Spricht man von JRPGs, dann kommt man an der Persona-Reihe nur schwer vorbei. Auch wenn der Serie der ganz große Erfolg bis dato verwehrt geblieben ist, so ist sie zumindest namentlich den meisten langjährigen Konsolen-Rollenspielern ein Begriff. Ursprünglich als Spin-Off der Megami Tensei Spiele eingeführt (die wiederum auf den Digital Devil Story Romanen basiert), hat sich Persona im Laufe der Jahre zu einer eigenständigen Franchise gemausert. Ähnlich wie bei Final Fantasy wird in jedem neuen Titel eine komplett eigenständige Geschichte erzählt, während aber viele Eigenheiten und Merkmale Spiel-übergreifend erhalten bleiben. An dieser Formel ändert auch das brandneue Persona 5 nichts und präsentiert uns abermals ein, im modernen Japan angesiedeltes Abenteuer, rund um Parallelwelten, Psychologie und Abschlussprüfungen!
Wer die eine oder andere Anime-Serie gesehen hat, dem dürfte des Setup der Geschichte bekannt vorkommen: Wir übernehmen in Persona 5 die Rollen eines neuen Schülers, der sich mitten unterm Schuljahr an einer neuen Schule zurechtfinden muss. Schnell finden wir heraus, dass unser namenloser Held aufgrund einer Bewährungsstrafe seine Schule und Heimatstadt verlassen musste. Ein Jahr lang besucht er nun die Shujin High in Tokyo und darf sich nichts zu Schulden kommen lassen. Doch wie erwartet, stellen sich schon an seinem ersten Schultag Probleme ein. Die erste Bekanntschaft die er macht ist der ansässige Unruhestifter Ryuji, dann taucht auch noch eine geheimnisvolle Navigations-App auf seinem Handy auf, die beide in eine Art Parallelwelt versetzt und zu guter Letzt legen sie sich noch mit dem von allen respektierten und gefürchteten Turnlehrer und Coach der überaus erfolgreichen Volleyball-Mannschaft der Schule an…
Langsam eröffnet sich uns, was es mit diesen Parallelwelten auf sich hat. Wenn die Begehren und Gelüste einer Person sich in ungesunder Art und Weise zu Manien auswachsen, schaffen sie damit sogenannte Paläste. Diese existieren neben der eigentlichen Realität und können nur durch besagte App betreten werden. Der erste Palast den unser Held betritt ist eben der des von Erfolg besessenen Turnlehrers Kamoshida. Der hält die Schule für sein persönliches Schloss, in dem er der alles beherrschende König ist. Während er seine Schüler durch physischen und psychischen Missbrauch unter Kontrolle hält und zu sportlichen Höchstleistungen antreibt, schreckt er auch nicht vor Erpressung oder Gewalt zurück, um die Schule unter seiner Kontrolle zu halten. Beim Durchsuchen des Palastes stoßen unsere beiden Helden nicht nur auf einen neuen Freund, sondern auch auf eine Möglichkeit, dem Treiben ihres Lehrers ein Ende zu setzten. Und nachdem sie diese Aufgabe erfolgreich beenden haben, beschließen sie ein eigenes Team zu gründe, welches es sich zum Ziel macht solche Paläste aufzuspüren und deren Besitzer, die allesamt abscheuliche Menschen zu sein scheinen, zur Strecke zu bringen.
Schon so spät?
Wenn man noch Spiel der Persona Reihe probiert hat, dann ist der Spielablauf zunächst doch recht gewöhnungsbedürftig. Auch in Persona 5 haben einen festgelegten, zeitlichen Ablauf. Die Geschichte beginnt am 1. April und endet am darauffolgenden 31. März. Also genau ein Jahr um Tokio von diversen Palästen zu befreien und ein noch viel böseres Übel, dass wir erst im späteren Spielverlauf entdecken, loszuwerden. In dieser Zeit müssen wir allerdings auch zur Schule gehen (abgesehen von Sonntagen, ein paar Feiertagen und den Sommerferien), lernen, unsere Kontakte pflegen, Nebenjobs erledigen und unsere sozialen Fähigkeiten verbessern. Nachdem der Pflichtteil des Tages absolviert ist, also Schule oder manchmal auch von der Story abhängige Ereignisse, steht es uns frei, unseren Nachmittag nach Belieben zu gestalten. Wir können in der Schulbibliothek lernen, denn alle paar Wochen stehen Prüfungen an und sowohl sehr schlechtes, als auch außergewöhnlich gutes Abschneiden kann Folgen für das weitere Abenteuer haben. Im Spielverlauf schalten sich immer mehr Örtlichkeiten in und rund um Tokio frei, die man besuchen. Dort kann mann dann einkaufen oder seine Verbündeten treffen. Letzteres ist äußerst wichtig, da man so die Bindungen zu ihnen vertieft und dadurch wiederum neue, passive Kampffähigkeiten freischalten kann. Als letztes bieten die verschiedenen Orte noch die Möglichkeit durch verschiedene Aktivitäten wie lesen, baden oder einem Nebenjob nachgehen, seine sozialen Skills (wie etwa Professionalität, Gutmütigkeit oder Charme) zu verbessern. Ohne bestimmte Werte in diesen Kategorien, lassen sich etliche potentielle Verbündete gar nicht erst freischalten, oder Bindungen nicht vertiefen.
Jede dieser Aktionen verbraucht einen Zeitabschnitt, von denen man zu Beginn nur einen pro Tag zur Verfügung hat. Später bekommt man die Erlaubnis auch abends das Haus zu verlassen und hat zwei. Weitere folgen, was aber nichts daran ändert, dass man sich ständig unter Zeitdruck sieht und immer genau abwägen sollte, was man denn mit seiner Zeit anfängt.
Lass uns drüber reden
Der Kern des Spiels sind aber, trotz der vielen Dinge die man während seiner Tage als Schüler machen kann, die Paläste. Diese werden nacheinander durch vorgegebene Ereignisse zu bestimmten Zeitpunkten freigeschalten und haben außerdem ein vorgegebenes „Ablaufdatum“. Bis zu diesem muss man den Schatz des jeweiligen Palastes gestohlen haben, ansonsten heißt es Game Over. Anstatt also unsere Zeit in Einkaufszentren oder Parks zu verschwenden, ziehen wir nach der Schule in den Palast und bahnen uns unseren Weg durch Gänge und Kammern. Hier haben wir es dann mit klassischen Dungeons voller Monster, Fallen und Rätsel zu tun.
Auch hier spielt es wieder eine Rolle wie man sich seine Zeit einteilt. Es ist kaum möglich so einen Palast am Stück auszukundschaften. Mit jedem Kampf verliert man Lebens- und Zauberpunkte, die zwar durch Verbrauchsgegenstände marginal wiederhergestellt werden können, aber trotzdem irgendwann zur Neige gehen. Eine vollständige Heilung erfolgt nur nach Verlassen des Palastes und einer ordentlichen Mütze Schlaf. Daher ist das vorrangige Ziel einer solchen Exkursion, so weit wie möglich am Stück voranzukommen und sichere Räume zu finden. In diesen kann man seinen Spielstand speichern und sich zu anderen sicheren Räumen oder dem Ausgang teleportieren. Erst wenn man den kompletten Weg zum Schatz gesichtet und freigelegt hat, kann man den finalen Angriff und das bei Erfolg unwiederbringliche Verschwinden des Palastes, in die Wege leiten.
Die Kämpfe an sich gestalten sich im Großen und Ganzen, nach klassischer, rundenbasierter JRPG Manier. Für jedes unserer maximal 4 Party-Mitglieder wählen wir Aktionen aus, wenn sie an der Reihe sind. Also vom normalen physischen Angriff, der Nutzung von Gegenständen, Fernangriff mit Schusswaffen, oder eben diversen Zaubersprüche, welche die Charaktere durch ihre titelgebenden Personas wirken können. Alle Mitstreiter bekommen im Verlauf der Story ihre persönlichen Persona, die meist auf ein gewisses Element wie Feuer oder Wind spezialisiert sind und mit steigenden Stufen neue Sprüche erlernen. Unser Hauptcharakter hat zusätzlich die praktische Fähigkeit, mehrere Personas gleichzeitig zu beherrschen und auch während des Kampfes beliebig auszutauschen.
Falls es im Laufe eines Kampfes gelingt, alle Gegner durch kritische Treffer oder Angriffe gegen ihre elementare Schwäche in die Knie zu zwingen, gelangt man in eine Übermacht-Situation. Hier kann man wählen, ob man einen massiven Angriff starten möchte, der allen Gegnern großen Schaden zufügt oder lieber mit einem der Monster verhandeln möchte. Abhängig von deren Level und unseren Antworten auf ihre Fragen, können wir diese dann dazu überreden uns Geld oder Gegenstände zu überlassen oder sich uns als Persona anzuschließen. Bei erfolgreichen Verhandlungen verschwinden dann die übrigen Gegner, bei Misserfolg geht der Kampf weiter. Im sogenannten Velvet Room, einem mysteriösen Ort jenseits der Realität, kann man dann erbeutete Personas opfern um neue, mächtigere zu erschaffen oder sie trainieren.
Style ist alles
Technisch zeigt sich Persona 5 absolut fehlerfrei, aber nicht weiter erwähnenswert. Herausragende Next-Gen Präsentation sucht man vergebens. Das war aber wohl auch nie das Ziel des Entwicklers Atlus, ganz im Gegenteil. Das Zauberwort hier ist Style und Coolness. Alles wirkt wie aus einem Guss, sehr animelastig und mit einem gewissen 70-Jahre Charme. Von den Überblendungen zwischen den Szenen, über die Erfahrungsabrechnung nach Kämpfen, bis hin zum Design der Personas, trieft alles mit dieser jazzigen, coolen Atmosphäre.
Womit wir beim Soundtrack angelangt wären. Und der unterstreicht das Ganze dann noch doppelt und fett. Eingängige Jazzklänge, manchmal mit, manchmal ohne Gesang, die einem zum mitsummen zwingen und auch nach vielen Stunden, bis auf ganz wenige Ausnahmen, nie nervig werden. Die englische Sprachausgabe ist professionell und passt gut zu den jeweiligen Charakteren. Trotzdem bietet Altus für Puristen einen Gratis-DLC mit der originalen, japanischen Sprachausgabe an.
FAZIT
Persona 5 ist genau wie seine Vorgänger, eine überaus willkommene Abwechslung zum üblichen Angebot an JRPGs. Das moderne Setting und die sehr erwachsene, mitunter recht düstere Thematik haben so gar nichts mit den gewohnten Fatasy-Welten und der Rettung diverser Prinzessinnen oder Länder zu tun. Dazu kommt das absolut einzigartige Zeitmanagement-System. Und eben das mag vielleicht für viele auch der größte Kritikpunkt sein. Man kann nie alles machen und es ist so gut wie unmöglich, in einem Spieldurchgang alles zu sehen und zu erreichen. Aber wenn man sich darauf einlässt und akzeptiert dass auch für den Helden der Tag nur 24 Stunden hat, gewinnt jede Aktion immens an Bedeutung und man ist noch viel mehr in das Geschehen involviert, als man es von der Genre-Konkurrenz gewohnt ist. Eine tolle und ungewöhnliche Story, unzählige Stunden abwechslungsreicher Spielzeit, ein wundervoller Soundtrack und dann ist das Ganze auch noch furchtbar hübsch anzusehen. Viel mehr kann man von einem Game dieser Art nicht erwarten.
Gesamtwertung: 9.2
Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 10 | Handling: 8 | Spieldesign: 10 | Motivation: 10