Sekiro: Shadows Die Twice im Test

Kenne deinen Feind, mit jedem Winkel deines Verstandes und jeder Faser deines Körpers. Verliere dich im zirkulierenden Rhythmus aufeinandertreffender Klingen. Kontrolliere deine Atmung und finde selbst in der drohenden Niederlage deinen Frieden. Geduld ist der Schlüssel auf dem Pfad des Shinobi. Fürchte daher nicht den Tod, empfange ihn als Lehrer. Es sind jene Momente, in denen du deinem Gegner unterliegen wirst, welche dich als Krieger wachsen lassen. Jeder Fehler ist ein Schritt näher zur endgültigen Perfektion. Darum erhebe dich aus den Trümmern deines Misserfolgs und lächle triumphierend, denn nun, Shinobi, kennst du deinen Feind.

Der Sohn des Uhus

Die ersten Minuten von Sekiro: Shadows Die Twice zeigen eine gewaltige Schlacht. Inmitten dieses Panoramas aus Feuer und Leichen, werden wir Zeugen eines Kampfes zweier hünenhafter Krieger. Es ist allerdings ein Ereignis abseits dieser tödlichen Auseinandersetzung, welche in den Fokus der Erzählung rückt: Ein kleiner Junge, umringt von den Körpern seiner gefallenen Kameraden. Er hält ein Katana in der Hand, viel zu groß für einen Halbwüchsigen, doch es ist seine einzige Waffe gegen den Mann, der sich der Uhu nennt. Gerührt von der Entschlossenheit des Kindes, nimmt dieser Berg von einem Krieger den Jungen unter seine Fittiche und bildet ihn in den Künsten der Shinobi aus.

Jahre später – das einstige Kind ist zu einem Mann herangereift. Er wird dem kindlichen Erben einer sagenumwobenen Macht, dem Drachenblut, als Beschützer zugeteilt. Als der wortkarge Shinobi bei einem Angriff auf den Sitz des Erbens versagt und sein Schützling entführt wird, nehmen die Ereignisse in Sekiro: Shadows Die Twice ihren Lauf.

FromSoftware erfreut sich einer stetig wachsenden Fanbase von Spielern mit masochistischer Neigung, denn das japanische Entwicklerstudio zeichnet sich für die Dark Souls-Reihe sowie das grandiose Bloodborne verantwortlich. Diese Spiele genießen den Ruf, zu den schwersten Titeln zu gehören, welche in der Geschichte des Gamings je hervorgebracht wurden. Auch ich habe mir an ihnen diverse Zähne ausgebissen und mich in dieses Gameplay aus Zorn, Frust, Lernen und letztendlich doch noch Siegen verliebt.

Mit Sekiro: Shadows Die Twice verabschiedet sich FromSoftware über weite Teile von den RPG-Elementen eines Dark Souls und liefert seine eigene Interpretation eines Action-Adventures ab. Es ist kein Dark Souls – und das ist auch gut so, denn in meinen Augen ist es der mit Abstand schwerste, ja, vielleicht sogar beste, Titel das Studio bis jetzt geliefert hat.

Klingentanz am Rande der Verzweiflung

In Sekiro: Shadows Die Twice schlüpfen wir in die Haut des titelgebenden Shinobi. Dieser ist bereits ein vorgefertigter Charakter. Wer also hoffte, seinen eigenen Recken auf das feudale Japan loslassen zu können, wird enttäuscht. Mittelpunkt des Gameplays stellt das neue Kampfsystem dar: Ausgerüstet mit einem Katana – eure Hauptwaffe – stellt ihr euch einem Haufen erbarmungsloser Gegner. Diese reichen von Tieren über Fabelwesen bis hin zu Geistern; der Hauptanteil eurer Kontrahenten ist jedoch menschlich. Ziel ist es, die Haltung des Widersachers zu durchbrechen. Dies erreicht ihr mit einer Kombination aus zielgenauen Hieben und meisterhaft getimten Kontern. Leuchtet die Gleichgewichtsanzeige des Feindes im oberen Bildschirmrand rot auf, so habt ihr euer Ziel erreicht und  könnt einen blutigen Finisher aktivieren. Kleinere Bossgegner verfügen sogar über zwei Gesundheitsbalken.

Angriff, Block, Block, Angriff – was auf dem Papier vielleicht etwas vertraut und relativ „einfach“ klingt, entpuppt sich in der Praxis als brutal forderndes Klingenballett. Die meisten Kämpfe werden um einiges aggressiver geführt als bei Dark Souls und Co.; daher ist es wichtiger als jemals zuvor, sich die Bewegungsabläufe der Bossgegner genau einzuprägen. Nur wer ganz genau weiß, wie sein Gegenüber reagiert, kann mit tödlicher Präzision den Feind zu Fall bringen. Damit das ohnehin schon fordernde Kampfsystem nicht zu einfach wird, ergänzt es Sekiro: Shadows Die Twice um diverse taktische Aspekte. So ist das Regenerationstempo der feindlichen Haltung direkt mit den noch vorhanden Trefferpunkten des Gegners gekoppelt: Je niedriger die Lebensleiste, desto langsamer die Erholung der Haltung. Dadurch macht es bei manchen Bossen Sinn, ihnen zuerst langsam Lebenspunkte zu entziehen und erst dann an der Reduzierung des Gleichgewichts zu arbeiten. Andere wieder – Stichwort „Schmetterling“ – erhalten zwar von Anfang an recht viel Schaden auf das Gleichgewicht, regenerieren es jedoch fast genauso schnell wieder. Da hilft oft nur eine höllisch gute Dauerschleife aus Angriff und Konter.

Unterstützt wird Sekiro dabei von seiner Armprothese, welche dank feiner Gadgets durchaus den einen oder anderen Vorteil für uns heraus holen kann – sofern wir sie finden. So können wir beispielsweise mit einem Shuriken-Werfer Gegner aus der Distanz ausschalten, mit einer Axt Schildträgern den eben solchen zerschlagen oder mit Feuerwerkskörpern animalische Kontrahenten erschrecken und dadurch kurz lähmen. Dabei sind diese Gadgets trotzdem nie übermächtig, können aber durchaus das berühmte Zünglein an der Waage sein.

Wie so oft in einem Game von FromSoftware werdet ihr scheitern und sterben. Hier offenbart sich die größte Eigenheit Sekiros im direkten Vergleich zu seinen Vorgängern: Der Protagonist kann mindestens einmal von den Toten auferstehen und direkt weiterkämpfen. Zwar erhebt ihr euch mit reduzierter Lebensleiste, aber wenn man kurz davor ist, seinem Feind den Todesstoß zu versetzen, ist so eine zweite Chance ein Geschenk der Götter.

Sekiros Reise ins Zauberland

Die Gabe der Auferstehung, welche euch durch das Drachenblut eures Schützlings gewährt wird, fordert ihren Tribut. Je öfter ihr sterbt, desto stärker greift eine Seuche Namens Drachenfäulnis um sich. Diese infiziert NPCs und kann bis zu einem gewissen Grad Einfluss auf den Verlauf der Geschichte nehmen. Euch als Spieler trifft sie insofern direkt, indem sie eure Chance auf göttliche Hilfe reduziert. Diese ist nicht zu unterschätzen: Sie verhindert den Verlust gesammelten Geldes und erhaltener Erfahrung im Falle eures Todes. Wurdet ihr besiegt und habt alle Optionen auf Wiederbelebung erschöpft, dann sterbt ihr. Eine Tatsache, die euch die Hälfte der erspielten Erfahrung und Währung kosten wird. Anders als etwa in Bloodborne ist es in Sekiro: Shadows Die Twice nicht möglich, seine Verluste an der Stelle eures Scheiterns wieder zu erlangen.

Obwohl Sekiro: Shadows Die Twice kein Rollenspiel mehr ist und sich keine Fertigkeiten verbessern lassen, kann man mit erspielter Erfahrung sein Move-Set erweitern. Da wäre zum Beispiel ein spezieller Konter, der Sekiro bei Stoßangriffen des Feindes dessen Waffe mit dem Fuß runterdrücken lässt und dadurch einen Instantkill auslöst. Freischalten lassen sich Skills diese bei Statuen des Bildhauers, quasi dem Äquivalent zu den Lagerfeuern in Dark Souls. Bei ihnen können wir rasten, was den Respawn bereits getöteter Feinde nach sich zieht, Munition für unsere Prothese kaufen oder per Schnellreise zu absolvierten Gebieten zurückkehren. Die Welt in Sekiro: Shadows Die Twice ist sehr schön gestaltet. Sie bietet ein toll verwinkeltes Design und verbirgt so manches Geheimnis. Durch Sekiros Fähigkeit, sich per Greifhaken zu bewegen, lädt der Aufbau auch sehr zur vertikalen Erkundung ein. Geschickte Shinobi wissen die Gegebenheiten der Umgebung für den eigenen Vorteil im Kampf zu nutzen. Sekiro kann im hohen Gras schleichen und so unachtsame Soldaten unbemerkt ausschalten, oder man pirscht sich über die Dächer an seine Beute heran und macht sie mit einem Sprung von oben unschädlich. Dies ist nicht nur hoch effektiv und steigert die taktische Komponente um eine weitere Facette, sondern sieht auch noch – der tollen Steuerung sei Dank – verdammt cool aus. Man fühlt sich wie ein richtiger Shinobi.

Sekiro – Shadows Die Twice ist sowohl in der Gestaltung seiner Welt als auch in seiner Art des Storytellings um einiges geerdeter als andere Titel von FromSoftware. Dennoch liegt über dieser Welt so manches Mysterium: Wer ist der rätselhafte Bildhauer und warum hilft er Sekiro? Welches Geheimnis verbirgt sich hinter der Kraft, die sie das Drachenblut nennen? Oder was hat es mit dem untoten Krieger auf sich, der sich bereitwillig als Versuchsobjekt für die Kampftechniken des Shinobis zur Verfügung stellt? Nicht alle Antworten werden direkt gegeben. Viele von ihnen sind als Hinweise in der, optisch wunderschönen, Spielwelt zu finden.

FAZIT von Roland

Als großer Fan der Souls-Reihe und noch größerer Fan von Bloodborne, hab ich FromSoftwares neuestes Werk kaum erwarten können, und auch wenn ich mir ein überaus schweres Game erwartet hab, hat mich Sekiro: Shadows Die Twice doch anfangs auf dem falschen Fuß erwischt – denn gerade als Soulsborne-Veteran hat man es hier besonders schwer: Mit Blocken und Ausweichen, den in Fleisch und Blut übergegangenen Hauptmechaniken dieser Games, schafft man es vielleicht, an den ersten paar Standard-Gegnern vorbeizukommen, doch spätestens beim ersten Mini-Boss kann man alles, was man über die Jahre hinweg gelernt hat, aus dem Fenster werfen und tut gut daran, sich mit Parieren und Kontern anzufreunden, denn sonst läuft man recht bald gegen eine Wand. Vom neuen Gameplay-Fokus einmal abgesehen, erwartet Veteranen alles, was die Spiele der Japaner so besonders macht: Eine Welt voller Geheimnisse, Nebenstories, die erst entdeckt werden wollen, optionale Bosse und Mini-Bosse, sowie eine nicht-lineare Welt, die darauf erforscht werden will. Das neue Setting gefällt auch mir sehr gut und die Story ist, für FromSoftware-Verhältnisse, überraschend kohärent erzählt. Meine einzige Beschwerde bezieht sich auf die neue Sterbe-Mechanik und die damit zusammenhängende Seuche: Dabei ist zu viel Zufall involviert, und viel mehr als den Spieler zu nerven, erreicht man damit eigentlich nicht. Trotzdem, Sekiro ist eine würdige und tolle Weiterführung des Soulsborne-Gedanken und wird mich noch ein ganzes Weilchen lang beschäftigen.

FAZIT von Dave

Sekiro – Shadows Die Twice ist in meinen Augen nicht weniger als ein Meilenstein geworden. Das Kampfsystem gehört mit zum Besten, womit ich es bisher zu tun hatte. Die Mischung aus gut platzierten Kontern, gezielten Schlägen und Ausweichschritten ist mit all ihren taktischen Finessen und Möglichkeiten hammerhart und doch niemals unfair. Es liegt an mir, meinen Gegner zu studieren mir seine Bewegungen zu eigen zu machen und aus meinen Fehlern zu lernen. Wenn ich scheitere, liegt es meist an mir. Die Kunst liegt darin, das Kampfsystem von Sekiro: Shadows Die Twice zu meistern – oder daran zu verzweifeln und aufzugeben. Ich habe gelitten, hatte sogar Momente, an denen mir die Hände weh taten, weil ich vor lauter Adrenalin im Angesicht eines möglichen Sieges komplett verspannt war. Zeitweise musste ich meine PS4 ausschalten und sah mich gebrochen, nur um es dann zwei Stunden später vor lauter Ehrgeiz nochmal zu versuchen. Es war ein unglaublicher Rausch aus Triumph sowie Erleichterung, wenn ich es endlich schaffte, einen verhassten Boss endgültig zu besiegen. Ein Game muss bei mir Gefühle auslösen und ein so breites Spektrum von positiven wie negativen Gefühlen hat noch kein Spiel vor Sekiro: Shadows Die Twice in mir hervorgerufen. Abseits der Kämpfe hat das Spiel eine spannende Welt im feudalen Japan zu bieten, welche zwar sehr bodenständig, aber trotzdem noch mit tollen Verweisen auf die japanische Folklore bereichert ist. Ich habe es genossen, jeden Winkel zu erkunden und auf alternative Bosse zu stoßen und andere Geheimnisse zu lüften. Abschließend kann ich sagen, dass Sekiro: Shadows Die Twice euch Einiges abverlangen wird und Nerven aus Stahl fordert, aber jeder, der sich den Mut nimmt und der Herausforderung stellt, wird mit einer der intensivsten Spielerfahrungen überhaupt belohnt.

Was ist Sekiro – Shadows Die Twice? Ein Action-Adventure mit dem Schwierigkeitsgrad eines Dark Souls
Plattformen: PC, PS4, XBox One
Getestet: PS4,
Entwickler / Publisher: From Software / Activison
Release: 22. März 2019
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 9.2

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 10 | Spieldesign: 10 | Motivation: 10

Passende Beiträge

Flint: Treasure of Oblivion im Test

ANTONBLAST im Test

The Spirit of the Samurai im Test