Zur Einstimmung in die Weihnachtszeit hat uns Publisher Daedalic ein kleines Geschenk mitgebracht – eine kleine aber feine Stand-Alone Erweiterung zum fantastischen Echtzeit-Taktik Epos Shadow Tactics: Blades of the Shogun.
Ist es wirklich schon 5 Jahre her, dass Entwickler Mimimi Games am 6. Dezember 2016 das überragende Echtzeit-Taktikspiel Shadow Tactics: Blades of the Shogun veröffentlicht hat? Das Spiel hat damals (zu Recht, wie ich meine) Traumwertungen eingefahren („Overwhelmingly Positive“ auf Steam, bei fast 25.000 Reviews) und das dahinsiechende Genre der Echtzeit-Taktikspiele wiederbelebt. Zum 5. Geburtstag gibt es ein ganz besonderes Geschenk für die Millionen Fans des Originals: eine Stand-Alone Erweiterung mit dem etwas langen Namen Shadow Tactics: Blades of the Shogun – Aiko’s Choice, in der die Geschichte der fünf Helden des Hauptspieles um drei weitere lange (und drei kurze) Missionen erweitert wird.
Story
Wer sich bei Shadow Tactics: Blades of the Shogun – Aiko’s Choice ein Prequel oder ein Sequel erwartet, wird enttäuscht. Aiko’s Choice spielt nämlich während der Geschichte des Hauptspieles und ergänzt dieses um eine längere neue Geschichte. Und zwar haben sich im Original unsere fünf Helden nach der achten Mission (Kanazwa) und vor dem Angriff auf den Oberbösewicht Kage-sama noch einmal in ihrem Lager versammelt, mit ein paar Gläser voller Sake angestoßen und sich dann auf den Weg zur finalen Konfrontation gemacht. In Aiko’s Choice kommt uns jedoch etwas dazwischen – nämlich Lady Chiyo, die ehemalige Chefin von Aiko (wobei das Dienstverhältnis offensichtlich nicht im Guten beendet wurde) – mit ihrer kleinen Armee.
Sie überrascht uns in unserem Haus, nimmt Yuki und Takuma in Gefangenschaft und beauftragt ihre Soldaten, unsere restlichen drei Helden auf der Stelle zu töten, bevor sie einen Abgang macht. Wir lassen uns natürlich nicht so einfach töten, sondern fliehen durch einen geheimen Ausgang auf das Dach des Hauses (nachdem wir die von Lady Chiyo zurückgelassenen Soldaten ausgeschalten haben). Und auf dem Dach beginnt dann das Spiel so richtig. Wir müssen aus dem Dorf fliehen, unsere beiden Freunde befreien und natürlich auch Lady Chiyo töten, die im Dienste vom Oberbösewicht Kage-sama steht. Damit sind wir dann die nächsten paar Stunden gut beschäftigt.
Unsere Helden
Hier hat sich wenig im Vergleich zum Hauptspiel getan. Wir spielen immer noch die bunt zusammengewürfelte Truppe aus fünf Helden mit vollkommen unterschiedlichen Fähigkeiten – Mugen, Yuki, Hayato, Takuma und die namensgebende Aiko. Mugen ist ein Samurai und Anführer der Truppe, Hayato ein Ninja, Yuki eine Diebin, Takuma ein Scharfschütze mit putzigem Haustier und Aiko eine Spionin, die sich als Geisha verkleiden kann (und außerdem die Geliebte von Mugen ist). Die Erweiterung beleuchtet vor allem die Hintergrundgeschichte von Aiko, man erfährt aber auch einiges über die anderen Helden.
„As the sun sets one last time on the land of the rising sun, Aiko’s Choice is simply more of an excellent stealth tactics formula that lives up to everything that was great about its foundations“
Auch wenn Shadow Tactics: Blades of the Shogun – Aiko’s Choice eine Stand-Alone Erweiterung ist, die man ohne Vorkenntnisse von Shadow Tactics: Blades of the Shogun spielen kann, macht das wenig Sinn. Man wird nicht nur (nach einer kurzen Einleitung) mitten in die Geschichte geworfen, auch der Schwierigkeitsgrad ist nichts für Anfänger. Bereits in der ersten Mission seid ihr auf der Flucht in einem japanischen Dorf voller feindlicher Soldaten, die euch suchen. Neben einfachen Soldaten sind darunter auch einige schwer gepanzerte Samurai, die ihr nicht so einfach ausschalten könnt. Es fangt also gleich ordentlich schwierig an, nichts für Anfänger, selbst wenn immer wieder kurze Erklärungen wesentlicher Spielmechaniken eingeblendet werden. Nachdem man jedoch gleich von Beginn an Zugriff auf drei Helden mitsamt ihren jeweils fünf Spezialfähigkeiten hat, helfen euch die Hilfstexte auch nur bedingt weiter. Um Erfolg zu haben, sollten die Spezialfähigkeiten nämlich geschickt – am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt – eingesetzt werden.
Wir springen von Hausdach zu Hausdach, stürzen uns vom Dach auf Feinde, oder klettern doch lieber an einer Leiter hinunter, weil unsere Rüstung uns zu ungelenk zum Springen macht. Wenn wir nicht darauf achten, keinen Lärm zu machen und unentdeckt zu bleiben, haben wir schnell dutzende Feinde am Hals, gegen die wir nur schwer gewinnen können. Feinde entfernt man am besten einer nach dem anderen. Sobald auch nur einer unserer Helden stirbt, ist das Spiel zu Ende (und wir können hoffentlich den kurz zuvor abgespeicherten Spielstand laden). Unsere Gegner sind recht effektiv. Abgesehen davon, dass sie immer entlang der selben Routen patrouillieren, kämpfen sie ziemlich gut und können uns mit nur einem Schuss töten.
Möglichkeiten über Möglichkeiten
Ihr habt zu jeder Zeit unzählige Handlungsoptionen. Ihr könnt viele Probleme auf unterschiedlichste Weise lösen, je nachdem, wie ihr eure Helden und deren Spezialfähigkeiten oder die Umgebung einsetzt. Mit LShift können wir die Zeit einfrieren und Befehlsketten für alle unsere Charaktere vorbereiten, die dann gleichzeitig ausgeführt werden. Die Spielumgebung bietet viele Hotspots, die manipuliert werden können oder bei denen man eine Aktion ausführen kann. Dazu bewegen sich viele der Gegner die ganze Zeit (wenngleich auf immer gleichen Patrouillenwegen). Da ist also einiges los, was den Anfänger oder die Anfängerin vollkommen überfordern kann. Für erfahrene Spieler*innen ist es jedoch wie im Paradies – wie eliminiere ich diese Wache am besten? Shuriken, Schwert, Scharfschützengewehr… oder kann ich hier einen kleinen „Arbeitsunfall“ inszenieren? Wie komme ich am einfachsten dort hin? Für jedes Problem gibt es (im Regelfall) eine Vielzahl an erfolgsversprechenden Lösungen.
Gameplay
Für Kenner von Echtzeit-Taktikspielen (oder dem Hauptspiel) keine Überraschung, aber ich will es dennoch auch hier anmerken – Shadow Tactics: Blades of the Shogun – Aiko’s Choice ist kein Actionspiel. Es geht hier darum, sich mit einer kleinen Truppe durch weitläufige Umgebungen voller Feinde zu bewegen. Diese können eliminiert werden, aber nur einer nach dem anderen, und möglichst auf unauffällige Weise und ohne ihre Kollegen zu alarmieren. Es spielt sich wie ein Rätselspiel, bei dem ihr eure Feinde beobachtet, ihre (immer gleichen) Laufwege auskundschaftet und euch ihre Sichtfelder anseht, um dann zu entscheiden ob ihr sie einfach umgehen wollt oder auf welche Art und Weise (und wann) ihr sie eliminiert. Wenn ihr euren Plan dann umsetzt, kann es aber selbstverständlich schon kurz ein wenig hektisch werden und jeder Mausklick muss sitzen, sonst geht es euren Helden an den Kragen.
Was sind eigentlich Echtzeit-Taktikspiele?
Echtzeit-Taktikspiele sind ein Subgenre des Echtzeit-Strategiespiele. Im Gegensatz zur Echtzeitstrategie spielt man mit einzelnen Einheiten, die unersetzlich sind. Nachgekauft oder produziert wird nichts, wenn eine Einheit stirbt, ist sie weg. Demgemäß gibt es auch keine Gebäude, die in Sekundenschnelle errichtet werden können oder Ressourcen, die man sammeln muss. Urväter des Subgenres waren Klassiker wie Commandos (Pyro, 1998) und Sudden Strike (Fireglow Games, 2000), aktuelle Vertreter sind das ebenfalls von Mimimi Games stammende Desperados III oder das von mir bereits hier angespielte Partisans 1941. Das vor kurzem erschienene War Mongrels ist ein weiterer recht guter Vertreter des Genres.
Zusammenfassung
Grafik
An der grafischen Präsentation gibt es nichts zu meckern. Wie schon im original Shadow Tactics, ist die Grafik detailliert und dennoch übersichtlich. Ihr könnt die Grafik stufenlos zoomen und in alle Richtungen (links/rechts, oben/unten) drehen. Ultrawide Bildschirmauflösung (UWQHD) wird unterstützt und macht bei dem Spiel auch absolut Sinn – man sieht einfach viel mehr von der Umgebung und vor allem seinen Feinden. Auf Knopfdruck wird uns eine Übersichtskarte eingeblendet, die auch den Standort unserer Gegner anzeigt.
Sound
Die Gespräche unserer Helden, und die unserer Gegner, sind durchgehend (und gut) vertont. Allerdings nur auf Englisch. Natürlich gibt es deutsche Untertitel und sämtliche anderen Texte sind in Deutsch. Immerhin stammt das Spiel ja von deutschen Entwicklern und wird von einem deutschen Publisher herausgebracht.
Handling
Beim Handling gibt sich Shadow Tactics: Blades of the Shogun – Aiko’s Choice keine Blöße. Der Bedienkomfort bzw. die Eingänglichkeit der Steuerung ist meilenweit von den wirklich schwer zu steuernden ersten Echtzeit-Taktikspielen wie Commandos entfernt. Die Aktionen unserer Helden werden angezeigt, bevor wir sie mit Knopfdruck/Mausklick ausführen. Ein Klick mit dem rechten Mausknopf und ihr könnt euch den Sichtbereich eurer Gegner ansehen. Hotspots in der Umgebung werden (auf Wunsch) grafisch hervorgehoben. Die Übersichtlichkeit ist hervorragend, da man sich die Situation von allen Seiten und sowohl aus der Nähe als auch aus der Ferne ansehen kann. Einblendbare Tutorials helfen euch auf die Sprünge, falls ihr einzelne Spielmechaniken in Ruhe erklärt haben wollt.
Spieldesign
Eigentlich ist Shadow Tactics: Blades of the Shogun – Aiko’s Choice ein einziges großes Schleich- und Rätselspiel. Wir müssen viele kleinere Aufgaben lösen, um die Missionen erfolgreich abzuschließen. Dabei verlangt das Spiel von uns volle Konzentration, denn im Regelfall läuft es ja in Echtzeit ab. Brauchen wir eine Pause, können wir uns (sofern unsere Helden sich gerade an sicheren Plätzen befinden) aber in aller Ruhe zurücklehnen, und das weitere Vorgehen überlegen. Wollen wir komplexere Handlungsketten (auch mit mehreren Figuren) ausführen, können wir in den Schatten-Modus schalten (LShift) und alles vorbereiten.
Motivation
Die Motivation, einen Abschnitt abzuschließen, ist hoch. Man sieht ja immer den gesamten Level im Überblick. Nachdem man jederzeit ohne Aufwand speichern kann (F5 für Quicksave ist mein Freund), könnt ihr auch ohne Probleme speichern – und dann eine riskante Aktion ausprobieren. Klappt sie nicht (was meistens der Fall ist…), genügt ein Klick auf den letzten Spielstand (oder F8 für Quickload) und schon könnt ihr etwas anderes – vielleicht ein klein weniger riskant – versuchen. Selbst wenn man eine Situation bereits erfolgreich geschafft hat, ist es immer wieder interessant, auch einen anderen Lösungsansatz auszuprobieren – und verschiedene Lösungsmöglichkeiten gibt es fast für jedes Hindernis.
FAZIT
Zusammenfassend lässt sich sagen, das Shadow Tactics: Blades of the Shogun – Aiko’s Choice ein fantastisches Game ist, das aber vor allem Fans von Shadow Tactics: Blades of the Shogun anspricht. Die Geschichte spielt innerhalb des originalen Titels, und auch der Schwierigkeitsgrad richtet sich an Spieler, die bereits Erfahrung mit dem Original haben. Wer Shadow Tactics: Blades of the Shogun mochte, sollte sich unbedingt auch das neue Stand-Alone Shadow Tactics: Blades of the Shogun – Aiko’s Choice besorgen, um sich durch weitere drei weitere umfangreiche Missionen (und drei kleinere) zu schleichen und kämpfen.