Port Royale 4 im Test

Schon in Sid Meier’s Pirates! (Microprose, 1987) bin ich voller Begeisterung mit meinem Schiff die Inseln der Karibik abgefahren und habe spanische Galeeren geplündert sowie unermessliche Reichtümer angehäuft. Da kommt mir Port Royale 4 gerade recht, um wieder nach Jamaica zurückzukehren. Als Gouverneur einer kleinen Stadt in der Karibik muss ich Geld und Ruhm anhäufen, um so meiner Nation zur Vorherrschaft in der Region zu verhelfen. Der bereits vierte Teil einer alteingesessenen Handelssimulationsreihe muss doch gut sein, oder?

Das Spiel hat bei Erscheinen recht durchwachsene Kritiken eingefahren. Nachdem Kalypso nun den Patch auf Version 1.4 veröffentlich hat, ist es an der Zeit, sich das Spiel genauer anzusehen. Zum einen hatte die Releaseversion einige Fehler, die aber inzwischen behoben wurden. Zum anderen sollte man sich im Klaren sein, dass Port Royale 4 zwar eine außerordentlich hübsche Grafik hat, aber dennoch eine Handelssimulation mit dem Charme einer Gewinn & Verlust Rechnung ist. Wer nicht auf Zahlen, Bilanzen und Handel steht, ist bei Port Royale 4 falsch.

Nachdem also geklärt ist, dass der Schwerpunkt nicht beim Plündern und Brandschatzen liegt, versuche ich mein Glück als Kaufmann. So ganz ohne Kanonen und Piraten kommt ein Szenario, das Ende des 16. Jahrhunderts in der Karibik spielt, natürlich trotzdem nicht aus. Die spielbare Karte beschränkt sich auf die Karibik. Wir können unser Handelsimperium von Florida bzw. den Bahamas im Norden bis zur Küste des südamerikanischen Festlandes im Süden (Venezuela, Guyana) aufbauen. Rund 60 Städte (oder besser: kleine Ansiedlungen) warten nur darauf, von unseren Schiffen mit Handelsgütern versorgt zu werden. Die Zeit auf der Weltkarte von Port Royale 4 läuft kontinuierlich, das Spiel kann aber jederzeit pausiert werden.

Wie im echten Leben – zuerst kommen die Grundlagen

Ich empfehle jedem Möchtegern-Händler, zuerst die ausführlichen und in Deutsch vertonten Tutorials durchzuspielen. Hier lernt man einmal die Grundlagen des Spieles, ohne deren Kenntnis im späteren Spielverlauf nur Frust aufkommen wird. Man erfährt etwa, wie man Waren an- und verkauft, wie man Schiffe kauft, repariert und mit Kanonen bestückt, wie man einen Schiffskonvoi (aus einem oder mehreren Schiffen) erstellt und auf den Weg schickt. Handelsrouten müssen genau festgelegt werden, und in seiner Heimatstadt (später auch weiteren Städten) kann man auch Produktionsstätten errichten und Wohnraum für weitere Siedler schaffen. Schließlich lernt man auch noch die Grundlagen von Gefechten auf See – so ganz friedlich geht es also auch bei Port Royale 4 nicht immer zu.

Kampagne oder freies Spiel

In Port Royale 4 gibt es zwei grundsätzliche Spielmodi – entweder man spielt eine der vier recht langen Kampagnen, in denen man unter Zeitdruck bestimmte Aufgaben erfüllen muss, die uns der Vizekönig erteilt. Jede der vier Kolonialmächte der Karibik (England, Spanien, Frankreich und Holland) hat ihre eigene Kampagne. Oder aber man tut was man will – im freien Spiel. In beiden Spielmodi wählt man zuerst seinen Charakter (Abenteurer, Händler, Freibeuter oder Pirat), der jeweils über zwei Stärken und eine Schwäche verfügt. Im freien Spiel wählt man danach auch noch seine Nationalität, die wiederum jeweils einen speziellen Bonus, wie beispielsweise billigere oder kampfkräftigere Schiffe, mit sich bringt.

Im Spiel gibt es 25 verschiedene Handelswaren. Jede Stadt kann bis zu sieben davon produzieren, die Nachfrage an Warenvielfalt ist jedoch meist viel höher. Je weiter entwickelt eine Stadt ist, desto mehr Artikel werden nachgefragt – und diese Nachfrage wird von Händlern wie uns befriedigt. Wir kaufen Waren in einer Stadt und transportieren sie in eine andere Stadt, wo wir sie wieder verkaufen. So sorgen wir für eine Verteilung der Rohstoffe und Waren in der Region, während wir unsere Schatztruhe immer mehr füllen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir die Waren billiger einkaufen, als wir sie schließlich verkaufen. Auch unsere Spesen für Schiffe und Crew müssen im Warenerlös abgedeckt sein, sonst sind wir schnell pleite. Eine unserer Hauptaktivitäten im Spiel ist es daher, herauszufinden wo Waren günstig zu erwerben sind und wo wir dieselben Waren teuer verkaufen können. Grundsätzlich sind Waren dort billig, wo sie produziert werden und daher im Überfluss vorhanden sind. Teuer sind sie dort, wo gerade ein Mangel an der Ware vorherrscht. Das grundlegende Spielprinzip von Port Royale 4 besteht also wie bei jeder halbwegs realistischen Handelssimulation darin, bei Überangebot billig einzukaufen und bei Mangel teuer zu verkaufen. Klingt sehr einfach, oder?

Die Handelsrouten

Um also die Waren von einer Stadt in eine andere zu bringen, erstellen wir eine Handelsroute für unsere Schiffe. Dabei wählen wir einfach den Zielhafen an, zu dem unser Konvoi fahren soll. Selbstverständlich ist ein gerader Kurs im Regelfall nicht möglich, weil beispielsweise eine Insel dazwischen liegt, und auch selten sinnvoll. Ein kluger Planer berücksichtigt vor allem den Wind, weil unsere Schiffe allesamt Segelschiffe sind. Rudergaleeren waren damals bereits aus der Mode und Dampfschiffe noch nicht erfunden. Also orientieren wir uns bei der Routenplanung vor allem an den vorherrschenden Windrichtungen, aber auch Meeresströmungen, Untiefen, die Unwetterhäufigkeit oder die berichtete Piratentätigkeit spielen bei der Planung einer Handelsroute eine Rolle. Man kann die Route genau festlegen und erhält sofort eine Berechnung der voraussichtlich dafür benötigten Zeit. Auch die eingesetzten Schiffe sind von Relevanz, da große Schiffe zwar viele Waren aufnehmen können, aber bei seichtem Wasser ein Problem haben. Kleine Segler hingegen können schnell entlang der seichten Küste fahren, ohne bekannte Piratengewässer durchqueren zu müssen. Der Wind verändert sich übrigens nur selten, was zwar nicht unbedingt vollkommen realistisch ist, aber das Spiel ist auch so bereits komplex genug.

Unsere Schiffe werden in Konvois auf die Reise geschickt. Ein Konvoi in Port Royale 4 kann auch aus nur einem Schiff bestehen, das Hinzufügen oder Entfernen von Schiffen im Hafen erfolgt kinderleicht. Wir stellen also unsere Handelsrouten unter Berücksichtigung von Geografie, Wetter und Piraten zusammen, die unsere Konvois danach benutzen. Anfangs haben wir nur ein Schiff, aber bald können wir weitere Schiffe erwerben – besonders günstig als Gebrauchtschiff, wenn gerade ein Mitbewerber in Konkurs gegangen ist – oder lassen neue Schiffe bauen, wenn in einer Stadt alle dafür nötigen Rohstoffe vorhanden sind. Insgesamt kommen 18 historische Segelschiffstypen im Spiel vor. Werden Schiffe auf Ihrer Fahrt beschädigt, sollten wir sie im nächsten Hafen reparieren lassen. Das kosten uns dann sowohl Zeit als auch Geld. Um das Spiel spannender zu machen, können unterschiedliche Arten von Wirtschaftseinbrüchen auftreten, die bestimmte Gegenden (oder die ganze Karibik) betreffen. Eine Heuschreckenplage etwa zerstört bestimmte Waren oder unerwartete neue Steuern verteuern bestimmte Waren drastisch. Wir können Kapitäne anheuern und diese unseren Konvois zuweisen. Notwendig ist das nicht, aber manchmal sinnvoll, da sie in schwierigen Situationen bessere Ergebnisse erzielen. Auch bei Seegefechten können erfahrene Kapitäne durch ihre Taktiken einen beträchtlichen Vorteil bringen. Höchstens 10 Kapitäne können gleichzeitig unter Vertrag stehen, selbst wenn man viel mehr Konvois besitzt. Also sollte man sie dort einsetzen, wo sie am dringendsten benötigt werden.

Für Tüftler und Optimierer

Die Warenmengen und -preise bei unseren Handelsrouten können wir auf Automatik stellen, was recht gut funktioniert. Es wird dann nur soviel gekauft, was auch zu einem vernünftigen Preis erhältlich ist und im Zielhafen gewinnbringend verkauft werden kann. Wer ins Detail gehen will, kann hier auch detailliertere Vorgaben machen, welche Menge zu welchem Preis gekauft werden soll. Je mehr Städte man verwaltet, desto komplexer wird das Zusammenspiel aus Angebot und Nachfrage und die optimale Versorgung von Produktionsbetrieben mit Rohstoffen beziehungsweise der Bevölkerung mit fertigen Produkten. Wenn es gelingt, einen florierenden Handel aufzubauen, kann man durchaus stundenlang seinen Schiffen beim Herumfahren zuschauen. Im Regelfall wird man jedoch noch das eine oder andere Schiff zurückhalten, um damit dringende Aufträge des Vizekönigs zu erfüllen oder auf andere unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren.

Sim City light

Bereits zu Beginn des Spieles sind wir Gouverneur einer Stadt und für die Stadtplanung verantwortlich. Im weiteren Spielverlauf können wir beim Vizekönig die Rechte zum Bau von Gebäuden in weiteren Städten erwerben. Neben dem Handel gehört also auch die Stadtentwicklung zu unseren Aufgaben. Wir können aus 50 verschiedenen Gebäuden wählen, um eine Stadt zu erweitern. 25 dieser Gebäude sind Produktionsstätten wie Farmen oder Plantagen. Die Lage der verschiedenen Gebäude ist überaus wichtig für deren Effizienz. Es ist nicht sinnvoll, stinkende oder laute Produktionsbetriebe direkt neben Wohngebieten aufzuziehen. Dafür lieben es die Leute, wenn Kirche, Krankenhaus oder die Taverne in der Nähe sind. Für die Herstellung einfacher Güter ist es hilfreich, wenn die Produktion der Rohstoffe gleich um die Ecke erfolgt. Dieses Ausnutzen von Nachbarschaftseffekten ist also wichtig, um die Produktivität und das allgemeine Wohlbefinden unserer Bürger zu erhöhen. Städte wachsen mit der Zeit, sofern sie mit benötigten Ressourcen versorgt werden und ihre Bevölkerung zufrieden ist.

Der Vizekönig

Der lokale Vertreter des Herrschers jeder Nation ist der Vizekönig. Dieser ist extrem geldgierig und lässt sich Handelslizenzen für jede einzelne Stadt ebenso wie Konzessionen für die Herstellung von Produkten oder auch Kaperbriefe teuer bezahlen. Dafür gibt er uns auch immer wieder einmal Aufträge, die wir erfüllen können oder auch nicht. Sollten wir sie erfüllen, verbessern wir unser Ansehen und erhalten die Möglichkeit für den Erwerb neuer Gebäude oder auch zum Einsatz neuer Schiffstypen. Wenn uns die Gier des Vizekönigs reicht und wir stark genug sind, können wir unsere Städte in die Unabhängigkeit führen. Das führt jedoch unweigerlich zu einem Unabhängigkeitskrieg mit dem Vizekönig. Als unabhängige Nation haben wir dafür nun die volle Kontrolle über die diplomatischen Beziehungen mit den anderen Nationen und brauchen keine Kaperbriefe mehr. Zusätzlich werden automatisch eigene Schatzflotten nach Europa gesandt, um koloniale Güter gegen Ruhm einzutauschen.

Die Seeschlachten

Seeschlachten sind zwar nicht das wesentliche Spielelement von Port Royale 4, kommen aber vor. Sie können entweder automatisch ausgefochten werden, oder man übernimmt in einem rundenbasierten Strategiespiel die Steuerung seiner Schiffe selbst. Jedes Schiff verfügt über eine bestimmte Anzahl an Bewegungspunkten, die für unterschiedliche Manöver auf dem Hex Feld verwendet werden können. Eine Richtungsänderung bei einem großen Segelschiff verbraucht viele Bewegungspunkte, während wir geradeaus weite Strecken fahren können. Feindliche Schiffe werden mit Breitseiten beschossen. Jedes Schiff kann pro Runde zwei Breitseiten abfeuern, eine in Richtung Backbord und eine in Richtung Steuerbord. Es macht also manchmal Sinn, zwischen zwei gegnerische Schiffe zu segeln, um beide Breitseiten aus kurzer Entfernung abfeuern zu können. Die Kampfkraft eines Schiffes bestimmt sich aus dem Schiffstyp, der Anzahl an Matrosen, ob ein Kapitän an Bord ist, und ob zusätzliche Kanonen vorhanden sind. Schiffe können versenkt oder geentert werden. Verschiedene spezielle Taktiken (Rauch, Ranhalten, Reparieren…) gewähren uns Vorteile. Im Laufe des Spiels erhalten wir neue, mächtigere Taktiken als Belohnung für erfüllte Aufträge. Außerdem kann man entweder mit schweren Kanonenkugeln das gegnerische Schiff zerstören oder mit Streumunition die gegnerischen Matrosen dezimieren.

Ein Gefecht kann schon mal einige Zeit dauern, ähnlich wie eine Auseinandersetzung bei X-COM. Wenn man Schlachten automatisch austragen lässt, geht das zwar schnell, führt aber oft nicht zu einem optimalen Ergebnis. Eine sehr angenehme Funktion ist es, Kämpfe jederzeit an die KI übergeben zu können. Das macht Sinn, sobald man die gegnerische Flotte bereits schwer beschädigt hat. Ach ja, ein Schummeln, wie in Port Royale 3, durch das andauernde Umkreisen der gegnerischen Schiffe ist nicht mehr möglich.

Zusammenfassung

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