Shenmue I & II im Test

Dass der Begriff “HD Remake” nicht gleichzusetzen mit “HD Remaster” ist, sollte einem geübten Gamer-Auge nun auch bei den beiden überarbeiteten Spielen der Shenmue-Reihe klar werden. Wie gut sich Shenmue I & II, welche auf der Dreamcast ihr Debüt gaben und heute als Klassiker gelten, auf die aktuelle Konsolengeneration gerettet haben, lest ihr hier./h2>

Das Leben und Leiden des Ryo Hazuki

Japan 1986. Ein fremder Besucher bringt Chaos in das friedliche Leben des achtzehnjährigen Protagonisten Ryo Hazuki. Der Unbekannte ist auf der Suche nach dem mysteriösen Spiegel Lan Di und schreckt dabei nicht davor zurück, Ryos Vater, als dieser ihm nicht die gewünschten Antworten bringt, mit seiner unglaublichen Kraft und Technik zur Strecke zu bringen. Ryo schwört, den Tod des Familienoberhaupts zu rächen, und macht sich eigenständig auf die Suche nach Antworten. Diese Reise bringt ihn im zweiten Teil von seinem Heimatort Yokosuka in Japan. nach Hong Kong.

Shenmue ist als Vorreiter für das Open-World-Genre zu verstehen, jedoch muss der heutige Spieler seine Erwartungen an den damaligen Zeitgeist anpassen. Der Spielraum des ersten Teils beinhaltet einige, oftmals verwinkelte, Straßen, währenddessen das Hong Kong des zweiten Teils schon deutlich größer ausfällt, jedoch noch immer weit entfernt vom Ausmaß eines großräumigen Stadt-Komplexes ist. Noch heute ist die Liebe zum Detail zu erkennen, mit welcher diese kleinen Welten gestaltet wurden. Die Fläche ist verglichen mit heutigen Standards sehr klein, wirkt aber dennoch lebendig. Diverse zeitgesteuerte Prozesse, wie zum Beispiel das Öffnen und Schließen von Geschäften, Angestellte, welche zur Arbeit pendeln und anschließend ihren Feierabend in einer Bar genießen, Kinder, welche auf den Straßen spielen und mit Einbruch der Dunkelheit ins Bett müssen, tragen ebenso einen wichtigen Beitrag zu dieser Lebendigkeit bei.

Der Vorreiter des Walking-Simulators

Diese belebten Straßen bewirken auch heute noch eine dichte Atmosphäre, welche so manch grafisch zeitgemäßerer Titel nicht immer umzusetzen weiß. Dieser Atmosphäre ist das klassische Gameplay größtenteils untergeordnet. Auf der Suche nach dem Spiegel Lan Di arbeitet man sich von einem Hinweis zum Nächsten und muss zwischendurch mit Nebenjobs, wie zum Beispiel am Hafen Gabelstapler fahren, sein Zubrot verdienen, um sich eine Schiffsfahrkarte für die Reise nach Hongkong leisten zu können. Auch die Willenskraft wird auf die Probe gestellt: Etwa durch zahlreiche Verlockungen, die euch euer hart verdientes Geld anderweitig ausgeben lassen. Dazu gehören unter anderem, Gashapon-Automaten mit Sammelfiguren bekannter Sega-Charaktere oder Spielhallen, in denen ihr Space Harrier und Outrun zocken könnt.

Die im Gameplay eingebauten Kampf-Passagen, Minispiele und Quick-Time-Events rücken aufgrund der zuvor genannten zahlreichen Aktivitäten zusehends in den Hintergrund und stellen das Erkunden der Umgebung in den Mittelpunkt des Spielgeschehens. Shenmue hat mit seiner gemächlichen Art noch ein weiteres Genre vorweggenommen, denn hätte der Begriff “Walking Simulator” schon damals existiert, Shenmue könnte ihn ohne Probleme für sich beanspruchen.

HD oder nicht HD, das ist hier die Frage …

Sichtbare grafische Verbesserungen bleiben größtenteils aus. Die Kantenglättung und die Umstellung auf Breitbildformat, welche sich jedoch nur auf das Gameplay und nicht auf die Cutscenes beziehen, sind die einzigen Verbesserungen, welche aber erst dann wirklich auffallen, wenn man diese deaktiviert. Aufgrund des naturalistischen Stils präsentiert sich die hochauflösende Grafik ganz passabel. Einzig und allein die schlecht hochskalierten Texturen sind in manchen Kameraeinstellungen keine Augenweide. Abgesehen davon zeigt sich Shenmue mit seinem ganzen Charme eines 3D-Spiels zur Zeit der Jahrtausendwende. Die Kamera bleibt in den Zwischensequenzen nicht immer an ihrem angestammten Platz, sodass sich bei längerem Betrachten meine Augen schnell müde und angespannt fühlten. Im Gameplay selbst lässt sie sich zwar frei um den Charakter herum positionieren, jedoch nur, solange ich den Stick dafür gedrückt halte. Jeder Winkel der Welt ist so vielen detailliert gearbeitet, wie es die Technik damals erlaubte.

Zusätzlich zu diesen altersbedingten Gegebenheiten kommen auf der getesteten XBox One neue, kleinere Fehler hinzu. Hie und da waren die Hintergrundmusik und Soundeffekte einfach verschwunden und ließen sich nur durch einen Neustart wieder ins Spiel zurück holen. Die Sprachaufnahmen klingen wie eine schlechte Digitalisierung von einer alten VHS-Kassette und sind, im Gegensatz zum Original, in ihrer Qualität sogar schlechter ausgefallen. Immerhin wird nun endlich die Möglichkeit geboten, den ersten Shenmue-Teil in seiner ursprünglich japanischen Tonspur zu spielen, da bisher in der westlichen Fassung nur die englische Sprachausgabe verfügbar war. Diese hört sich keinesfalls besser an, aber bietet wenigstens eine nicht so unfreiwillig komische, sowie auch steife, Betonung. Der Soundtrack hingegen hat die Jahrtausendwende gut überstanden und lässt sich auch heute noch in ganzen Zügen genießen. In diesem musikalischen Bereich liegen die wahren Stärken der Shenmue I & II HD Remaster Version.

Positive Anmerkungen und meckern auf hohem Niveau

Das neu eingeführte Speichersystem finde ich praktisch, denn es erlaubt einem, mitten im Spiel zu speichern, statt an vorgegebenen Punkten. Ebenfalls hilfreich ist es, dass nun im Pausemenü ein Steuerungsschema angezeigt wird. Doch ab diesem Punkt hören die Innovationen des Shenmue I & II Remasters leider auch schon auf. Speziell beim ersten Teil hatt ich aufgrund von fehlenden Übersetzungen etwa auf Straßen- und Haustürschildern Probleme, in der Handlung weiter voranzukommen. Bei Shenmue II hingegen gab es bei mir keine Probleme den Weg zu finden, da die Beschriftungen in Hong Kong bereits zweisprachig auf den Schildern angezeigt werden. Als kleines Extra wurde ein Fotomodus und ein paar Bildfilter eingebaut, welche das sonst aber nahezu unveränderte Spielerlebnis nicht weiter verändern.

FAZIT

Wer ein treuer Anhänger der Reihe ist, wird auch an der Portierung von Shenmue I & II für die aktuelle PC- und Konsolengeneration seinen Spaß haben. Es hätte aber meiner Meinung nach generell nicht geschadet, etwas mehr Zeit in den Feinschliff zu investieren, da die beide Spiele sehr storylastig sind und man beispielsweise die Audioqualität der Dialoge an heutige Standards hätte anpassen können. Auch die in Teil eins fehlende alternative Beschriftung der Schilder wäre eine sinnvolle Verbesserung gewesen. Dieser Zug ist wohl abgefahren, aber meine Hoffnung auf einen etwas besser überarbeiteten dritten Teil im August 2019 stirbt zuletzt!

Ein Gastartikel von Andreas Grammel

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Was ist Shenmue I & II? Neuveröffentlichung der beiden 3D-Action-Adventures welche auf der Sega Dreamcast Konsole ihr Debüt gaben.
Plattformen: PS4, XBox One, PC
Getestet: XBox One
Entwickler / Publisher: d3t, SEGA
Release: 21. August 2018
LinkOffizielle Website

Gesamtwertung: 6.0

Einzelwertungen: Grafik: 4 | Sound: 6 | Handling: 6 | Spieldesign: 6 | Motivation: 8

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