Shadow of the Tomb Raider im Test

Die sanfte Brise wiegt die fleischigen Blätter einer Dschungelpflanze sanft auf und ab. Ein gut getarnter grüner Kakadu erhebt sich in die Luft. Etwas weiter den Pfad entlang hoppelt ein kleiner Hase. All das würde ein wirklich idyllisches Bild abgeben – wären da nicht die brennenden Wrackteile.

Der Anfang vom Ende

Shadow of the Tomb Raider beginnt mit einem Flugzeugabsturz und erzählt dann, wie es dazu gekommen ist. Dieses erzählerischen Kunstgriffs bedienten sich Crystal Dynamics bereits beim Vorgänger Rise of the Tomb Raider und ähnliches ist unter anderem auch beim „Erzrivalen“ Nathan Drake bekannt und hat sich bewährt. Also alles zurück auf Anfang. Lara und ihr treuer Gefährte Jonah starten ihre Suche nach der zwielichtigen Organisation Trinity in Mexiko. Wir erinnern uns an die Ereignisse des Vorgängers und wissen, dass Lara mit dem Geheimbund noch die eine oder andere Rechnung zu begleichen hat. Sie ist geradezu besessen nach einer Gerechtigkeit, die fast an Rache grenzt und einzig Jonah versucht, sie ein wenig herunter zu holen. Viel nützt es nicht. Als die taffe Archäologin einen antiken Dolch findet, den sie durch Trinity-Schergen in die Ecke gedrängt, spontan an sich nimmt, startet sie unbeabsichtigt eine Kettenreaktion, welche die Welt ins Chaos stürzen könnte… Erdbeben, Tsunamis, Wirbelstürme – die Katastrophe ist bereits in Gang gesetzt. Doch noch ist nicht alles verloren: es gilt, die silberne Box, ein mystisches Artefakt, vor Trinity aufzuspüren und die Apokalypse abzuwenden. Die Spur führt von Mexiko nach Peru, um – wie könnte es anders sein – eine verschwundene Stadt zu finden. Dabei müssen sie Trinity zuvorkommen, die mithilfe dieses Artefakts die Welt im wahrsten Sinne des Wortes neu ordnen möchte.

Eine Sturmflut – ausgelöst durch Lara?!

Achterbahnfahrt der Gefühle

Was die Story angeht hat uns Crystal Dynamics mit Sicherheit schon Interessanteres serviert. Unter Umständen musste die Geschichte auch ein wenig unter der „Übergabe“ zu Eidos Montréal leiden. Einmal mehr sind es aber die Charaktere, die der Welt von Tomb Raider Leben einhauchen. Das Zusammenspiel zwischen Lara und Jonah ist erneut liebenswert und glaubwürdig – nicht zuletzt aufgrund der einmal mehr gelungenen Synchronarbeit von Camilla Luddington. Und das, obwohl Lara selbst hier oftmals unsympathisch, besessen und fast schon gierig gezeichnet wird. Der Schatten des Grabräubers breitet sich eben aus…

Doch auch Nebencharaktere und kleinere NPCs tragen meist zur gelungenen Stimmung bei (abgesehen von Händlern – dazu später mehr…). Die Geräuscheffekte sind meist sehr glaubwürdig und untermalen das Gesehene sehr gut, während sich die Musik eher als hintergründige Untermalung versteht und nur in bestimmten Situationen gezielt zur Unterstützung der Stimmung eingesetzt wird. Da die verschiedenen Melodien in diesen Momenten nich wirklich überzeugen, ist das fast schon schade – passt aber hervorragend zum einzelgängerischen Forscher-Erlebnis.

Die Challenge Tombs bieten erneut einige feine Brain-Teaser und gute Rätsel-Unterhaltung

Forsche Forscherin

Der Löwenanteil der Immersion geht allerdings auf das Konto der wirklich meisterhaft gestalteten Welt. Hier haben Eidos Montréal und Crystal Dynamics Lektionen aus beiden Vorgängern gelernt und darauf aufgebaut. Lara lässt die eisigen Umgebungen Sibiriens hinter sich und streift diesmal durch eine sattgrüne Dschungellandschaft. Wieder bewegt ihr euch durch semi-lineare Umgebungen und erneut dürft ihr euch auch erneut in offeneren Hubs, diesmal vor allem dem Dorf Paititi, austoben. Dieses kann denn auch noch mehr begeistern, als das ohnehin schon wirklich gut gestaltete Tal im Vorgänger.

Shadow of the Tomb Raider versteht es, euren Forscherdrang zu wecken. Überall warten Klippen darauf erklommen und Höhlen darauf erforscht zu werden. Auch unter Wasser harren massenhaft Schätze auf Ihre Entdeckung und Pflanzen auf die Ernte. In jedem Eck und Winkel sind Gegenstände, Wandmalereien, Texte oder Karten zu finden und zahlreiche Grabstätten und die opionalen „Challenge Tombs“ warten darauf, von euch entweiht durchquert zu werden. In diesen speziellen Herausforderungen, von denen es auch diesmal insgesamt neun Stück gibt, dürft ihr euch auf abwechslungsreiche Rätsel freuen, deren Lösung nicht nur ein sehr befriedigendes Erlebnis bietet, sondern euch auch mit neuen Fähigkeiten belohnt. Sehr erfreulich ist, dass sich der Schwierigkeitsgrad für Rätsel, Erkundung und Kampf separat anpassen lässt.

Der hier noch recht jungfräuliche Skilltree bietet viel bekanntes – manches hat man sich auch gut aus anderen Games abgeschaut, wie beispielsweise mehrere Pfeile gleichzeitig auf verschiedene Gegner zu schießen.

Skills

Auch euer Skilltree teilt sich in Warrior, Scavenger und Seeker auf, wobei die meisten Fähigkeiten durch Skill-Points, manche auch durch Fortschritt in der Handlung und andere eben durch die Lösung von „Challenge Tombs“ freigeschalten werden. Erst wenn ihr einen Skill erspielt habt, werden auch die daneben liegenden zum „Kauf“ mit XP freigeschalten. Zu den nennenswerten neuen Skills gehören zu allererst die Möglichkeit, Tränke zu mixen. Neben Medizin gibt es auch noch Endurance, Focus und Perception Tränke. Diese ermöglichen euch jeweils mehr Treffer einzustecken oder zum Beispiel auch wilde Tiere und natürliche Ressourcen in eurer Umgebung leichter wahrzunehmen. Frau Croft kann sich zudem nun an ihrem Seil nicht nur über Schluchten hinwegschwingen und an Wänden entlanggehen, nein! Sie kann sich auch an jeder porösen Wand, in der sie Ihre Kletteraxt einschlagen kann, abseilen. Diese Fähigkeiten gesellen sich zu den bereits aus den Vorgängern bekannten wie Seil- und Feuerpfeile, Survival Instincts und mehr.

Von Regenwäldern und Dschungeldörfern

Gerade die verlorne Stadt Paititi ist ein perfektes Beispiel, für das im Vergleich zum direkten Vorgänger Rise nochmals gesteigerte Niveau in Sachen Spielewelt. Obwohl das eigentliche Areal der Stadt nicht riesig ist, ermöglicht es der kluge Aufbau und die zahlreichen Verwinkelungen, dass ihr euch wirklich stundenlang mit Nebenquests, Challenges, Collectibles und Shopping beschäftigen könnt. Die Händler (deren Sprachsamples leider nervtötend wenig Abwechslung bieten) haben ein breites Angebot verschiedener Rüstungsgegenstände, die euch Vorteile verschaffen können. Manche sorgen dafür, dass ihr mehr natürliche oder technische Ressourcen findet, andere erhöhen euren Stealth-Wert oder geben andere Gameplay-Boni. Rüstungen könnt ihr aber auch in speziellen Truhen finden. Diese sind abgenutzt und können über die aus dem Vorgänger bekannten Craftingmechaniken repariert werden. Das zahlt sich nicht nur für Completionists aus, denn gerade die gut versteckten Rüstungen bringen natürlich oft die besten Modifikationen.

Wagemutige Kletterpartien gehören zum Job

(Un-)Ahnsehnlich

Leider gibt es in der Präsentation aber den einen oder anderen Wermutstropfen. So kommt zwar eine verbesserte Version der Foundation“-Engine zum Einsatz, optisch hat sich aber nicht viel zum drei Jahre alten Vorgänger getan. Natürlich wollen wir diesen jetzt nicht miesmachen – Rise of the Tomb Raider sah und sieht weiterhin wunderbar aus. Aber gerade weil im Vorgänger vor allem Laras tolle Haarprachtzurecht so hervorgehoben wurde, mutet es störend und befremdlich an, die „Haare“ der indigenen Bewohner von Paititi zu beobachten. Es sieht fast aus, als hätten die Plastiktöpfe auf dem Kopf… Das ist unnötig und schade. Als besonders störend empfand ich aber die zahlreichen Slowdowns und Framerate-Einbrüche, die ich beim Spielen auf der PS4 Slim beobachten musste. Insbesondere eine Stelle in einem kleinen Dorf führte regelmäßig zu einem richtiggehenden Einfrieren des Spiels – zwar nur für eine Sekunde, aber doch. Wir dürfen hoffen, dass hier für Nicht-PS4 Pro-Besitzer noch nachgepatcht wird.

FAZIT

Dramaturgisch wirkt Shadow of the Tomb Raider eigentlich eher wie der zweite Teil einer Trilogie. Das Spiel ist bisweilen in der Handlung recht düster und verlangt nach einer Katharsis, die am Ende leider nur teilweise kommt. Ob euch das Game Spaß macht, hängt einerseits davon ab, ob euch die Vorgänger gefallen haben, wird doch im positiven wie im negativen Sinne „viel vom selben“ geboten. Es ist aber auch davon abhängig, wie wichtig euch die Story in Videospielen ist. Inhaltlich ist der dritte Teil doch um ein Eck schwächer, als seine beiden direkten Vorgänger. Die Vielzahl an Nebenquests lockert das Spiel aber auf und lässt euch leicht um die 40 Stunden in Laras neuester Spielwiese verbringen. Alles in allem ist das neue Tomb Raider eher nicht das Highlight der Reboot-Reihe, aber ein ausgesprochen gutes Spiel, das trotzdem eine Menge Spaß macht.

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Was ist Shadow of the Tomb Raider? Dritter Teil des Reboots der Action-Adventure-Reihe rund um die taffe Grabräuberin Lara Croft.
Plattformen: PC (Steam), PS4, Xbox ONE
Getestet: PS4 Slim
Entwickler / Publisher: Eidos Montréal, Crystal Dynamics / SQUARE ENIX
Release: 14. September 2018
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Gesamtwertung: 8.8

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 10 | Spieldesign: 10 | Motivation: 8

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