Die besten Geheimtipps, über die man schreiben kann sind die, die eigentlich gar keine Geheimtipps sind. Wären sie nämlich Geheimtipps, wäre das Schreiben über sie wohl relativ vergebene Liebesmüh, weil sich den Artikel niemand durchlesen würde … immerhin kennt einen „Geheimtipp“ ja keine Sau, weswegen sie in der Regel auch die wenigsten interessieren. Ori and the blind Forest ist anders. Ori ist ein mit viel medialer Aufmerksamkeit bedachter und massivem Marketing unterstützter Titel, der bei seiner Ankündigung eine Überraschung war und jetzt in aller Munde ist. So auch in unserer … in diesem Review.
Falls so mancher nun in dieser Einleitung einen etwas angepissten Unterton herausgehört hat, so darf ich gratulieren: Das gibt ein Sternchen in Sachen Empathie. Wer nun aber denkt, dass das bedeutet das Spiel sei schlecht, der bekommt eine Eintragung ins Mitteilungsheft wegen Denkfaulheit. Es ist einfach spät und ich hatte einen schlechten Tag. Ori kann da nix dafür. Ori ist nämlich ein großartiges Spiel. Weder ein Geheimtipp, noch ein Underdog, noch ein Spiel aus Österreich, wie mancherorts propagiert wird, aber dennoch ein tolles Spiel. Mich persönlich hat es in einiger Hinsicht an Limbo erinnert. Klar ist es lange nicht so düster, noch so gedankenschwer oder „indie“, aber es hat den selben Zauber des minimalistisch großartigen, den auch Limbo verströmte – nur eben deutlich „massenmarktiger“. Und das ist ausnahmsweise mal positiv gemeint. Immerhin beziehe ich mich damit vor allem auf das Design des Spiels selbst, das mit einem unglaublich knuffigen Hauptcharakter und einer bezaubernd designten Welt auftrumpfen kann. Natürlich ist diese auch sehr düster, doch echtes Unbehagen (hier sei zum letzten Mal Limbo erwähnt) wird dennoch nie ausgelöst. Das führt dazu, dass man die Gegner nie „fürchtet“, aber einfach aufgrund des echt knackigen Schwierigkeitsgrades dennoch schnell eine Menge Respekt vor ihnen bekommt … achja – ich hätte für manch „Unwissende“ vielleicht vorher noch das Spiel selbst erklären sollen, oder? Sollte das bei DIR nicht nötig sein, überspring einfach den nächsten Absatz.
Die Basics
Ori ist ein Sidescroller-Jump’n’Run alter Schule – aber in sehr modernem Gewand. Du spielst ein knuffiges, kleines Tierchen namens Ori, das aber eigentlich ein „Abkomme“ des Baums des Lichts ist, der die Spielwelt ursprünglich im Gleichgewicht gehalten hat. Ori wurde fortgeweht, der Baum verlor seine Kraft und unser kleiner Held wurde von einem merkwürdig aussehenden aber sehr liebenswürdigen Wesen aufgenommen. Es folgte eine glückliche Zeit, die ein sehr trauriges Ende nahm. Als die Welt mehr und mehr aus den Fugen gerät, zieht unser kleiner Held los und versucht, nachdem er mehr und mehr über seine Herkunft und die Welt erfährt, alles wieder ins Lot zu bringen – als letzte Hoffnung. Für den Spieler bedeutet das, dass er sich in der beeindruckend großen Welt vollkommen frei bewegen kann und nach und nach neue Fähigkeiten erlernt, die logischerweise dabei helfen weiter zu kommen. Bald schon könnt ihr also nicht nur hüpfen, sondern auch schießen, Wände hochklettern und so weiter und so fort. Immer im Auge zu behalten gelten dabei zwei Größen: Energie und Lebenskraft. Die eine kann für Attacken und zum Öffnen von Türen aufgewendet werden, die andere versiegt logischerweise wenn ihr euch weh tut – oder euch von den diversen und sehr vielfältigen Gegnern im Spiel wehgetan wird. Praktisch und wichtig dabei ist, dass ihr, genügend Energie vorausgesetzt, jederzeit speichern könnt … was ihr auch tun solltet.
Das Gameplay
Immerhin ist das Spiel, wie schon mal erwähnt, durchaus „knackig“. So manche Kämpfe, aber auch einfach die ständig auf euch wartenden Geschicklichkeitsaufgaben sind ab und an schon wirklich tricky. Glücklicherweise wurde aber die feine Grenze zu „unfair“ nie überschritten. Selbst wenn man also an einer Stelle 20x gescheitert ist, ist einem doch jedes Mal klar, dass man schlicht selbst schuld war, genau weiß, was man eigentlich anders machen muss. Nur ob man es dann beim 21. Mal deswegen auch schafft, ist eine andere Frage. Dennoch, oder gerade deswegen, ist Ori aber eine verdammt motivierende Angelegenheit, die zudem stets Neues für einen parat hat, um weiter bei der Stange zu halten. Ganz abgesehen davon, dass es einfach ein Spiel ist, das man unglaublich gerne ansieht. Ganz ohne furchtbar aufwändige Polygonschlachten ist hier das vermeintlich schönste Spiel entstanden, das man für die Xbox One momentan kaufen kann … achja – und den PC natürlich. Microsoft erwähnt das nicht so gern, aber Ori and the blind Forest ist auch für den PC erschienen. Und es sieht dort natürlich genauso gut aus – und spielt sich auch genauso gut.
FAZIT
Über Ori wurde schon sehr viel Positives gesagt und geschrieben. Und ich kann mich bei alledem nur anschließen. Das Spiel der Moon Studios sieht grandios aus, spielt sich toll, bietet für €20,- eine Menge Umfang (unter 6h ist hier beim ersten Anlauf SICHER niemand fertig, der das Spiel wirklich genießt) und ist schlichtweg frei von echten Schwächen. Sollte man sich das Ding also kaufen? Scheiße ja! Muss man sich dafür eine Xbox One holen? Scheiße nein! Die PC-Version tut’s auch.
Gesamtwertung: 9.2
Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 10 | Handling: 10 | Spieldesign: 8 | Motivation: 8