch wenn ein Blick in viele Foren- und Social Media-Kanäle ein anderes Gefühl vermitteln will. Wie so oft, es wird fast schon zum roten Faden in meinen Kolumnen, möchte ich um Mäßigung und Verhältnismäßigkeit bitten. Kritik ist gut, Kritik ist wichtig und unbedingt auch erlaubt und sinnvoll. Aber es gibt „Kritik“ und es gibt „sinnlose Schimpftiraden“. Ich will noch nicht einmal unterscheiden, ob eine bestimmte Kritik gerechtfertigt ist oder nicht, denn ob es das eine oder das andere ist, liegt meist im Auge des Betrachters.

Sich seinen Frust von der Seele zu schreiben kann helfen, wenn man sich einmal wirklich ärgert; keine Frage. Aber vielleicht wäre es manchmal ja nicht schlecht, anschließend einen geistigen Schritt zurückmachen und sich überlegen, welchen Zweck man mit seinem Text verfolgt: Will/Verlange ich eigentlich Verbesserung? Oder will ich tatsächlich nur beleidigen und verletzen? Nehmen wir sogar an, der Kritisierte ist wirklich zu hundert Prozent schuld an der beschriebenen Misere. Könnte ich an seiner Stelle – denn JEDEM passieren Fehler – mit diesem Feedback arbeiten oder würde ich mir, eigener Fehler hin oder her, im Extremfall vielleicht sogar denken: „Ach rutsch mir doch den Buckel runter“? Zum Glück für die meisten Kritiker „darf“ ein kommerzieller Anbieter nicht so denken, aber auch dort arbeiten „nur“ Menschen. Wie immer kann, will und darf ich aber natürlich niemandem vorschreiben, was er/sie zu tun oder zu lassen hat. Aber wenn mehr Internetnutzer kurz noch einmal nachdenken würden, bevor sie auf den „Senden“-Knopf drücken – und das gilt nicht nur für Kritik – wäre unsere Welt sehr schnell ein besserer Ort, davon bin ich überzeugt.

15 < 18

Resident Evil war das erste Spiel, bei dem ich mich so richtig gefürchtet habe … ja, die Versuchung der damals eigentlich noch verbotenen „18+ Früchte“. Resident Evil war aber eigentlich auch das letzte Spiel, bei dem ich mich so richtig gefürchtet habe. Einerseits bin ich älter und vielleicht auch „härter“ geworden, andererseits habe ich seither kaum Horrorspiele gespielt. Ein jahrelanger Trend, mit dem ich innerhalb der letzten Monate gleich zweimal gebrochen habe. Vor ein paar Wochen war es – wie in meiner letzten Kolumne zu lesen –  Alien: Isolation, gefolgt von Evil Within in diesem Monat. Als für mich tendenziell uninteressantes Horrorspiel hatte ich mich im Vorfeld kaum mit dem Titel auseinandergesetzt. Rund um den Release hatte ich dann aber viel Gutes über das Spiel gehört und dann war da auch noch der Name des Creative Directors: Shinji Mikami. Ich bin ja prinzipiell absolutes Anti-Fanboy-Material. Egal ob Schauspieler, Autor oder eben Spielemacher, nur weil ein bekannter Name auf einem Produkt steht, heißt das noch lange nicht, dass ich blindlings zugreife. Aber wie gesagt, ich habe eine Vorgeschichte mit Resident Evil und da war das Wissen, dass das ursprüngliche Mastermind hinter der Serie seine Finger im Spiel hatte, doch ein Zünglein an der Waage. Unserem Test (https://www.gamers.at/pc/evil-within-test-6894) kann ich aber eigentlich nicht viel hinzufügen: Ein gutes Spiel, mit spannender Story, das mich noch einige Zeit beschäftigen wird. Meinen Nerven zuliebe spiele ich es nämlich in Etappen, mit langen Pausen dazwischen …

Zwei andere Titel hätte ich diesen Monat vollkommen ignoriert, wenn ein Freund sie mir nicht empfohlen hätte. Der erste Titel war für mich persönlich trotzdem ein kompletter Reinfall. Der zweite hat das aber wieder mehr als wettgemacht – aber alles der Reihe nach. Masochismus in Reinkultur kennen Videospieler auch noch unter einem anderen Namen: Dark Souls. Ich kenne viele Leute, die das Spiel bzw. die Reihe gerade wegen des extremen Schwierigkeitsgrades lieben. Ich selbst habe es gerade deswegen gemieden. Ich habe nichts gegen eine Herausforderung, aber ich bevorzuge jene der geistigen Art. Außerdem ist mir Story extrem wichtig. Trotzdem, als mir Lords of the Fallen als einsteigerfreundliche(re) Variante der Dark Souls-Idee angepriesen wurde, wollte ich dem Titel und damit quasi auch dem „Masochismus-Genre“ eine Chance geben. Fazit nach knapp zwei Stunden und etlichen Neustarts: Ich und das Spiel (und das Genre) werden wohl keine Freude mehr. Objektiv will ich gar nicht bestreiten, dass es durchaus konsequent einer Idee folgt und im Gegensatz zu vielen anderen hatte ich auch keine technischen Probleme zu beklagen. Es ist noch nicht einmal der Schwierigkeitsgrad, der durchaus bewältigbar ist. Mir ist das Spiel einfach zu … langsam. Ich kann es leider nicht anders beschreiben, aber wenn man um jeden einzelnen Gegner minutenlang herumtänzelt, bis sich dann endlich eine Minilücke in seiner Verteidigung auftut, diagnostiziert mein Spielerhirn schnell Zähigkeit. Eigentlich fast verwunderlich, weil ich wirklich schnellen Spielen – Stichwort Sonic und die meisten Beat’em’ups – noch weniger abgewinnen kann.

Ich hätte meinem Bekannten die „unnötige“ Anschaffung von Lords of the Fallen vielleicht sogar ein ganz klein wenig übel genommen, wenn er nicht a) bei dem Titel genauso eingefahren wäre wie ich und b) mir mit Action Henk einen wirklichen Geheimtipp beschert hätte. Als Actionfigur, die ihre besten Zeiten längst hinter sich hat, ist unser Protagonist Henk nur mehr Held des Kinderzimmers in dem er zuhause ist. Von unsichtbarer Hand geführt (damit sind natürlich wir gemeint) verbringt er seine Tage mit nervenaufreibenden Wettrennen durch anspruchsvolle Hindernisparkours: Bauklötze entlang, am Allerwertesten rutschend (der wichtigstes Move überhaupt!) eine Darda-Sprungschanze (Geburtsjahre 1985+: siehe Google)  hinunter und durch die Luft in den nächsten Looping segeln. Aber bloß nicht am Boden landen, denn der besteht, kindlicher Fantasie sei Dank, natürlich aus Lava! Dabei ist man stets auf der Jagd nach den Sekunden, später sogar Hundertsteln, die andere Spieler schneller sind … Kurzum: Seit Bleifuss Fun und SSX Tricky hatte ich nicht mehr so viel Spaß mit einem Rennspiel. Ich weiß, „Early Access“ ist inzwischen für viele ein rotes Tuch, aber Action Henk ist in meinen Augen jetzt schon jeden Euro wert.

Ich war und bin zwar immer vornehmlich PC-Spieler gewesen, aber die wichtigen Handhelds und Konsolen besitze ich trotzdem und habe auch viel auf ihnen gespielt. Nur die aktuellste Konsolengeneration – also PS4 und Xbox One – lässt mich irgendwie vollkommen kalt. Ich sehe einfach bislang null Vorteile in einer Anschaffung, das Angebot ist zwar einerseits komplett überladen, aber für mich wirklich interessantes orte ich nirgends. Besonders auf der Xbone (ich liebe die Bezeichnung) sieht es unglaublich traurig aus. Eigentlich alle „Exklusivtitel“ gibt es längst auch für PC und für die ganze Multimedia-Funktionalität – sofern sie bei uns überhaupt unterstützt wird – habe ich absolut null Verwendung. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal bewusst ferngesehen habe und die Pseudo-Dokus mit Schauspielern und Kulissen vom Sperrmüll werden durch das Anschließen an eine Konsole sicher nicht besser. Aber ich weiche vom Thema ab. Das Stichwort war ehemalige Xbone-Exclusives: Das Zombiegemetzel Dead Rising 3 habe ich mir ja schon vor einiger Zeit zu Gemüte geführt und (mit einem S-Ranking) abgeschlossen – ja, auch ich habe heimliche Laster. Überraschend und relativ kurzfristig hat aber auch Crytek seine Römer-Action Ryse: Son of Rome auf den PC portiert. Kolportiert als aktuelle Grafik-Referenz habe ich mir den Titel natürlich fast ansehen *müssen*. Zwei Worte kommen zu Ryse in den Sinn: „hübsch“ und „blutig“ und man kann sie sogar kombinieren, zu „hübsch blutig“. Die Story ist fast schon frech von Ridley Scott’s „Gladiator“ abgekupfert – die ich schon dort unnötig langatmig empfand – und über die Notwendigkeit Gewalt dermaßen zu zelebrieren kann man wie immer diskutieren. Für mich war Ryse wie Fast Food, das ich mir auch nur gelegentlich gönne: während des Konsums durchaus schmackhaft und sättigend. Doch nur kurze Zeit später stellte sich schon wieder ein Hungergefühl ein und man merkt, dass eigentlich irgendwas gefehlt hat. Und in ein paar Wochen werde ich den Besuch bei McDonalds – Pardon, ich meinte natürlich in Rom – längst wieder vergessen haben.

Ich habe zwar keine Ahnung, ob meine Kolumnen für die meisten nicht ebenfalls in den Bereich Junkfood fallen, aber ich hoffe, dass zumindest einige etwas Brauchbares mitnehmen konnten. Falls nicht: In ein paar Wochen bitte ich um eine weiter Chance!

Liebe Grüße, Onkel Tom

Links des Monats:

Ryse: Son of Rome (10.10.2014)
http://store.steampowered.com/app/302510/

Evil Within (14.10.2014)
http://store.steampowered.com/app/268050/

Lords of the Fallen (28.10.2014)
http://store.steampowered.com/app/265300/

Action Henk (EA)
http://store.steampowered.com/app/285820/

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