Raketen, Blitze und geraubte Fahnen. Der altbekannte Arena-Shooter von ID Software meldet sich in neuem Gewand retour – ohne Fahnen. Mit der Implementierung neuer Heldenfähigkeiten in Quake Champions, was wohl einer Heranführung an den aktuellen, virtuellen Zeitgeist entspricht, wagt das texanische Entwicklerstudio die Probe aufs Exempel. Früher ging es vor allem um Präzision, Bewegung, Kontrolle als auch Reflexe. Kurz: Können. Doch lenken Dinge wie Lootboxen und Helden-Skins von den früheren Werten ab? Time to party down.
The Champ wants to be back
Nach der ausgiebigen, offenen Beta Ende Mai öffneten sich im Spätsommer die Tore zur Arena in der Early-Access-Variante. Wer diese kaufbare Verlängerung der Beta für akuell Euro 29,99 erwirbt, erhält sofortigen Zugang zu allen verfügbaren und zukünftigen Champions. Die Charaktere können zu einem späteren Zeitpunkt aber auf Wunsch einzeln angeschafft oder sogar in Lootboxen gefunden werden. Prinzipiell eine gute Variante, da so absolute Entscheidungsfreiheit darüber herrscht, wie viel das Spiel kosten soll. Spieler, die auf den klassischen Duell-Modus schielen, werden ohnehin nicht darum herumkommen, sich zumindest drei Helden zuzulegen. Denn darin werden nun, in einem von der Inszenierung an ein Moba-ähnlichen Draft-System erinnernd, die Helden vorab ausgewählt, die dann der Reihe nach zum Einsatz kommen.
Insgesamt existieren bisher vier Spielmodi, acht Arenen und elf unterschiedliche Charaktere. Neben den bekannten wie Deathmatch, Team-Deathmatch und Duell wurde ein neuer Modus namens „Sacrifice“ hinzugefügt, der zusätzlich zum Duell als zweite E-Sports-Variante zum Einsatz kommen soll. Vorstellbar ist dieser als eine Mischung aus Capture the Flag und Domination. In Sacrifice treten zwei Teams aus jeweils vier Spielern gegeneinander an und versuchen, eine Seele, die in der Mitte der Karte erscheint, aufzuheben. Diese muss zum eigenen Obelisken gebracht und eine Zeit lang verteidigt werden, um einen Punkt zu ergattern. Wer zuerst eine vorgegebene Anzahl an Punkten erreicht, gewinnt. Alle Modi konnten bisher überzeugen und bieten gute Unterhaltung. An diesem althergebrachten Konzept vergeigt Quake Champions den Rocket Jump schon mal nicht.
Vielfalt die viel fällt
Jeder der elf angesprochenen Champions hat unterschiedliche Eigenschaften und eine einzigartige Fähigkeit. Der aus den letzten Teilen bekannte „Ranger“ kann beispielsweise eine wolkenähnliche Kugel werfen und sich entlang deren Flugbahn in sie hineinteleportieren. Außerdem erleidet er weniger Schaden, wenn er sich durch Unachtsamkeit oder pure Absicht selbst Schaden zufügen sollte (Halloooo Rocket Jump). Anarki hingegen kann sich eine Spritze setzen, um seine Lebenspunkte sofort auf den für ihn möglichen Maximalwert zu bringen. Durch sein Hoverboard kann er in der Luft ähnlich scharfe Richtungswechsel durchführen wie am Boden und verfügt außerdem über die altbewährte Methode des Strafe-Jumpings.
Doch nicht nur in puncto Fähigkeiten gibt es Differenzen. Einerseits haben alle Charaktere Hitboxen von unterschiedlicher Größe. Schmale und schnelle Charaktere wie Anarki profitieren davon sehr stark, da sie dadurch noch schwieriger zu treffen sind, was für altgediente Veteranen sicher eine gewisse Umstellung bedeuten wird. Dass Akteure wie Orbb, das Auge auf 2 Beinen, im Vorgänger Quake Live dieselbe Trefferfläche hatte wie alle andren, war gemeinhin sehr angenehm und wirkte fair. Doch immerhin wird diese Änderung durch geringere Lebenspunkten ausgeglichen, denn der Maximalwert an Lebens- und Rüstungspunkten ist bei diesen Helden reduziert. Kampf-Echse Sorlag hingegen nennt einen enorm großen HP-Pool sein Eigen, bewegt sich dafür aber beträchtlich langsamer. Eine Modifikation, die durchaus taktische Elemente verspricht. Per se ist dies keine negative Änderung, wenn Quake Champions nicht an einem ganz eklatanten Problem leiden würde: Der technischen Umsetzung.
Early Access par excellence
Das größte Manko von Quake Champions ist unbestreitbar die technische Umsetzung. Zu einem teilweise schwammigen Waffenfeedback gesellen sich Netcode-Probleme und fragwürdige Design-Entscheidungen. Dies führt sogar so weit, dass Direkt-Treffer aus dem Raketenwerfer vom Server hin und wieder nicht registriert werden und keinen (!) Schaden verursachen. Allein in einigen wenigen Teststunden ist dieser Fall schon mehrmals aufgetreten. Unter diesen Voraussetzungen schien die Veranstaltung der prestigeträchtigen QuakeCon im August riskant, ging es immerhin um einen Preispool von 52.000 Dollar. Doch glücklicherweise kamen solche technischen Unzulänglichkeiten im Turnier nicht vor. In den Regional Finals andererseits schon. Adressiert wurde das Problem inzwischen jedenfalls mehrfach seitens der Community.
Die altbekannten Health Globes stellen inzwischen nicht mehr per se 25 Punkte her, sondern sind abhängig von der Anzahl der Lebenspunkte, über die der Charakter beim Aufsammeln selbiger in sich trägt. Wenn einen nur mehr 12 Punkte vom virtuellen Tod trennen, werden bei Aufnahme der Kugel 13 Trefferpunkte wiederhergestellt. Nennt man jedoch 13 Hit Points sein eigen, schnellt der Lebens-Vorrat stattdessen auf 50 hoch. Wer nun ungläubig mit offenem Mund vor dem Bildschirm sitzt und „Lügenkresse“ denkt: Schön wärs. Schuld daran sind die eingeführten Lebensbalken, an welche die Menge des wiederhergestellten Lebenselixiers angepasst wurde. Warum das altbekannte 25-Punkte-System nicht beibehalten wurde, ist ein absolutes Rätsel. Sogar dieses Balken-System könnte sinnvoller implementiert werden, wenn einfach jeder Balken 25 Leben darstellen würde. So benötigt es einiges an Übung, sich an ein unnötig aufgesetzt wirkendes System zu gewöhnen. Oft geht es vor allem nur um die Information, ob der nächste Treffer aus einer fremden Rail Gun ein tödlicher wäre. Da sich dieses Prinzip nun nicht mehr gleich verhält, belaufen sich die Optionen auf schnelle Kopfrechnungen oder Auswendiglernen. Dies wirkt sehr konträr zur gewohnt schnellen Dynamik, für die die Marke Quake ansonsten steht.
Waffen mit Vorlaufzeit
In puncto Bewaffnung gibt es nicht viele Neuerungen. Das vertraute Arsenal steht im Kampf auf Leben und Tod zur Verfügung, mit kleinen Einschnitten. Zu Beginn liegt die Wahl beim Spieler, mit welcher Waffe er beginnen möchte. Auswählbar sind das Maschinengewehr, die gute, alte Schrotflinte oder die Nagelpistole. Alle drei lassen sich zu durch in jeder Arena aufsammelbare Upgrades in eine stärkere Variante umwandeln. Allerdings erscheinen die Ballermänner nun viel schneller, als Veteranen es gewohnt sind. Der Fokus wird somit noch stärker auf Kontrolle der Power-Ups gelegt, da das Feuerwaffen-Arsenal schnell wieder aufgestockt werden kann. Die Rail-Gun verursacht nun mehr Schaden, wenn sie etwas mehr als eine Sekunde im Zoom-Modus betrieben wird. Dies wird vor allen bei nahenden Auseinandersetzungen auf kurzer Distanz zu Herausforderungen führen, soll den Spieler aber wohl dazu bringen, öfter die Brennweite nachzujustieren.
Der Granatenwerfer existiert mittlerweile nicht mehr und die Plasma verschießenden Donnerbüchse wurde durch die Super-Nagelpistole ersetzt. Was zuerst wie ein vulgärer Spitzname für Männer, die dem Storch gern Arbeit verschaffen, klingt, entpuppt sich als herausforderndes Kleinod, mit dem viel Schaden ausgeteilt werden kann. Die Krux ist jedoch, dass sich die einzelnen Projektile mit kleineren Schritten auf den Weg machen und somit eine gewisse Verzögerung beim Einschlagsort entsteht. Folglich ist hier viel Übung und Erfahrung nötig, um den Schießprügel gewinnbringend nutzen zu können.
Qualität oder Quatastrophe
Quake Champions macht unbestritten Laune. Egal in welchem Spielmodus angetreten wird, das Glücksgefühl nach einer schönen Kombination oder der seriellen Auslöschung mehrere Gegner, während mit Highspeed durch die Arena geflogen wird, kommt nach einigen Stunden Spieldauer schnell wieder auf. Umso schlimmer, dass ähnlich oft Frustmomente durch die schlampige, technische Umsetzung des Titels entstehen. Etwa wenn wunderschön gezielte Raketen ihr Ziel in der Luft treffen, aber aufgrund des Netz-Codes nicht gewertet werden. Oder wenn die lebensrettende Heil-Boje erreicht wird, aber aufgrund des seltsamen Systems nicht weit genug heilt, um uns den so-sicher-wie-das-Amen-im-Gebet-folgenden Rail-Treffer überleben zu lassen.
Quake hat ebenso von der rasanten Zugänglichkeit gelebt, da zwischen Starten des Spiels und dem ersten Frag mit der Waffe seiner Wahl meist nur eine Minute lag. Gegenwärtig kann die Wartezeit zur Teilnahme am Gladiatorenkampf aufgrund der Ladetätigkeit aber schon mal vier Minuten betragen. Ja, Quake Champions befindet sich aktuell in einer Beta Version. Doch weder ist die Marke neu, noch das dahinterliegende System oder das Spielprinzip. Klar, Grafik-Updates bedingen sicherlich andere Änderungen, die Herausforderungen und Probleme mitbringen. Aber warum ein FPS-Veteran wie ID Software solche Dinge nicht schneller in den Griff bekommt, ist fragwürdig. Demnach lautet die Devise: Abwarten und das Blut deiner Gegner trinken. Kommt Zeit kommt Kill. Es gibt mittlerweile durchaus ansprechende Konkurrenz am Markt.