Serienkritik: Doctor Who – Staffel 11

Am 5. April 2019 ist endlich die Blu-Ray zur 11. Staffel von Doctor Who bei uns erschienen. In einer Serie, in der es primär um Veränderung geht, hatten es die Fans mit der größten Umstellung seit Beginn ihrer Ausstrahlung im Jahr 1963 zu tun – der Doctor ist nun erstmals weiblich! Auch das Kernteam rund um Showrunner Steven Moffat und Komponisten Murray Gold verabschiedeten sich und überließen Chris Chibnall und Segun Akinola die Verantwortung für die beliebte Science-Fiction Serie. Schon vor Ausstrahlung gab es einen großen Aufschrei alteingesessener Fans, die den Untergang der Serie prophezeiten, da wir es jetzt nicht mehr mit einem Timelord, sondern einer Timelady zu tun haben. Die Aufregung war aber zum Großteil unbegründet.

Inhalt

Sheffield 2018. Ryan, der bereits sein ganzes Leben an der Koordinationsstörung Dyspraxie leidet, versucht mit der Hilfe seiner Großmutter Grace und deren Mann Graham endlich Fahrrad fahren zu lernen. Frustriert über seine zahlreichen Misserfolge wirft er sein Rad in hohem Bogen in den buschigen Abhang. Als er versucht es zu bergen, trifft er auf ein seltsames blaues Licht, dass ein offensichtlich außerirdisches Objekt erscheinen lässt. Verwirrt wählt er den Notruf und erhält Hilfe von der jungen Polizistin Yasmin, die sich als alte Bekannte seiner Schulzeit entpuppt.

Auch Ryans Großeltern, die sich gerade auf ihrem Heimweg in einem Zug befinden, werden Augenzeuge eines blauen Lichts und einer Frau, die plötzlich vom Himmel fällt. Yasmin und Ryan treffen in diesem Moment in der stehen geblieben Bahn ein und lernen den frisch regenerierten Doctor, der sich seines Geschlechterwechsels noch nicht bewusst ist und zusätzlich an Gedächtnisschwund leidet, kennen. Gemeinsam machen sich die fünf auf den Weg, das Geheimnis der blauen Lichter in Sheffield zu lösen. Doch nicht alles läuft nach Plan und so entscheidet der Doctor, sich zurück in die Tardis zu teleportieren. Durch eine Funktionsstörung werden auch Ryan, Yasmin und Graham mittransportiert und so werden die zufälligen Bekannten zu waschechten Companions, die dem Doctor bei seinen Reisen zur Seite stehen.

©BBC / Polyband

Kritik

Doctor Who lässt sich in zwei verschiedene Parts unterteilen: „Classic Who“, das die Ausstrahlung der Serie von 1963 bis 1989 beinhaltet und „New Who“ seit seinem Revival im Jahr 2005. Bei der aktuell 11. Staffel haben wir es quasi mit New Who 2.0 zu tun, das aus einem komplett neuen Team, welches mit der Ausnahme von Chibnall, der bereits einige Episoden früherer Staffeln und am Doctor Who-Ableger Torchwood mitgearbeitet hat, aus Neulingen besteht. Somit haben wir es mit einer anderen, deutlich düsterer Ästhetik zu tun, die sich stark von den bisherigen Staffeln unterscheidet und dadurch sehr viel ernster und erwachsener wirkt.

Als großer Soundtrack-Liebhaber war ich im Vorfeld besonders traurig über den Abgang des Komponisten Murray Gold, der der Serie seit 2005 mit seinen bombastischen und gefühlvollen Orchesterklängen, mit Stücken wie „With Love, Vincent“ oder „This is Gallifrey“, Tiefgang verliehen hat. Der relativ unbekannte Segun Akinola hat seine Rolle als Komponist übernommen und erschafft in der 11. Staffel einen deutlich reduzierteren und modernere Musikuntermalung. Obwohl komplett im Gegensatz zum bisherigen Soundtrack stehend, passen die von ihm geschriebenen Stücke perfekt zur neuen Ästhetik und sind mitunter eines meiner Highlights geworden.

©BBC / Polyband

Ich war auf die neue Interpretation von Doctor Who mehr als gespannt, vor allem auch deswegen, weil ich ein großer Fan der unglaublich fesselnden Krimi-Serie Broadchurch bin, die ebenfalls aus der Feder Chris Chibnalls stammt und Jodie Witthaker als eine der Hauptdarstellerinnen in ihrem Cast aufweisen kann. In freudiger Erwartung spannender Geschichten konnte es kaum erwarten Jodie in der Rolle der Timelady zu sehen – doch ich hatte wohl zu hohe Erwartungen an den Tag gelegt. Irgendwie fehlt der Serie etwas, dass sich schwer in Worte fassen lässt. Ein Grund dafür sind die meiner Meinung nach zu vielen Begleiter, die leider ganz nach dem Sprichwort „Zu viele Köche verderben den Brei“ nicht genügend zur Geltung kommen. Die vorhandene  Screen-Time reicht einfach nicht aus, um den drei Companions die nötige Tiefe und Komplexität zu verleihen und um sie wie Amy oder Rose ins Herz schließen zu können. Einzig Graham, den ich im Vorfeld am uninteressantesten fand, sorgt für einige Highlights und hat sich so die Favoritenrolle unter den Begleitern gesichert. Staffel 11 wartet zusätzlich mit einer großen Riege an Gaststars, wie Chris Noth oder Mark Addy auf, deren Rollen aber leider relativ unspektakulär geschrieben wurden – hier wäre sicherlich noch Luft nach oben gewesen.

Das Hauptproblem der Staffel sind meiner Meinung nach die sehr schwachen Skripts, die mit wenigen Ausnahmen, wie der Episoden „Rosa“ oder „Dämonen in Punjab“, meist zu Beginn großes Potential aufweisen, das aber am Ende nicht wirklich genutzt wurde. Auch kommt es zu einigen Diskontinuitäten gegenüber früherer Staffeln (Bomben und Waffen – wirklich?), worüber sich aber aufgrund von wibbly-wobbly-timey-wimey stuff ein Auge zudrücken lässt. Die Qualität der Geschichten hat bereits in den letzten Jahren abgenommen und leider mit dieser Staffel nicht wieder zugenommen. Besonders die Folge „Verkehrte Welt“, in der sie es mit einer Parallelwelt zu tun haben, hat einen derart absurden Ausgang, das ich – obwohl ich großer Fan von Trash-Elementen bin – etwas sprachlos und verwirrt auf meinem Sofa zurückgelassen wurde.

Ein großer Kritikpunkt der Fangemeinde betraf die politische Korrektheit des Doctors – Missstände und gesellschaftskritische Probleme wären zu sehr im Fokus, seit eine Frau die Rolle des Timelords übernommen habe. Eine Kritik, die ich, um ehrlich zu sein, absolut nicht nachvollziehen kann. Die Serie hat schon immer schwierige Themen angesprochen, eines der prominentesten Beispiele die Folge „Gieriges Fleisch“ aus der Matt Smith-Ära, die sich mit den Rechten von Klonen auseinandersetzt. Die Beschäftigung mit ethischen und moralischen Zwickmühlen, geringeren Übeln und utopischen Lösungen gehörten schon immer zu Doctor Who und das möchte ich auch auf gar keinen Fall missen.

©BBC / Polyband

Blu-Ray: Technische Infos und Zusatzmaterial

Die Auflösung der Blu-Ray verfügt über das Format 16×9 anamorph (1,78:1) und besteht aus gestochen scharfen Bildern und tollen Special-Effects – die 11. Staffel kann sich getrost als Eye-Candy bezeichnen. Die Sprachausgabe und Untertitel sind in sowohl in deutscher als auch englischer Fassung vorhanden und der Sound wird in DTS-HD 5.1 ausgegeben. Ich habe ja bereits öfters erwähnt, dass ich Filme oder Serien lieber im Originalton sehe und kein großer Fan von Synchronisationen bin und auch hier hätte man sich bei der deutschen Sprachausgabe mehr Mühe geben können, um die Gefühle der DarstellerInnen zum Ausdruck zu bringen.

Auf den insgesamt 3 Discs befinden sich alle 10 Episoden der Staffel, die eine ungefähre Laufzeit von etwa 510 Minuten haben (Das Neujahrs-Special ist separat erhältlich!). Zusätzlich befindet sich einiges an Bonus-Material auf den Discs, wie etwa Behind-the-Scenes Aufnahmen – zum Beispiel zur Entstehung des neuen Schallschraubenziehers, Audiokommentare oder Cast Video Diaries, die das Herz eines jeden Whovians höher schlagen lassen.

FAZIT

Staffel 11 ist wie ein erstes Kapitel, beziehungsweise wie die Einführung in eine neue Ära und genauso wie der Doctor, muss die Serie nun erst mal herausfinden, wohin die Reise geht. Ich wurde insgesamt gut unterhalten, hätte mir aber, vor allem was die Skripts und Begleiter angeht, mehr Tiefgang und Komplexität gewünscht. Die schauspielerische Leistung des Casts ist mehr als zufriedenstellend und ich bin gespannt, wie sich die Dynamik weiterentwickeln wird. Meine Lieblingsstaffel ist es definitiv nicht geworden, was aber noch nicht heißt, dass zukünftige Staffeln einige Gänge hochschalten können. Das Potential für großartigen Stoff ist vorhanden, doch leider wurde dieses nicht zu hundert Prozent ausgeschöpft und sorgt so für ein eher mittelmäßiges Erlebnis.

Titel: Doctor Who – Staffel 11
Studio/Vertrieb: BBC / Polyband
Verkaufsstart:  26. April auf Blu-ray und DVD
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Link: Offizielle Webseite

Passende Beiträge

Nur noch wenige Tage bis zur Vienna Comic Con 2024

Planet Coaster 2 im Test

Little Big Adventure – Twinsen’s Quest im Test