Shadow im Test

Etwas zu besitzen beziehungsweise einfach zu kaufen kommt im Laufe des 21. Jahrhunderts immer mehr aus der Mode. Was bei Musik und Filmen begann, ist nun im Begriff auch auf unser aller Lieblingshobby überzuschwappen.

Teure Gaming-Hardware muss nicht länger gekauft, zusammengestellt, konfiguriert und regelmäßig upgegradet werden. Ab sofort kann er auch einfach virtuell gemietet werden. Populärster Vorstoß in diese Richtung ist freilich Google Stadia – erst unlängst gekündigt und vermeintlich noch im Laufe diesen Jahres marktreif.

Die Alternative

Doch für hochqualitatives Gaming-Streaming muss man nicht auf Google warten. Entsprechende Lösungen gibt es schon jetzt. Zum Beispiel in Form von dem hier getesteten Shadow aus Frankreich. Das dahinterliegende Prinzip ist recht simpel. Gegen eine monatliche Mietzahlung erhaltet ihr Zugang zu einem virtuellen PC mit Windows 10-Installation. Und die verbaute Hardware kann sich durchaus sehen lassen: Ein Intel Xeon-Prozessor mit vier Kernen und acht Threads, 12 Gigabyte RAM, eine Geforce GTX1080 Grafikkarte und 256 Gigabyte Speicherplatz. Kostenpunkt: 39.95 Euro pro Monat, ohne Vertragsbindung, 29,95 Euro pro Monat, wenn man sich auf 12 Monate bindet.

Allerdings verspricht Shadow, dass es nicht bei dieser Hardware bleibt, sondern sie regelmäßig upgedatet wird, um stets maximale Leistung bieten zu können. Genauer gesagt verspricht der Hersteller stabile 60 FPS bei 4K Auflösung in allen aktuellen Games. Und noch etwas verspricht Shadow: Wahnsinnig schnelle Downloads. Konkret ist die Rede von einem Gigabit Down- und 100 Mbit Upload. Und tatsächlich: der Praxistest bei Internet-Speedtests bestätigt die Werte. Das ist deswegen gut, weil ihr zum Installieren der Spiele freilich schwer eine CD ins Laufwerk schieben könnt – es können nur Spiele installiert werden, die ihr digital besitzt: Steam, uPlay, Origin, Epic Games Store und Co. können also auf eurem virtuellen Rechner installiert und die Games dort heruntergeladen werden. Der Haken: Die schaffen nicht mal annähernd ein Gigabit für den Download von Spielen zur Verfügung zu stellen. Dennoch: So flott haben in Österreich wohl bis jetzt nur die wenigsten ein Spiel auf „ihren“ Rechner runtergeladen.

Ans Eingemachte

Doch genug der grauen Theorie. Kommen wir endlich zur Praxis. Um loszulegen, muss zu allererst die passende App installiert werden. Diese ist nicht nur für Windows PCs, sondern auch für Mac, Android und iOS verfügbar. Selbst an einer Version für Ubuntu wird bereits eifrig gearbeitet – die passende App ist aber noch im Beta-Stadium.

Über die App können sodann gewisse Grundeinstellungen vorgenommen werden. Die wichtigste ist freilich die Bandbreite, die Shadow nutzen soll. Die Einstellungsmöglichkeiten reichen hier von 5 bis 50 Mbit. Wir würden raten dabei aber nie das theoretische Maximum eurer Leitung auszuwählen, sondern immer etwas Puffer zu lassen. Läuft die Leitung nämlich sozusagen in ihren Begrenzer, kommt es zu starken Rucklern. In der aktuellen Version gibt es aber darüber hinaus auch die Möglichkeit, Shadow selbst die Optimierung der Bandbreite zu überlassen. Das hat in unseren Tests soweit ganz gut funktioniert. Weitere Einstellungsmöglichkeiten, die euch die App bietet, beinhalten zum Beispiel die Display-Auflösung mit der Shadow das Signal auf euren Rechner übertragen soll (auch Ultrawide-Auflösungen werden unterstützt), ob der Mauszeiger über den Rand des Streams hinaus funktionieren soll und so weiter.

Ist das alles erledigt, kann endlich der Stream selbst gestartet werden. Der Verbindungsaufbau dauert ein paar Sekunden, dann wartet ein für Windows-Nutzer überaus gewohntes Bild: Die Einrichtung einer nackten Windows 10-Maschine. Schon hier fällt auf, dass die Bild-Qualität selbst bei vollen 50 Mbit nicht tausendprozentig an ein natives Signal heran kommt. Vor allem an scharfen Kanten bei Icons und Texten fallen leichte Kompressionsartefakte auf. Das heißt aber lange nicht, dass die Bildqualität schlecht ist … vor allem nicht bei

Spielen!

Die Ladezeiten sind flott, die Framerates in der Tat überaus stabil. Metro Exodus? Kein Problem. Battlefield 5? Zwar kein Raytracing, dafür aber butterweiche Framerate. Assassin’s Creed: Odyssey? Easy. Can it run Crysis? Sicher doch! Doch der Hase liegt nicht in der Framerate begraben, sondern in der Verzögerung zwischen Kommandoeingaben und Effekt am Bildschirm – also die klassische „Latency“. In unseren Tests haben wir ca. 30 Millisekunden gemessen. Das sind zwar nur 2-3 Bilder pro Sekunde bei 60 FPS, doch gerade in schnellen Shootern sind schon die durchaus spürbar. Games wie Counter-Strike, Call of Duty, Fortnite oder andere Titel, in denen es auf jede Millisekunde ankommt, sind zwar durchaus spielbar, man hat aber mit Sicherheit Nachteile gegenüber „konventioneller“ Spieler. Solo-Shooter werden dadurch freilich auch ein wenig getrübt – nach einiger Zeit lernt man aber recht gut mit der Mini-Verzögerung zu leben.

Anders sieht es freilich bei „gemächlicheren“ Titeln aus. Strategie-Spiele, Adventures und auch Third Person-Titel – bzw. eigentlich alles, das mal für das Spielen mit dem Controller optimiert wurde – laufen allesamt einwandfrei und lassen sich perfekt spielen.

Auch in Sache Peripherie müsst ihr mit keinen Einschränkungen rechnen. Alles, was wir an Peripherie an unseren Test-PC angeschlossen haben, wurde erkannt und konnte ohne Einschränkung verwendet werden. Sowohl wenn es vor dem Start der App bereits verbunden war, als auch noch wenn es nachträglich eingesteckt wurde.

Gerade in der Kombination aus Peripherie und Streaming könnte allerdings ein großer Vorteil der kommenden Google-Lösung im Vergleich zu Shadow liegen. Nutzt man dort nämlich den Google-eigenen Controller, kommuniziert dieser nicht erst mit dem Endgerät, sondern direkt über eine eigene Leitung mit der virtuellen Maschine. Dadurch könnte die Latency um das entscheidende bisschen verringert werden. Allerdings ist das fürs erste bloße Spekulation.

FAZIT

Shadow bietet eine solide Streaming-Technik mit simpler Bedienung als virtueller Win10-PC und hoher Bildqualität. Abstriche müssen nur in Hinblick auf die leichte Eingabeverzögerung gemacht werden, die das System für kompetitive Multiplayer-Shooter auf höherem Niveau leider unbrauchbar macht. Vertreter aller anderen Genres liefen – eine potente Internet-Leitung mit mindestens 30, idealerweise über 50 Mbit vorausgesetzt – ausgezeichnet.

Passende Beiträge

NVIDIA bringt DLSS 3 für S.T.A.L.K.E.R. 2 und Microsoft Flight Simulator 2024

Planet Coaster 2 im Test

Little Big Adventure – Twinsen’s Quest im Test