Julian Gollop hat im Jahr 1994 mit dem Spiel UFO: Enemy Unknown das Echtzeit-Strategie Genre um ein maßgebliches Franchise erweitert, und zwar um die XCOM-Reihe. 2013 gründete der Brite dann Snapshot Games, welches mit ihrem zweiten Spiel, Phoenix Point, „back to the roots“ will und somit auf bewährten Gameplay-Prinzipien aufbaut. Das Studio hat auf der Crowdfunding Seite Fig mehr als 700 000$ eingenommen und plant derzeit das Spiel im Sommer 2019 zu veröffentlichen. Die Entwickler haben mir glücklicherweise den kürzlich erschienenen dritten Backer Build zur Verfügung gestellt, um einen Vorabbericht zu machen. Doch kann Phoenix Point in seinem derzeitigen Stand überzeugen?
Altbewährtes Prinzip neu überholt und ausgebaut
Ähnlich wie in der XCOM-Reihe spielt man einen Kommandeur, der sein Team rund um den Globus schickt, nur dass, anders als im Alien-Vorbild, sogar die Story eine essenzielle Rolle spielt. Der Spieler kontrolliert eine Zelle des „Phoenix Point Project“, einer weltweiten Organisation, die zum Schutze der Menschheit geschaffen wurde. Nachdem im Jahr 2022 das Pandora Virus freigesetzt wurde, hat es die menschliche Bevölkerung bis aufs Kleinste dezimiert und nurmehr eine Handvoll zersplitterter Gruppen ist übrig, um sich gegen das Virus zur Wehr zu setzen. Schon vor rund einem Jahr begannen die Entwickler Kurzgeschichten zum Spiel zu veröffentlichen, um das Setting und die Geschichte aufzubauen.
Phoenix Point baut auf dem etablierten XCOM-Mechaniken auf und erfindet das Rad nicht neu, trotzdem hebt es sich von den anderen Spielen der Reihe deutlich ab, was nicht nur Komplexität, sondern auch die Tiefe betrifft. Das Spielgeschehen folgt nämlich in zwei verschiedenen Teilen ab, nämlich in der Geosphäre und in den einzelnen Missionen.
Die Geosphäre bietet dem Spieler einen Blick auf den Erdball und dessen derzeitige Weltlage. Hier plant man als Kommandeur alles Mögliche: Operationen, Missionen oder Bauvorhaben. Als Spieler kann man so alle Ereignisse im Überblick behalten und Kontakt zu anderen Fraktionen aufzubauen.
Es gibt viele Missionstypen, die im Großen und Ganzen aber alle auf der Interaktion mit anderen Menschen beruhen. Als Teil des Phoenix Point Project ist man dafür zuständig zwischen den verschiedenen Fraktionen zu vermitteln, diese aber auch bei der Verteidigung gegen die Alien-Horden zu unterstützen. Unter anderem gehören Sabotagen, Infiltrierungen, Attentate, Übernahmen und Verteidigungen zum Plan. Der Spieler hat auch die Möglichkeit zum Gegenschlag auszuholen, jedoch muss man dabei mit äußerst großem Widerstand rechnen. Auch wenn zum Zeitpunkt des Artikels noch nicht alle dieser Features im Spiel sind, wirken die vorhanden gut umgesetzt und legen somit eine solide Basis für mehr. Sogar Schlachtzüge gegen sogenannte Alien Walkers, gigantische Wesen so groß wie Städte, sollen im fertigen Spiel vorhanden sein.
Überarbeitete Technik im Anfangsstadium
Wie in einem typischen Echtzeitstrategiespiel, kontrolliert man in jeder Mission eine kleine Gruppe an Soldaten. Das Spiel läuft rundenbasiert ab, einmal ist der Spieler am Zug, danach die Aliens. Aktionen können nur mit genügend Aktionspunkten ausgeführt werden, sind diese verbraucht muss der jeweilige Charakter bis zur nächsten Runde warten, um wieder Einfluss auf das Spielgeschehen zu nehmen. Soldaten können unterschiedliche Klassen und Fähigkeiten besitzen. Ähnlich wie bei XCOM, entwickeln sich die diese weiter, je länger sie im Einsatz sind und haben auch individuelle Stärken und Schwächen. Je nachdem wie der Spieler vorgeht und mit welcher Fraktion sich dieser auseinandersetzt, haben diese Aspekte auch Einfluss darauf, wie die Forschung des Spielers voranschreitet oder welche Ausrüstung ihm zur Verfügung steht. Später soll man auch verschiedene Technologien verschiedener Gruppen kombinieren können.
Neben den üblichen Werten, wie beispielsweise Lebenspunkten, haben die Soldaten auch Willenspunkte, die es ihnen ermöglichen besondere Fähigkeiten am Schlachtfeld zu nutzen. Zu den Klassen gehören unter anderem der Heavy, der Techniker, der Sturmsoldat, der Sniper und der Infiltrator. Jede dieser Einheiten spielt sich anders und erlaubt dem Spieler verschiedene Vorgehensweisen in Betracht zu ziehen.
Die Fähigkeiten der Soldaten überzeugen aber nicht nur mit ihren Effekten, sondern auch damit, dass man mit diesen mit der Spielwelt interagieren kann. Denn auf den Schlachtfeldern in Phoenix Point kann man einiges zerstören. Von kleinen Deckungen bis zu ganzen Häusern, die einstürzen, ist alles drinnen. Zwar ist dieses Feature noch nicht ganz ausgereift, aber eine solche Mechanik in einem Echtzeit-Strategiespiel zu sehen, ist erfrischend und lässt die Spielwelt gleich viel lebendiger wirken. Neben den visuell ansprechenden Effekten glänzt Phoenix Point ebenso mit seinem Detailgrad, auch wenn sich ab und zu noch verwaschene Texturen verstecken, was aber sicherlich auf den derzeitigen Stand des Spiels zu schieben ist. Die musikalische Untermalung ist zwar Standardkost und hebt sich nicht besonders ab, aber die Soundeffekte sind meist sehr liebevoll gestaltet und fühlen sich sehr echt an.
Nicht ganz so gut ist die derzeitige Performance des Spiels, hier sollte noch einiges getan werden. Gegner die zehn Minuten lang stillstehen sind keine Seltenheit und auch zu Abstürzen ist es einige Male gekommen. Das sei Phoenix Point jedoch verziehen, denn wie gesagt: Veröffentlichung findet erst Mitte des Sommers nächsten Jahres statt.
Gefährlich, trügerisch und doch herrlich
Einmal im Schlachtfeld angekommen, bekommt man es dann, je nach Situation, mit den verschiedensten Gegnern zu tun. Ob man nun die Basis einer Fraktion gegen eine Horde Aliens verteidigt oder diese in ihrer Basis angreift, macht einen großen Unterschied. Befindet man sich auf unbekanntem Untergrund, kann es schon einmal passieren, dass man über das ein oder andere Alien stolpert. Diese wissen sich jedoch zur Wehr zur setzen. Denn eines der, von Snapshot Games, am meisten angepriesensten Features ist jenes, dass Gegner den Spielstil des Kommandeurs adaptieren und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen, sowie auf verschiedenste Art und Weisen mutieren können. Das erhöht auch die Schwierigkeit im Laufe des Spiels. So kann es passieren, dass Aliens auf monotones Vorgehen der Soldat reagieren und sich anpassen, um diesen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Etwa kann ein Außerirdischer beispielsweise einen Schild entwickeln, der ihm vor Fernangriffen schützt oder an bestimmten Bereichen am Körper eine größere Panzerung verleihen.
Um gegen die verschiedenen Mutationen gewappnet zu sein, haben sich die Entwickler etwas Besonderes ausgedacht, denn man hat nämlich die Möglichkeit, ähnlich wie bei Fallout mit dem V.A.T.S.-System, einzelne Teile des Körpers auszuwählen und so beim Schießen zu priorisieren. So kann der Kommandeur seine Kämpfe noch individueller gestalten. Entfernt man zuerst die Beine, damit sich das Alien nicht mehr bewegen kann oder doch lieber den Arm, der einem aus der Ferne attackieren kann? Das sind alles Fragen, die sich der Spieler im Eifer des Gefechts stellen muss. Wenn ein Soldat jedoch nicht trifft, heißt das nicht, das nicht passiert. Die Schüsse werden nämlich egal ob sie das Ziel treffen weiter berechnet. Das heißt dass man mit genügend Glück auch den Gegner hinter dem Ziel treffen kann, oder besser gesagt, nicht den Kameraden vor sich.
Diese Features macht sich besonders dann bemerkbar, wenn man es mit einem der Bosse zu tun bekommt. Phoenix Point überrascht den Spieler gelegentlich mit einem stärkeren Gegner, bei dem es besonders wichtig ist, die Mechanik, verschiedene Körperteile anvisieren zu können, zu verwenden. So teilt sich der Bosskampf in verschiedene „Phasen“ auf, denn mit jedem abgetrennten Glied, beginnt sich das Alien zu verändern und verändert seine Taktik. Diese Gegner glänzen auch durch eine große Variation, was ihre Fähigkeiten betrifft. Da begneten man einmal einer mobilen Gebärdestation, die andere Aliens in das Schlachtfeld hereinbeschwört, das andere Mal einem defensiven Beschützer, der seinesgleichen mit großer Panzerung, und Nebel schützt.
FAZIT
Phoenix Point ist vollgepackt mit den verschiedensten Ideen, die es so vorher in einem Spiel dieser Art noch nicht gegeben hat. Die zerstörbare Umgebung, die mutierenden Aliens, das Zielsystem – all das sind Features, die es so davor in einem Spiel dieser Art nicht gegeben hat, aber irgendwie auch nicht gefehlt haben. Bis jetzt! Denn während meiner Anspiel-Session wurde mir mehr und mehr klar, wie sehr solche Details frischen Wind in das bewährte XCOM-Gameplay bringen. Auch wenn das alles Änderungen sein mögen, die auf den ersten Blick nicht wirklich ausschlaggebend wirken, geben sie Phoenix Point die taktische Tiefe, auf die ich schon seit langem gewartet habe. Zwar wird das Spiel vermutlich erst nächsten Jahr im Sommer erscheinen, aber nach den ersten Spielstunden steht meiner Vorbestellung nichts mehr im Wege. Denn auch wenn es jetzt noch seine Mängel hat und die Technik noch nicht ganz ausgereift zu sein mag, bin ich mir sicher, dass Snapshot Games mit ihrem Projekt etwas ganz großes hervorbringen wird, das auch das preisgekrönte XCOM 2 in den Schatten stellen könnte.
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Was ist Phoenix Point? Ein Echtzeitstrategiespiel vom Erfinder der XCOM-Serie, in einem futuristischen Setting.
Plattformen: PC, Xbox One
Getestet: Version 1.0.9 auf PC Intel Core i7-6700HQ, 8GB RAM, GeForce GTX 960M
Entwickler / Publisher: Snapshot Games
Release: Juli. 2019
Link: Offizielle Webseite