Mit Outlast gelang dem kanadischen Entwicklerstudio Red Barrels 2013 ein Überraschungshit im Horror-Genre. Warum Outlast 2 nicht ganz an den grandiosen Vorgänger heran kommt, aber dennoch ein gutes Spiel ist erklären wir im Test.
Oh, be carefull little eyes what you see…
Da war dieser Flur, dieser Flur wo keiner sein sollte. Geboren aus der Erinnerung eines kranken Geistes zog er sich vor mir hin in ewiger Dunkelheit. Nur begleitet vom rhythmischen Hämmern meines Herzens und dem leisen Hallen meiner Schritte bewegte ich mich vorwärts. Plötzlich hörte ich etwas hinter mir – unnatürlich, körperlos – es kam auf mich zu. Ich schloss die Augen, schluckte schwer, was war das? Wo bin ich? Ich fühlte es immer näher kommen und spürte wie es mir wie der Atem eines Fremden über den Nacken fuhr. Innerlich schreiend holte ich tief Luft, ignorierte die Angst die sich wie ein Parasit in meine Eingeweide gefressen hatte und wand mich um. Der Anblick der sich mir durch die Nachtsicht meiner Kamera bot war mir unverständlich. Dort wo zunächst noch eine Tür war, erstreckte sich ein Gang, der Gang einer Schule, gepflastert mit Schuld und dem Hunger nach Erlösung. An seinem Ende sah ich weißes Licht und den schwingenden Schatten eines erhängten Mädchens. Langsam bewegte ich mich darauf zu, als ich plötzlich Kinder singen hörte: „… there is a father up above…“ Ich spürte wie sich jede einzelne Zelle in mir anspannte, in einer seltsamen Mischung aus Angst und Erwartung „…and he´s looking down in love..“ Ich legte meine Hand auf die baumelnde Leiche „…oh be carfull litte eyes what you see…“ und sah in das Gesicht eines Schreckens, ohne Namen.
Das subjektive Wesen der Angst
Angst ist etwas zutiefst persönliches, etwas das von Person zu Person variiert und uns begleitet. Diese Subjektivität der Angst sorgt dafür, dass auch Horror subjektiv funktioniert. Während ich im Kino bei Die Frau in Schwarz panisch den Sessel voll schwitzte, pennte meine Begleitung genüsslich neben mir. Der Kurzfilm Lights Out von David Sandberg hat mich über Tage hinaus mit Nachttischlämpchen schlafen lassen, und von Stephen Kings Meisterwerk ES will ich gar nicht erst anfangen. Normalerweise bin ich was Horrorfilme betrifft eher resistenter Natur, doch diese drei genannten Beispiele bergen den Kern dessen, warum auch der Horror in Outlast 2 (meistens) für mich funktioniert: Die Konfrontation wehrloser Personen mit Wesenheiten und Situationen, die sie nicht verstehen können – mein persönlich schlimmstes Angstszenario.
Blake Langermann ist kein Soldat im Hulk-Format. Er ist ein Ehemann, der seine Frau sucht, die nach einem Hubschrauberabsturz von Kultisten entführt wurde. Auf seiner Suche nach Lynn, so der Name seiner Liebsten, verfügt er nicht etwa über Maschinengewehre oder Panzerfäuste und wenn er welche hätte wäre das Perlen vor die Säue, da er über keinerlei militärische Ausbildung verfügt. Nein, Blakes „Waffen“ sind: Eine ungesunde Neugier und seine Digi-Cam, denn er ist Journalist und Kameramann. Eigentlich wollte er mit seiner Frau dem Mysterium hinter einer vor kurzem aufgefunden Unbekannten auf den Grund gehen. Sie vermuteten hinter der verwahrlosten und missbrauchten Frau eine Geschichte über die Abgründe der Menschen. Nun ist er hier in einem Dorf mitten in der Wüste von Arizona und ist sich noch nicht bewusst darüber, wie tief er in die Abgründe der menschlichen Existenz blicken wird.
Das Gameplay – Gewohnt simpel, meistens effektiv
Im Vergleich zu Outlast 1 hat sich im neuesten Teil der Reihe nicht viel verändert. Noch immer erkunden wir aus der Ego-Perspektive mit einer Kamera diverse Gebiete auf der Suche nach Dokumenten die uns die Story näher bringen. Noch immer müssen wir uns mit der Nachtsichtfunktion durch die Dunkelheit schleichen und noch immer gibt es wahnsinnig wahnsinnige Wahnsinnige, welche uns ans Leder wollen. Und ja: ihr habt keinerlei Möglichkeit euch zu verteidigen. Aber gerade darin liegt der Reiz für mich. So sträubt es mir aus Angst die Nackenhaare, wenn ich die vielen kleinen Häuser nach Texten, Bandagen für meine empfindliche Gesundheit oder nach Batterien für meine Nachtsicht suche. Die einzige Möglichkeit die euer Überleben sichert ist gekonnt zu schleichen, euch zu verstecken oder im schlimmsten Fall der Fälle, zu laufen. Leider funktioniert das mit dem Schleichen und Verstecken meistens nicht so wie man es sich wünscht und verbringt deshalb sehr viel Zeit mit Laufen. Da die Gebiete sehr weitläufig, aber unübersichtlich ausfallen, führt das gelegentlich zu etwas frustrierenden Trial and Error Situationen. Leider ist Outlast 2 ist in punkto Schockmomenten auch nicht ganz so unberechenbar wie der Erste Teil, dadurch sind viele Jumpscares vorhersehbar. Und auch die Verfolgungsjagden büßen aufgrund ihrer Häufigkeit an Intensität ein.
Die Story – HP Lovecraft trifft David Lynch
Die Story gleicht in ihren Grundzügen diversen Kurzgeschichten von HP Lovecraft – böse Kultisten und tentakelbehaftete Wesenheiten inklusive. Allerdings mit einer kleinen, aber feinen Brise David Lynch (Twin Peaks, Mulholland Drive), denn die Story ist sehr wirr erzählt und lässt noch sehr viel Raum zur Interpretation. Das kann einem gefallen oder auch nicht – ich persönlich mag es (Achtung! Schlechte Metapher voraus!), wenn mir einzelne Zutaten vorgesetzt werden und ich diese in meinen Kopf zu einem brauchbaren Ganzen verkochen kann. Auch gibt es einen Nebenhandlungsstrang, den ich in meiner Einleitung andeutete. Blake hat immer wieder Visionen von einer katholischen Schule, in der etwas im Bezug auf seine Kindheit passiert ist. Ich will nicht zu viel spoilern, aber in diesen Momenten fährt Outlast 2 zu einer Hochform, auf die mich kälter erwischt hat (auch thematisch), als sein brillanter Vorgänger.
Die Technik – Wahnsinns Sound!
Ich durfte Outlast 2 auf der PSPro zocken und da macht Outlast 2 eine ziemlich gute Figur: schöne Wälder, detaillierte Hütten und coole Licht- und Schattenspiele. Blöd nur, dass man selten etwas davon mitbekommt, da man die meiste Zeit mit der Nachtsicht herum läuft. Auch die Steuerung geht sehr gut und intuitiv von der Hand.
Der Sound ist vermutlich die größte Stärke des Spiels. Die Inszenierung des Klangteppichs ist schlicht meisterhaft und lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Auch die bewusst spärlich eingesetzte Musik weiß mit jeder Note zu überzeugen.
FAZIT
Outlast 2 hat mir gut gefallen! Schon die Grundidee lässt mich schaudern: Ich bin ein 08/15 Typ in einem Dorf voller Irrer und habe keinen Plan was abgeht. Ja man kann meckern dass Outlast 2 selten den Schrecken seines Vorgängers erreicht, aber wenn er es tut, dann übertrifft er ihn manchmal sogar. Auch ist das Spiel mit seinen knapp 8 Stunden Spielzeit für ein Horror-Game ein wenig zu lang geraten, eine straffere Inszenierung hätte der Story und dem Horror-Feeling sicher gut getan. Wer aber über eine sehr interpretationshungrige Story und den einen oder anderen Frustmoment hinwegsehen kann, der kann mit Outlast 2, so wie ich, seine Freude haben. Denn guter Horror lebt von mehr als nur von gut platzierten Jumpscares.
Dürfte ich mir allerdings für einen möglichen Nachfolger etwas wünschen so wäre dies folgendes:
1. Einen weniger weitläufigen Handlungsschauplatz.
Auch wenn die Gebiete teils wirklich schön anzusehen sind, fehlte für mich einfach die monströse und bösartige „Persönlichkeit“, welche die Irrenanstalt in Outlast 1 ausstrahlte. Und enge verwinkelte Gänge machen mir persönlich mehr Angst als ein Wald. Der kann zwar auch funktionieren, so wie es schon das Survival-Horror-Spiel Slender: The Eight Paiges mehr als eindrucksvoll bewiesen hat. Outlast 2 hat allerdings keinen Antagonisten im Format eines Slender-Man, welcher mir schweigend das Leben zur Hölle macht.
2. Weniger Verfolgungsjagden.
Verfolgungsjagden beabsichtigen beim Spieler das Adrenalin durch die Venen zu pumpen – etwas das gut gestreut sicherlich toll funktioniert, aber in Überdosierung nervig wird. Da ich aber anstatt die Horror-Atmosphäre aufzusagen gehetzt und orientierungslos durch die Gegend laufe, nur um am Ende unrühmlich ins Gras zu beißen, wäre weniger eindeutig mehr!
3. Der kleine Horror im Detail.
Ohne Frage: Outlast 1 und 2 sind gute Horrorspiele und funktionieren für mich besser als Residen Evil 7: Biohazard, allerdings leben sie sehr von „Brachial – Horror“ und Scarejumps. Würde man mich fragen welches Game mir in den letzten Jahren die meiste Angst gemacht hat, würde ich vermutlich mit Layers of Fear antworten. Dieses Game arbeitete mit sehr subtilen Mitteln. Hier ein kleines Beispiel: Ich sehe mir das Portrait Mannes an, es zeigt sein Profil von der Seite. Ich drehe mich kurz weg, weil ich hinter mir etwas höre, und als ich wieder auf das Portrait schaue, sieht mir der Mann direkt in die Augen. Dieser kurze Augenblick wird nicht musikalisch erschreckend kommentiert oder hervorgehoben, alles ist still, nur das Bild hat sich verändert. Gerade weil die Situation zu keinem „Ka-Wumm“ Moment stilisiert wurde funktioniert die Szene für mich so gut. Es ist kein Jumpscare der dir Angst macht, sondern die Situation an sich. Solche Momente in einem Outlast wären die Kirsche auf dem Sahnehäubchen des Wahnsinns.
Der langen Rede kurzer Sinn: Outlast 2 ist gut, und hat mich als Horrorfan gut unterhalten, aber wenn mir Red Barrels im nächsten Teil diese drei Wünsche erfüllt, dann werde ich wieder die etwas morbide Freude an richtiger Angst verspüren.
Gesamtwertung: 8.0
Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 10 | Handling: 8 | Spieldesign: 6 | Motivation: 8