Outcast – Second Contact im Test

Was tut man, wenn es  ungeachtet von Ambitionen, Fan-Unterstützung sowie bewunderns-werter Hartnäckigkeit einfach nicht gelingen will, einen Nachfolger zu einem echten Genre-Klassiker zu veröffentlichen? Kein Problem, dann nimmt man halt kurzerhand das Original, verpackt es in eine etwas zeitgemäßere Optik und lässt den Rest weitgehend unverändert. Das Problem dabei: Was vor knapp 18 Jahren noch bahnbrechend war, das ist heutzutage überholt und veraltet. So leider auch Outcast – Second Contact.

Es war der Sommer im Jahr 1999. Ein paar Monate zuvor hatte ich meinen PC mit einer aktuellen 3dfx-Voodoo² 3D-Beschleuniger-Karte aufgerüstet und war mit sicher, damit so ziemlich jedes Spiel flüssig und in bester Grafikqualität zocken zu können. Da hatte ich leider die Rechnung ohne das Action-Adventure Outcast  des belgischen Spieleentwicklers Appeal gemacht. Anders als die 3D-Spiele zu dieser Zeit, verwendete dieses eine selbstentwickelte Engine zur Darstellung, welche keine reine Polygongrafik, sondern eine hauptsächlich aus texturierter, softwareberechneter Voxel-Grafik auf den Bildschirm zauberte. Da es sich somit um keine echte dreidimensionale Grafik-Darstellung handelte und die Berechnungen von der CPU erledigt wurden, war die Verwendung einer speziellen 3D-Grafikkarte nicht notwendig. Meine 3dfx-Voodoo² Karte langweilte sich, während die notwendige Rechenleistung meinen Computer an seine Grenzen brachte und teilweise auch in die Knie zwang. So toll Outcast mit den höchsten Grafikeinstellugnen damals auch ausgesehen hat, es gab zu dieser Zeit wohl keinen PC, mit dem man das Spiel halbwegs flüssig hat spielen können.

Aber auch ohne Grafik in höchster Qualität war Outcast ein Spiel, welches neue Maßstäbe setzte. Das lag zum einen sicherlich an der filmreifen Inszenierung, wobei die Story schon damals nicht mehr als B-Movie Charakter hatte. Ein Experiment geht schief und erzeugt ein ständig wachsendes Schwarzes Loch, welches droht die Erde zu verschlingen. Gleichzeitig wird aber auch ein Tor zu einem Paralleluniversums aufgestoßen und eine Gruppe aus Wissenschaftlern soll die neu entdeckte Welt erforschen und versuchen die Bedrohung zu beseitigen. Ihr schlüpft dabei in die Rolle des US-Navy Commanders Cutter Slade, der das Expeditionsteam begleiten und beschützen soll. Beim Transfer läuft aber einiges schief. Cutter kommt ohne Ausrüstung und vom restlichen Team getrennt auf dem fremden Planeten mit dem Namen Adelpha an. Die einheimischen Bewohner halten Slade für den Ulukai, einen prophezeiten Befreier ihres Volkes und bitten ihn, im Kampf gegen den tyrannischen Herrscher Faé Rhân um Hilfe. Bis der Held die Wissenschaftler, inklusive der obligatorischen hübschen Tochter, gefunden und die Welt gerettet hat, vergehen zahllose Stunden.

Mission Adelpha

Ein weiterer Grund warum Outcast auch heute noch zu den Meilensteinen im Genre der Action-Adventures zählt, ist die riesige, glaubwürdige Spielewelt. Riesig zumindest für damalige Verhältnisse, denn heutzutage hat Adelpha vermutlich nicht mehr als die Größe eines herkömmlichen Standard-DLCs. Unterteilt ist diese in sechs Regionen, mit sehr unterschiedlichen klimatischen Bedingungen, verschiedenstartigster Flora und Fauna sowie individueller architektonischer Bauwerke. Obwohl die einzelnen Zonen mittels Stargate-ähnlichen Toren bereist werden können, sind lange und zum Teil echt beschwerliche Laufwege notwendig, um die Spielewelt zu erkunden. Man kann zwar schon realtive bald im Spiel zweibeinge Kreaturen, die Twôn-Has, einfangen, zähmen und als Reittiere nutzen, trotzdem sind die sich oft wiederholenden Wegstrecken dann doch etwas nervig und man verplempert unnötig viel Zeit von A nach B zu gelangen, nur um dann schnurstracks wieder zurückgeschickt zu werden. War es früher normal rund die Hälfte der etwa 20 Spielstunden mit laufen zu verbringen, wünscht man sich heute dann doch so etwas wie ein Wegpunkte-System. Outcast verfügt dafür aber über so etwas wie ein rudimentäres Rufsystem. Bahnt man sich seinen Weg durch die Spielewelt mit roher Waffengewalt und verletzt dabei vielleicht sogar unschuldige Talaner, dann sind diese weit weniger hilfsbereit und versorgen uns etwa nicht mehr mit Munitions-Nachschub. Sogar wenn man mit gezogener Waffe durch ein Dorf läuft, sind die Bewohner weitaus weniger gesprächiger, als wenn ihr diese im Rucksack verstaut. Das war 1999 schon ein kleines bisschen revolutionär.

Die Hauptaufgabe von Cutter Slade besteht im Auffinden von fünf heiligen Mons. Die sind über ganz Adelpha verstreut und werden etwa von feindlichen Bewohnern streng bewacht, müssen diversen Kreaturen mit Waffengewalt abgeluchst werden oder bekommt man von einem Kriegsgefangenen, den man aus dem Kerker befreit. Die Hauptmission unterteilt sich dabei in viele kleinere Aufgaben, sodass eine verflochtene Quest-Struktur vorgegaukelt wird, aber im Grunde genommen müssen diese sequentiell abgearbeitet werden, um in der Geschichte voranzukommen. Natürlich gibt es auch optionale Nebenmissionen, die sind aber sehr rar gesät und dazu meist nicht sehr spannend.

Aus alt mach weniger alt

Inhaltlich hat man somit in Outcast – Second Contact eigentlich sehr wenig bis gar nichts verändert und sogar die fantastische orchestrale Musikuntermalung sowie die Sprachausgabe mit der deutschen Stimme von Bruce Willis, Manfred Lehmann, wurde 1:1 aus dem Original übernommen. Verbesserungen gibt es vor allem in Sachen Grafik. Die selbstentwickelte Paradise-Engine wurde durch die Unity-Engine ersetzt und Texturen, Modelle und Licht- sowie Schatteneffekte hat man komplett überarbeitet. Adelpha hat mit seiner üppigen Vegetation und schicken Wetter-Effekten noch nie besser ausgesehen. Natürlich wurden auch die Charaktermodelle verfeinert, können aber über die teils steifen Animationen und die nicht lippensynchronen Mundbewegungen während den Dialogen nicht hinwegtäuschen. Insgesamt macht Outcast optisch natürlich einen gewaltigen Sprung nach vorne, wirkt aber technisch nicht ganz auf Höhe der Zeit. Dazu kommen noch ein paar unschöne Bugs, die zwar nicht unbedingt schwerwiegend, aber doch ärgerlich sind.

Ärgerlich ist ein gutes Stichwort: Auch Steuerung und Menüführung wurden überarbeitet, dadurch aber nicht unbedingt verbessert. Die optionale Ego-Perspektive wurde gestrichen, die  automatische Kamera positioniert sich nicht immer sehr vorteilhaft und Cutter steuert sich nun um einiges träger sowie ungenauer, wodurch vor allem die zahlreichen Sprungeinlagen stark am Geduldsfaden zerren. Auch die Kämpfe zählen zu den großen Kritikpunkten. Wie schon im Original läuft man aufgrund eines fehlenden Deckungssystems einfach auf und ab und versucht dabei die Gegner zu treffen. Damals vor 18 Jahren funktionierte das auch einigermaßen gut, da einerseits die KI nicht besonders schlau war, andererseits die Scharmützel weitaus gemächlicher abgelaufen sind. An der Intelligenz der Feind hat sich nicht viel geändert und das neue Zielsystem bringt durchaus seinen Nutzen, aber jetzt läuft alles viel hektischer ab. Zu hektisch und zu ungenau für meinen Geschmack. Das überarbeitete HUD von Outcast – Second Contact bietet nun viel mehr Informationen, als noch im Original. Dazu zählen jetzt etwa zahlreiche Details zu Bewohnern, Regionen oder Aufgaben und sogar das Ansehen bei den einzelnen Fraktionen wird nun angezeigt. Vielleicht etwas zu viele Informationen, denn dadurch wirkt nun alles etwas unübersichtlich und man verliert leicht das Wesentliche, die aktuellen Missionen, aus den Augen.

FAZIT

Wie aus dem Text sicherlich herauszulesen war, bin ich ein großer Fan des Originals. Vielleicht gerade deswegen stellte ich mir während des Schreibens dieses Artikels immer wieder die Frage, für wen Outcast – Second Contact eigentlich gemacht ist. Für Spieler wie mich sicherlich nicht, denn ich persönliche finde, dass man vieles verschlimmbessert hat. Da hilft auch die etwas aufgepeppte Grafik leider nicht viel. Neue Spieler wird man sowieso nicht anlocken können, dafür sind viele Gameplay-Mechaniken einfach schon zu angestaubt und nicht mehr zeitgemäß. Ja, die Geschichte und das Storytelling haben nichts an Charme verloren und vermögen auch heute noch gut zu unterhalten, aber Nostalgiker wie ich, können genauso gut auf das Re-Release in Form des letzen Jahres erschienen Outcast 1.1 zurückgreifen und müssen nicht die modernisierte Version spielen. Vielleicht schafft man es noch mit ein paar kleineren Verbesserungen in Form von diversen Patches aus einem halbwegs brauchbaren, ein gutes Spiel zu machen – meine Hoffnungen auf einen zweiten Teil habe ich aber spätestens jetzt begraben. Denn selbst wenn ein Nachfolger doch noch kommt, sollte dieser die gleichen Fehler machen wie Outcast – Second Contact, dann verzichte ich lieber darauf.

Was ist es? Remake eines Action-Rollenspiel-Klassikers der 90er Jahre, endlich mit zeitgemäßer Polygon-Grafik, anstatt hardwarehungriger Voxel-Technik.
Plattformen: PC, PS4, Xbox One
Getestet auf: PS4
Entwickler/Publisher: Appeal/BigBen Interactive
Release: 12. Dezember 2017

Gesamtwertung: 6.0

Einzelwertungen: Grafik: 6 | Sound: 10 | Handling: 4 | Spieldesign: 6 | Motivation: 4

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