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Sébastien Loeb Rally Evo – Test

Über die Jahre und Jahrzehnte der Sportgeschichte taten sich immer wieder einzelne Talente hervor, die nicht nur all ihre Zeitgenossen in jeder Hinsicht in den Schatten stellen konnten, sondern auch Jahre nach Ende ihrer aktiven Karriere, ja sogar ihres Lebens, als „die Besten“ gelten. Und wie oft hätte man sich dann als Sportfan nicht schon einmal gewünscht, zwei oder mehr dieser Legenden aus unterschiedlichen Epochen gegeneinander antreten zu lassen? „Muhammed Ali gegen Mike Tyson“. „Sebastian Vettel gegen Ayrton Senna“. Oder aber „Colin McRae gegen Sébastien Loeb“ … womit wir (endlich) zum Spiel zu kommen, um das es hier ja eigentlich gehen soll.

Beide Fahrer sind nicht nur jeder für sich absolut Legenden des Rally-Sports, beide haben zudem ihre eigenen Spiele am Markt. Fast so wie damals bei Richard Burns Rallye und den ersten Teilen von Colin McRae Rallye – aber ich schweife schon wieder ab. Hier und jetzt stehen also diese beiden Rallye-Games im Handel – beide mit hohem Simulationsanspruch und großen Namen – und werben somit unmittelbar um die gleichen Käufer. Dabei geht die „erste Runde“ – nämlich die auf Basis des Namens – definitiv an den hier getesteten Herausforderer; Kein anderer Fahrer, der aktuell am Steuer eines irgendwie gearteten Rennwagens Platz nimmt, scheint so viel Talent mitzubringen wie Sébastien Loeb. Der Mann ist mit seinen 41 Jahren nicht nur neunmaliger Rallye-Weltmeister, sondern zudem Halter der Rekorde für die meisten gewonnenen Punkte, Wertungsprüfungen, Rallyes, bestimmte Rallyes in Folge, einzelne Rallye-Lauf-Siege in Folge und Weltmeisterschaften, was ihn de facto der erfolgreichste Rallye-Fahrer aller Zeiten macht. Und quasi „nebenbei“ ist er Rekordhalter am Pikes Peak, dreimaliger Gewinner des Race of Champions, wurde 2. bei den 24h von LeMans und gewann nicht nur einfach seinen ersten und einzigen Auftritt bei den X-Games, er deklassierte und demütigte die Konkurrenz regelrecht. Und nun bekam er also auch noch ein digitales Denkmal gesetzt – sein eigenes Spiel. Doch um eines gleich vorweg zu nehmen: obgleich Sébastien Loeb Rally Evo durchaus als Huldigung an den Mann taugt, wird es ihm als Spiel an sich kaum gerecht.

Viel hilft viel

Diese Sorge hatte ich schon bei der Ankündigung des Titels. Immerhin holte man sich als Entwickler Milestone. Die Italiener, die mit Motorrad-Games ihre ersten Erfolge feierten, produzieren nun schon eine Weile die offiziellen WRC-Games. Diese waren stets „nett“, aber ehrlicherweise nie besonders gut. Die Grafik wirkte wie von Vorgestern, das Gameplay war bei der T-Kreuzung Richtung Arcade oder Simulation einfach geradeaus in den Wald gefahren und Umfang und Abwechslung verdienten auch kaum besonderes Lob. Leider trifft manches davon nun auch auf SLRE zu … auch wenn die Damen und Herren aus Mailand definitiv dazugelernt haben. Vor allem in Sachen Content!

Die 58 Autos von insgesamt 16 Herstellern bieten vom kleinen Citroen Saxo bis rauf zu dem Monstrum namens Peugeot 208 T16, mit dem Loeb den Pikes Peak Rekord brach, alles, was sich das Rallyefan-Herz nur wünschen kann. Zudem offerieren die 64 Rallye-Stages, aufgeteilt in acht Länder und teilweise mit wählbaren Tageszeiten, zusammen mit den fünf Rallye-Cross-Stages mehr als genug Strecken, um einen gut beschäftigt zu halten (insgesamt sind es 300 Kilometer Piste). Auch die Art und Weise, wie der Spieler all das nach und nach kennen lernen darf, gefällt. Nachdem man sein eigenes Team gegründet hat, kann man als kleiner Nachwuchsfahrer versuchen im Rallye-Zirkus Fuß zu fassen – ein eigenes Gelände zum Testen und Üben inklusive. Ganz klassisch geht es also in einer recht lahmen Krücke los, mit der man sich die ersten Sporen, vor allem aber nach und nach die finanziellen Mittel verdienen muss, mit denen man seinen Fuhrpark aufzustocken und die Karriere vorantreiben kann. Ganz so, wie es Super Séb in den Anfängen seiner Karriere auch getan hat.

Aus erster Hand

Das weiß ich übrigens quasi „aus erster Hand“. Der Franzose wurde nämlich für viele, viele Interviews vor die Kamera geholt und plauderte dabei über seine Anfänge, die wichtigsten Epochen seiner Karriere und vieles mehr. Dem Spieler wird all das als Einstieg in einzelne Teile eines weiteren Spielmodus präsentiert: der Sébastien Loeb Experience. In dieser könnt ihr die wichtigsten Meilensteine seiner Karriere direkt nachspielen. Von den ersten Rennen in Kitcars, bis hin zu seinem furiosen Sturm auf Pikes Peak. Das ist nicht nur toll für Fans – zumal der Franzose viele nette Details und Anekdoten zum besten gibt, wie etwa die Geschichte wie er seinen Co-Piloten kennengelernt hat – sondern auch spannend für alle, die der Sport ein Blick hinter die Kulissen von selbigem interessiert.

Der Umfang ist also gut, die Präsentation toll. Doch „leider“ macht das ja lange nicht das ganze Spiel aus. Irgendwann muss man auch mal fahren. Und hier wird es dann schwierig. Dabei ist es nicht das Spiel selbst, das sich hier im Weg stünde – es ist die Konkurrenz, die es zu fürchten hat. Wäre das gute Stück nämlich vor einem Jahr erschienen, hätte ich hier vermutlich fast nur Lob dafür übrig. Es fährt sich nämlich in der Tat angenehm Simulations-lastig realistisch. Schlupf und Grenzbereichshandling der Autos werden gut simuliert – auch die beim Rallye-Sport essenzielle Trägheit kommt gut zur Geltung. Das macht das Spiel übrigens auch durchaus fordernd und zu einer echten Herausforderung für Novizen oder all jene, deren einzige Berührungen mit dem Rallye-Sport die DIRT-Spiele waren. Ist man allerdings schon ein wenig „Profi“, wird einen wohl freuen zu hören, dass man im Setup-Bereich unzählige Variablen an Fahrwerk und Co verändern kann, die auch tatsächlich Einfluss auf das Fahrverhalten haben. Auch das Geschwindigkeitsgefühl ist gut – in manchen der mannigfaltigen Kamera-Perspektiven freilich etwas mehr als in anderen. Für sich allein gesehen ist Sébastien Loeb Rallye Evo also gameplay-technisch durchaus „gut“.

Taffe Competition

Doch leider steht Sébastien Loeb Rallye Evo eben nicht für sich allein. Viel mehr fährt es eng im Windschatten von DiRT Rallye, das zumindest für den PC kurz vor ihm erschienen ist (die Konsolenversion folgt bald). Das kann zwar in Sachen Präsentation und „Story“ nicht wirklich mithalten, fährt dem Newcomer aber in jeder anderen Hinsicht gehörig um die Ohren. Nicht nur, dass es sich noch einen ganzen Tick besser und nachvollziehbarer fährt, es wirkt auch einfach alles viel „runder“ und ausgereifter … einfach besser. Vieles davon liegt an Kleinigkeiten. Die Physik- und Audioeffekte bei Kollisionen passen bei SLRE beispielsweise oft nicht ganz zusammen. Mäht man etwa in der Hitze des Gefechts einige Begrenzungsstangen um, hört man nicht so viele Aufprallgeräusche wie man Latten trifft, sondern nur einen. Auch viele der Motoren – darunter ausgerechnet der des Peugeot 208 T16 – klingen mehr wie knapp vor der Explosion heiß-laufende Nähmaschinen denn wie Motoren. All sowas kann der „Altmeister“ aus dem Hause Codemasters einfach um Welten besser. Dort ist auch die Grafik ein ganzes Stück besser: die Vegetation neben der Strecke ist dichter, die Beleuchtung hübscher und auch die Automodelle sind deutlich detaillierter. Kurzum: Aug und Ohr bekommen bei SLRE einfach in jeder Hinsicht deutlich weniger geboten als bei der Konkurrenz. Dazu sei aber gesagt, dass auch DiRT Rallye nicht unbedingt ein Kinnladen-Reißer ist. Es wirkt ebenfalls schon etwas angestaubt … nur eben noch ein bisschen weniger als Sébastien Loeb Rally Evo. Aber sehen wir es positiv: Dafür lief die getestete PS4-Fassung stets angenehm flüssig und die PC-Anforderungen halten sich auch in Grenzen.

Fazit

Sébastien Loeb Rallye Evo ist nett für Fans des ungeheuer talentierten Franzosen, viel mehr aber auch nicht. Präsentation, Umfang und Fahrzeug-Handling sind „OK“, aber weder mehr als das noch auch nur ansatzweise so gut wie bei DiRT Rallye. Beinharte Rallye-Fans oder Loeb-Jünger können also zuschlagen, alle anderen bleiben lieber doch beim „Altmeister“.

Gesamtwertung: 5.6

Einzelwertungen: Grafik: 4 | Sound: 4 | Handling: 6 | Spieldesign: 8 | Motivation: 6

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