Red Dead Redemption 2 im Test

Vor genau acht Jahren veröffentlichten Rockstar Games mit Red Dead Redemption ein Spiel für die Ewigkeit. In der Rolle des ehemaligen Outlaws John Marston durchstreifen wir einen wilden Westen, der 1911 bereits in seinen letzten Atemzügen liegt. Red Dead Redemption 2 ist ein Prequel zum Klassiker. Das Abenteuer von Arthur Morgan erzählt von Loyalität, Misstrauen und Verrat. Gepaart mit grandiosem Gameplay ist dieser späte Nachfolger, für mich, nicht weniger als ein Meisterwerk, nicht zuletzt aufgrund seiner gewaltigen Liebe zum Detail.

Das Schicksal einer Gang

Amerika, 1899. Die Gang rund um Dutch van der Linde sieht sich nach einem desaströs fehlgeschlagenen Überfall dazu gezwungen, schlagartig in die verschneiten Berge bei Blackwater zu fliehen. Durch zahlreiche Verluste gezeichnet, mussten sie den Großteil ihrer Beute zurück lassen und sehen sich mit einem Kampf ums nackte Überleben konfrontiert.

Bereits in seinem Auftakt beweist Red Dead Redemption 2 sein narratives Geschick. Wir werden mitten in eine Fluchtsituation geworfen, ohne über die genauen Hintergründe Bescheid zu wissen. Zwar wird angedeutet, dass ein Plan bezüglich einer Fähre gewaltig schief gegangen ist, aber welche Umstände zu diesem Desaster geführt haben, bleibt im Unklaren. Gerüchte machen die Runde, nach denen der Bandenführer, Dutch van der Linde, ein unschuldiges Mädchen bei der Sache getötet haben soll, doch diesen wollen seine Anhänger keinen Glauben schenken. Allen voran Arthur Morgan – die Hauptfigur von Red Dead Redemption 2 und Gründungsmitglied der Van der Linde Gang. Arthur begleitet Dutch schon seit seinen Jugendjahren, daher sieht er in dem charismatischen Anführer, der eigentlich für seine Umsicht und für das Vermeiden ziviler Opfer bekannt ist, eine Vaterfigur und in der Gang seine Familie. Doch auch Arthur wird mit der Zeit nicht mehr ignorieren können, dass mit Dutch etwas nicht stimmt und dass sie alle dazu verdammt sind, ihrem Ideal, der Freiheit, beim Sterben zuzusehen.

Das Pacing der Geschichte ist sehr langsam gehalten. Dies ist in meinen Augen jedoch ein Vorteil. Red Dead Redemption 2 nimmt sich Zeit für seine Figuren. Gerade in den ersten Stunden sind wir damit beschäftigt, Aufträge für die Gang, beziehungsweise einzelne Mitglieder zu erledigen. Dabei lernen wir unsere Gefährten durch Dialoge oder dem Kontext der Aufträge besser kennen. Dieser Kniff ist auch erzählerisch sehr wichtig, denn dadurch gehen dem Spieler die späteren Ereignisse nur noch mehr an die Nieren.

Da Red Dead Redemption 2 rund zwölf Jahre vor den Ereignissen des Vorgängers spielt, sind einige Aspekte des Schicksals der Dutch van der Linde Gang bereits bekannt. Rockstar Games schafft es trotzdem, ein neues Licht auf bekannte Figuren zu werfen. Auch verzichtet man bei der Charakterzeichnung auf simple Schwarz-Weiß-Darstellung. Besonders sichtbar wird dies bei unserem Hauptprotagonisten Arthur Morgan. Arthur würde sich ohne zu zögern zum Wohle der Bande selbst opfern, hat kein Verständnis für Rassismus und findet keine Freude am töten. Auf der anderen Seite wiederum hat der Outlaw kein Problem damit, bei einer Witwe die Schulden des vor kurzem verstorbenen Mannes einzutreiben. Er tötet Zeugen, schlägt schon mal auch Frauen und Gesetze sieht er als lästiges Hindernis zwischen sich und seinen Zielen.

Trotz seiner Fehler schafft es Arthur Sympathie und Verständnis zu wecken. Das gelang bisher keinem GTA-Helden. Der Einzige den ich wirklich mochte war Trevor in GTA 5. Weil er mich irgendwie an eine abgefuckte Version von Jack Nicholson erinnerte.

Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Star von Red Dead Redemption 2 ist, wie so ziemlich in jedem Game von Rockstar Games, das Gameplay und die offene Welt. Die Aufträge der Rahmenhandlung, die euch alleine schon mindestens 50 Stunden beschäftigen werden, sind gut geschrieben und sehr abwechslungsreich gestaltet. Darin kommt es natürlich zu starken Momenten wie es von einem Western-Epos erwartet wird. Man überfällt Züge, raubt Banken aus, liefert sich Scharmützel mit dem Gesetz oder holt inhaftierte Gangmitglieder aus dem Knast. Bei all dem Bombast nimmt sich Red Dead Redemption 2 aber auch Zeit für die kleinen zwischenmenschlichen Momente. So gibt es einen Auftrag, bei dem wir uns mit einem Kumpanen betrinken sollen, um ihn von seinen Schuldgefühlen abzulenken. Das ganze endet in einem so herrlich eskalierenden Saufgelage, dass man sich unweigerlich an eine der lustigsten Szenen aus The Witcher 3 erinnert fühlt. Oder man bringt dem kleinen Jack, der Sohn von John Marston, das Angeln bei. Es ist dieser von der Regie gut gesetzte Rhythmus aus lauten und ruhigen Momenten, welcher mich unentwegt bei der Stange hielt.

Doch so gut die Story auch geschrieben und inszeniert ist, Red Dead Redemption 2 tut sein möglichstes den Spieler von seiner Story wegzulocken. Die ganze Spielwelt ist gespickt mit launigen Nebenaktivitäten. Seien es Schatzsuchen, welche wir nur anhand gezeichneter Hinweise finden können, oder Duelle gegen Legenden ihres Fachs. Es gibt so viel zu tun, dass man nicht weiß, was man zuerst angehen soll. Poker, Black Jack und Domino sind nur ein paar der Minispiele, die in Red Dead Redemption 2 zu finden sind.

Auch können wir in größeren Siedlungen Steckbriefe einsammeln, auf die Jagd nach den Unholden gehen und bei ordnungsgemäßer Lieferung das Kopfgeld kassieren. Apropos Kopfgeld: Jeder Outlaw der etwas auf seinen Ruf hält, wird früher oder später ein Kopfgeld aufgebrummt bekommen. Je nach Höhe wird es danach umso schwerer, sich frei und unerkannt in Siedlungen zu bewegen. Sollte dies der Fall sein, könnt ihr die Prämie, die auf euren Kopf ausgeschrieben ist, bei einer Poststation selbst begleichen und steht danach nicht mehr unter Beobachtung.

Solltet ihr eine Verschnaufpause vom harten Leben eines Gesetzlosen brauchen, könnt ihr euch beim Angeln entspannen. Je nach Platz und Köderart könnt ihr Fische in diversen Größen fangen. Natürlich gibt es auch hier legendäre Exemplare zu finden, diese brauchen allerdings einen passenden Spezialköder.

Blutiger Realismus

Neben dem Angeln verbrachte ich meine Zeit in Red Dead Redemption 2 mit der Jagd auf Wild. Diese fällt hier noch um einiges realistischer aus als in seinem Vorgänger und das musste ich auf schmerzhafte Weise herausfinden. Als ich zum ersten Mal einen Hirsch schoss, stellte ich fest, dass ich ihn zwar getroffen hatte, aber scheinbar nicht tödlich. Also folgte ich dem Tier und was ich da zu sehen bekam, hatte ich so nicht erwartet. Das Tier lag am Boden, sich vor Schmerzen windend und laut schreiend hatte es versucht vor mir zu fliehen, konnte es aber wegen seiner Verwundung nicht mehr. Ich stand da und musste schlucken. Man konnte die Angst und die Verzweiflung des Tieres spüren, bis zu dem Augenblick an dem ich es mit einem Messer erlöste. Es gibt im Netz gerade die Diskussion, ob eine so realistische Darstellung der Jagd und der damit verbunden Brutalität nötig sei. Ich tendiere ganz klar zu einem Ja. Durch das was ich da gesehen habe, hatte ich gehörigen Respekt vor der Sache bekommen. Es waren für mich keine animierten Bots mehr, die ich nebenbei vom Pferd aus abgeschossen habe, sondern Lebewesen. Dadurch, dass ich ihnen das Leid und mir den Anblick ersparen wollte, habe ich mich mehr mit der Materie auseinander gesetzt. Ich habe mich bei der Jagd mehr bemüht und bin gerade dadurch noch mehr in der Welt von Red Dead Redemption 2 versunken.

Red Dead Redemption 2 ist im Allgemeinen in seiner Gewaltdarstellung nicht zimperlich. So wird zum Beispiel recht graphisch dargestellt, wie Arthur die Tiere häutet. Dann können wir den gehäuteten Kadaver mit unserem Pferd transportieren. Selbst was die Gewalt und deren Auswirkungen auf den Menschen betrifft, ist Red Dead Redemption 2 nicht von sanfter Natur. Schießen wir einem Gegner mit einer Schrotflinte in den Kopf, dann ist dieser danach nicht mehr vorhanden. Manchmal werden solche Brutalitäten von Splattereffekten in Zeitlupe à la Fallout begleitet. Wird ein Kontrahent von uns mit einer Pistole in den Hals getroffen, kann es durchaus sein, dass er sich noch einige Meter weit schleppt, ehe er in einer Blutlache verendet. Ich kann verstehen, wenn man sich an der Härte der Darstellung stößt, doch finde ich es gut, da die Gegenspieler dadurch mehr werden, als bloße Schießbudenfiguren. Auch zwingt uns Red Dead Redemption 2 dadurch unser Handeln zu reflektieren. Eine ganz große Stärke des Titels, wie ich finde.

Natürlich kann man die Jagd vermeiden. Doch wird es dann schwer an dringend benötigte Ressourcen zur Verbesserung der Ausrüstung zu kommen. Auch können durch den Verzehr des Fleisches die Ausdauer, Gesundheit und Dead Eye wieder aufgefüllt werden. Wenn man mal knapp bei Kasse ist, lassen sich die Materialien auch für gutes Geld verkaufen.

Der beste Freund des Outlaws

Red Dead Redemption 2 korrigiert einer der größten Schwächen des Vorgängers. Das edle Ross an eurer Seite ist diesmal mehr als ein bequemes Fortbewegungsmittel. Es empfindet Angst, hat Hunger, benötigt Pflege und will auch mal gestreichelt werden. Es mutiert zwar nicht zu einem überdimensionalen Tamagotchi, aber diese kleinen Kniffe vertiefen durchaus die Beziehung zu dem Pferd. Je mehr ihr euch mit dem Tier auseinandersetzt, desto mehr Vertrautheitspunkte könnt ihr sammeln. Dadurch werden automatisch die Werte des Pferdes verbessert und es werden zusätzliche Bewegungen wie aufbäumen oder eine rasche Bremsung freigeschaltet. Sind die maximalen Vertrautheitswerte erreicht, können Eigenschaften wie Ausdauer und Gesundheit durch das Bewältigen von Reitherausforderungen weiter gesteigert werden.

Doch nicht nur unser Pferd will gepflegt werden, auch Arthur muss essen, trinken und sich baden. Vernachlässigt man seine Körperhygiene wird man darauf angesprochen. Im Lager kann es dann auch passieren, dass man wegen Geruchsbelästigung  zu einem Bad gezwungen wird. Doch so weit wollen wir es nicht kommen lassen. Darum suchen wir von Zeit zu Zeit einen der vielen Saloons mit Waschbereich auf und nehmen dort, natürlich gegen eine kleine Gebühr, ein entspannendes Bad. Wer gewillt ist ein paar Cent draufzulegen, bekommt sogar eine helfende Hand zur Seite gestellt.

Auch einen Barbier sollte man gelegentlich aufsuchen. Mit fortschreitender Spielzeit wächst Arthurs Gesichts- und Kopfbehaarung. Dort lassen sich eine Vielzahl an Bartstilen und Frisuren auswählen. Kombiniert mit den Massen an Kleidungsstücken und Accessoires, lässt sich ein individueller Look für Arthur zimmern. Vom Redneck mit fetten Bart in Ganzkörperunterwäsche, über den super gepflegten Dandy, bis hin zum klassischen Cowboy. Für jeden Geschmack ist etwas dabei.

Grafik – hui, Steuerung – naja!

Ich bringe es am besten gleich auf den Punkt: Red Dead Redemption 2 sieht großartig aus. Es ist unglaublich was da von den aktuellen Konsolen auf den Bildschirm gezaubert wird. Die Charaktere, die Pflanzen- und Tierwelt sowie die Landschaft sind hoch detailliert und glaubwürdig animiert. Am meisten beeindruckt hat mich das Licht- und Schattenspiel in Red Dead Redemption 2. Wenn man mit seinem Pferd in den Sonnenuntergang reitet oder nachts vor dem Scheinwerfer eines Zuges steht, dann vergisst man gelegentlich vor lauter staunen zu atmen. Lobenswert ist es, dass sich Red Dead Redemption 2 diesmal auch komplett aus der Egoperspektive spielen lässt. Ich persönliche habe dieses Feature jedoch nie benutzt.

Ein paar Abzüge gibt es bei der Steuerung. Die gestaltet sich, Rockstar Games typisch, etwas schwammig. So ist es diesmal möglich Schränke zu plündern, doch lassen sich kaum gezielt Objekte anwählen. Durch stures Drücken der Viereck-Taste sacken wir alles ein, was noch Platz in unseren Taschen hat. Ungeachtet der Tatsache, ob es gebraucht wird oder nicht. Das mit dem Zielen ist auch so eine Sache. Es braucht ein wenig Eingewöhnung, da es sehr träge wirkt. Ist einem die Mechanik dann aber einmal ins Blut übergelaufen, dann steht dem einen oder anderen Kunstschuss nichts im Wege. Unterstützt wird man dabei übrigens auch wieder vom Dead Eye Modus. Dadurch verlangsamt sich die Zeit und ihr könnt bequem die Bereiche markieren in denen eure Gegner getroffen werden sollen.

Neu ist übrigens die Möglichkeit mit den NPCs zu interagieren. Dabei hat man dann die Möglichkeit zwischen grüßen, beleidigen und ausrauben zu wählen. Das ist im Spiel übrigens variantenreicher als es jetzt so auf dem Papier wirkt.

Der Sound ist sehr auch nicht von schlechten Eltern. Die englische Sprachausgabe ist sehr gut. Der Score erinnert immer wieder an die Klassiker von Enrico Morricone, was ungemein zur Atmosphäre beiträgt.

FAZIT

Acht Jahre mussten wir auf ein neues Red Dead Redemption warten. Hat sich das Warten ausgezahlt? Ja, das hat es! Red Dead Redemption 2 ist ein wahres Western Epos geworden. Schon in den ersten Minuten fühlte ich mich dank der tollen Inszenierung an The Revenant oder den Beginn von The Hateful Eight erinnert. Rockstar Games strickt durch geschicktes jonglieren von lauten und ruhigen Momenten eine spannende Geschichte rund um Freundschaft, Verrat und die Angst vor Veränderung. Oft ist auch eine gewisse Schwermut zu spüren, da die glorreichen Zeiten des wilden Westens, durch das Aufkommen von Industriestädten, sich dem Ende nähern. Obwohl wir es mit einer Bande von Verbrechern zu tun haben, wirken diese – gerade im Vergleich zu GTA 5 – selten unsympathisch. Dazu trägt unter anderem das Bandenlager bei. Dort erfahren wir viel über die Hintergründe unserer Mitstreiter und es entsteht ein tolles Wir-Gefühl. Man kann vielleicht den hohen Realismus bei der Gewaltdarstellung kritisieren. Ich allerdings finde es so gut und richtig, da man sein Handeln vielleicht ein wenig ernster nimmer. Bei mir zumindest war es so. Auch die schiere Anzahl an Nebenaufgaben wusste zu begeistern. Wie schon im Vorgänger verbrachte ich in Red Dead Redemption 2 unzählige Stunden beim Pokern oder der Jagd. Wer keine Lust darauf hat kann auch den teils sehr skurrilen (Stichwort: Zebra – Aufgaben) der sogenannten Fremden Personen erledigen. Und wer darauf auch keine Lust hat, kann einfach die atemberaubende Schönheit der Landschaft genießen. Red Dead Redemption 2 ist ohne Frage eines der besten Spiele dieser Generation und man wird es noch viele Jahre in guter Erinnerung haben.

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Was ist Red Dead Redemption 2?: Ein Open-World Spiel der GTA 5 Macher. Mit dem wilden Westen als Setting.
Plattformen: PS4, PS4 Pro, Xbox One, Xbox One X
Getestet: PS4 Pro
Entwickler / Publisher: Rockstar Games/Rockstar Games
Release: 26. Oktober 2018
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 9.6

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 10 | Handling: 8 | Spieldesign: 10 | Motivation: 10

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