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Road to Cyberpunk 2077: Teil 3 – Träumen Androiden von elektrischen Schafen?

Ab welchen Zeitpunkt ist künstliches Leben dem natürlichen ebenbürtig und muss ebenso respektvoll behandelt werden? Wenn es Angst fühlt, sich seiner selbst bewusst ist? Ist es die Fähigkeit zu Träumen, die uns „lebendig“ macht, oder ist es die Empathie, das Vermögen sich in andere Wesen hineinzuversetzen, die Leben als solches definiert? Nachdem wir im zweiten Teil des Specials einen Blick auf das Leben und Wirken des Autors Philip K. Dick geworfen haben, beschäftigen wir uns diesmal mit seinem wohl einflussreichsten Werk: Träumen Androiden von elektrischen Schafen?, der literarischen Vorlage zu Ridley Scotts Blade Runner. Es werden massive Spoiler zum Buch folgen!

San Francisco 1992. Die Welt wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. Nach einem nicht näher erklärten Atomkrieg, sind weite Teile der Erde unbewohnbar geworden. Ein Großteil der tierischen Population ist ausgestorben und die wenigen überlebenden Menschen, haben mit den gesundheitlichen Folgen des radioaktiven Staubs in der Atmosphäre zu kämpfen. Der Mars, inzwischen vom Menschen besiedelt, gilt als Fluchtort vor den lebensfeindlichen Gegebenheiten auf dem menschlichen Heimatplaneten. Während jenen, die Aufgrund der Strahlung, an körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit eingebüßt haben, das Recht auf Emigration abgesprochen wurde, versuchen die, die es können sich eine neue Existenz auf dem roten Planeten aufzubauen. Um ihnen die Lebenssituation auf dem Mars zu erleichtern, bekommen die Flüchtlinge biologische Androiden zur Verfügung gestellt. Da die künstlichen Menschen auf der Erde kritisch beäugt werden, ist ihnen der Zutritt auf dieser verwehrt. Sollten sie es doch wagen zurückzukehren, werden sie von sogenannten Prämienjägern gejagt und liquidiert – in Rente geschickt, wie es umgangssprachlich genannt wird. Einer dieser Prämienjäger ist der Polizist Rick Deckard. Er bekommt den Auftrag sechs Androiden zu ermorden mit der Aussicht auf großzügiges Kopfgeld. Das kann Deckard auch gut gebrauchen, denn er wünscht sich nichts mehr als ein lebendiges Haustier und diese sind in einer Welt mit reduzierter tierischer Population äußert kostspielig. Doch wird der routinierte Jäger bald feststellen, dass dieser Auftrag anders als die Vorherigen ist und wird sich bald fragen ob Androiden vielleicht von elektrischen Schafen träumen.

Zwischen“menschlich“

Empathie, die Fähigkeit sich in Einstellungen, Emotionen und Gedanken seines Gegenübers einfühlen zu können, bildet das narrative Kernthema des Romans. So ist es nicht der Nachweis menschlicher Intelligenz, anhand dessen Androiden identifiziert werden – aufgrund der biologischen Basis der Maschinen sind sie mit freiem Auge nicht mehr vom Menschen zu unterscheiden -, sondern die Abwesenheit von Mitgefühl für andere. In einer meiner Lieblingsstellen des Buches sinniert Deckard darüber, dass aus seiner Sicht nur Pflanzen- oder Allesfresser Empathie empfinden können. Würde ein Raubtier sich der Tatsache bewusst, dass seine Beute Todesangst fühlt und vom Wunsch zu überleben getrieben wird, es würde vor Schuldgefühlen verhungern. Das ist ein sehr interessanter Gedanke, zum einen, weil Deckard so für sich die Morde an den Androiden rechtfertigt, zum anderen, weil er selbst kalt und mitleidslos agiert, um sein Ziel zu erreichen. Was die Frage in den Raum stellt, ob er am Ende vielleicht selbst ein „Raubtier“ ist.

Das Thema der Empathie findet sich auch in der führenden Religion im Jahre 1992 wieder, dem sogenannten Mercerismus. Mit Hilfe einer „Einswerdungsbox“ betritt der Gläubige eine virtuelle Welt und verschmilzt mit dem Bewusstsein von Mercer, dem Propheten der Religion, um unter härtesten Bedingungen einen Hang in der Wüste zu besteigen. Androiden sind nicht in der Lage eins mit Mercer zu werden.

Um die fehlende Empathie des potenziellen Androiden festzustellen, wird auf eine Gerätschaft mit dem Namen Voigt-Kampff-Maschine zurückgegriffen. Mit Hilfe einer Auswahl von Fragen wird die Reaktion des Befragten gemessen und so die Frage nach vorhandenen Einfühlungsvermögen beantwortet. So zumindest die Theorie, denn diese Art von Test ist nicht unumstritten, da „Andis“ – wie Deckard sie nennt – dem Menschen immer ähnlicher werden und die Dunkelziffer der unschuldig Liquidierten beängstigend hoch ist. Unter gewissen Voraussetzungen, wie psychische Erkrankung oder Autismus, kann auch der Mensch unter mangelnder Empathie leiden.

Von Mensch und Tier

Wie bereits erwähnt sind lebendige Tiere nach dem Atomkrieg selten geworden und der Besitz eines solchen, gilt in der Gesellschaft als Statussymbol. Rick Deckard besaß ein Schaf, das er auf der Dachterrasse seiner Wohnung hielt. Als dieses starb, ließ er sich heimlich eine elektronische Kopie bauen. Elektronische Tiere sind lebensecht, werden von Menschen mit geringerem Kapital gekauft und gelten in der Gesellschaft als ebenso verpönt wie eine Gummipuppe im Kleiderschrank.

Im Allgemeinen skizziert Philip K. Dick in Träumen Androiden von elektrischen Schafen? ein sehr tristes, fast schon resignierendes Bild der Gesellschaft und von Deckards Leben. Er und seine Frau hängen an sogenannten „Gefühlsorgeln“, ein Instrument, welches seinen Träger überall und zu jeder Zeit die gewünschte Gefühlsregung spüren lässt. Menschen, die unter den Folgen der atomaren Verseuchung leiden, werden in der Allgemeinheit als Spatzenhirne bezeichnet und als Menschen zweiter Klasse behandelt. Einer von jenen ist der „Spezialfall“ J.R. Isidor aus dessen Perspektive wir Teile der Geschichte erleben. Der Mann, dessen IQ nach den radioaktiven Fallout rapide sinkt, beherbergt einige der gesuchten Androiden und beweist somit mehr Einfühlungsvermögen als die eigentliche Hauptfigur.

Blickt man auf Deckard, fällt es schwer Sympathien aufzubauen, zumindest ging es mir so. Während die vermeintlichen Antagonisten mit dem Wunsch leben zu dürfen nachvollziehbare Motive für ihr Handeln haben, sieht der Kopfgeldjäger nur seinen persönlichen Aufstieg in der Ermordung der synthetischen Menschen. Erst als er mit der Androidin Rachel eine Affäre eingeht, beginnt er sich und sein Tun zu hinterfragen.

Die Angst vor Demaskierung

In meinem zweiten Teil des Specials erklärte ich, dass die allgegenwärtige Bedrohung in Dicks Werken die Demaskierung der Wirklichkeit ist, dass das, was uns Vertraut scheint, in Wahrheit das ist was wir fürchten. Träumen Androiden von elektrischen Schafen? ist ein Paradebeispiel dafür. Achtung: es folgen harte Spoiler! Mercers Kampf gegen den Hang, ist eine Szene aus einem Film der Vorkriegszeit und der Protagonist ein alkoholkranker Schauspieler. Eine Tatsache die der weltbekannte Moderator Buster Freundlich offenbart und sich selbst als Androide zu erkennen gibt. Rachel hat neben Deckard mit anderen Prämienjägern geschlafen, mit dem Ziel bei ihnen Empathie für ihre Beute entwickeln zu lassen. Ein seltener Frosch, den Deckard nach der Ermordung seiner neuen Ziege findet, ist am Ende auch nicht mehr als eine elektronische Nachbildung.

Man merkt also, dass sich Träumen Androiden von elektrischen Schafen? deutlich von Blade Runner unterscheidet, aber dem Film in der Behandlung finsterer und komplexer Themen in nichts nachsteht.

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