Es ist schon wieder fast 10 Jahre her, seit der letzte Teil der Civilization-Reihe erschienen ist? Wie rasch doch die Zeit vergeht, es wurde wirklich Zeit dass Firaxis nun Sid Meier’s Civilization VII veröffentlicht hat! Es gibt doch nichts besseres, als eine Zivilisation von der ersten Stadtgründung bis zur Erfindung und dem Einsatz der Atombombe zu begleiten.
Das originale Civilization von Sid Meier aus dem Jahr 1991 ist eines der genialsten und einflussreichsten Computerspiele aller Zeiten. Es war zwar nicht das allererste 4X Spiel (eXplore, eXpand, eXploit und eXterminate), aber es hat das Genre nachhaltig geprägt und ihm seinen Stempel aufgedrückt. Wie Dune II 1992 die Grundregeln von Echtzeitstrategiespielen eingeführt hat, die noch heute relevant sind, so hat auch Civilization damals Spielmechaniken erstmals implementiert, die bis heute das Grundgerüst für fast alle 4X-Spiele darstellen. Und Nachahmer gibt es viele, nicht zuletzt die langlaufende Civilization Serie selbst.
Sid Meier selbst ist schon lange von Designer zum Berater aufgestiegen und entwickelt die neuen Civilization Spiele nicht mehr persönlich. Civilization II bis nun VII ist von jeweils anderen Lead-Designern geleitet worden. Sid Meier steht aber immer noch beratend zur Seite und sein Namen darf im Titel verwendet werden. Der Mann hätte alleine mit Civilization seinen Namen für alle Zeiten in die Annalen der Computerspielgeschichte eintragen können, aber von ihm stammen auch noch eine ganze Menge weiterer richtungsweisender Spiele, die mich wohl insgesamt monatelang vor den Rechner gefesselt haben. Aus seiner Feder stammen so richtungsweisende Werke wie Railroad Tycoon, Pirates!, Red Storm Rising, Silent Service oder später die Civilization-inspirierten Spiele Alpha Centauri oder Colonization, um nur ein paar aufzuzählen.
Build an Empire to Stand the Test of Time
Der Vorgänger Sid Meier’s Civilization VI ist 2016 veröffentlich worden und hat damals bei Erscheinen keine sonderlich guten Kritiken bekommen. Das Spiel sei zu „comichaft“, nicht „seriös“, und außerdem in allen Punkten dem Vorgänger Sid Meier’s Civilization V (erschienen 2010) unterlegen. Tja, so etwas kann passieren, wenn man einen Nachfolger zu einem genialen und jahrelang mit Patches und Erweiterungen verbesserten Spiel herausbringt. Ja, Sid Meier’s Civilization VI hat einiges verglichen mit dem Vorgänger geändert (und ein paar Kinderkrankheiten bei Erscheinen gehabt), aber insgesamt war es auch ein hervorragendes Spiel – nur eben anders als sein (wirklich guter) Vorgänger. Mir persönlich hat der fünfte Teil eigentlich auch besser gefallen, aber ich bin dennoch froh, dass für den sechsten Teil neue Wege beschritten wurden – sonst hätte ich ja einfach den fünften Teil weitere 10 Jahre weiterspielen können. Die Wertungen für Sid Meier’s Civilization VI sind über die Jahre immer besser geworden, nachdem mehrere kostenpflichtige Erweiterungen und auch umfangreiche Patches das Spiel massiv verbessert haben – und der erste Schock der Fanboys über die Änderungen verflogen war. Im Endergebnis sind sowohl Teil 5 als auch Teil 6 super Spiele – und zum Glück nicht vollkommen ident.
Sid Meier’s Civilization VII ist für Vorbesteller bereits seit einigen Tagen in einer „Advanced Access Version“ erhältlich – und spielbar – gewesen. Die ersten Wertungen auf Steam sind jedoch nicht gerade umwerfend ausgefallen. Warum das? Wurde wieder so viel geändert, dass die langjährigen Civilization-Fans darüber nicht glücklich sind? Hat das Spie noch so viele Programm-Fehler? Oder hat es andere Gründe? Mal sehen.
Nur noch eine Runde
Das grundsätzliche Spielprinzip ist natürlich ähnlich wie bei den älteren Teilen – ihr führt eine Zivilisation durch die Jahrtausende. Ihr beginnt mit der Gründung einer Stadt, baut neue Einheiten und Gebäude, erkundet die Umgebung, erforscht neue Technologien (wie z.B. die Schrift oder den Ackerbau), verteidigt euch gegen kriegerische Bewohner der Welt und tretet in diplomatische Beziehungen mit den anderen großen Zivilisationen. Der Spielablauf ist rundenbasiert, ihr könnt jede Runde eure Einheiten bewegen und neue Bau- oder Forschungsaufträge erteilen (die aber dann meist mehrere Runden bis zur Fertigstellung benötigen). Der Suchtfaktor ist wie bei den früheren Spielen – nur noch eine Runde… bis der Morgen kommt und ich ins Büro muss.
Jede Stadt generiert automatisch Nahrung, Produktionspunkte und Forschungspunkte, die ihr verteilen könnt (und müsst, oder eure Zivilisation entwickelt sich nicht weiter). Städte wachsen kontinuierlich und nehmen immer mehr Landflächen ein, wenn die Rahmenbedingungen passen. Eure Einheiten decken währenddessen die – anfangs vollkommen unerforschte – Umgebung der Stadt auf und finden neue Ressourcen oder andere Städte. Ihr habt von Anfang an die Qual der Wahl – dies oder jenes bauen, dies oder jenes erforschen? Jedes Gebäude, jede Einheit, jede Forschung hat ihre Vor- und Nachteile. Schon bald könnt ihr einen Fokus auf ein bestimmtes Ziel legen – wollt ihr beispielsweise eine militärische Supermacht, ein Ort der Wissenschaft oder eine wirtschaftliche Großmacht werden? Wählt den entsprechenden Berater aus, der euch dazu nützliche Hinweise gibt. Wie geht ihr mit anderen Herrschern um? Wollt ihr kooperieren oder ihnen aggressiv gegenüber treten? Welche Regierungsform wählt ihr aus? Despotismus hat schon seine Vorteile, aber vielleicht wäre eine Oligarchie doch besser? Ihr seht – schon von Beginn an gibt es unzählige Entscheidungen, die jede Runde getroffen werden müssen.
Zu Beginn wählt ihr das Startzeitalter (Antike, Neuzeit, Moderne Zeit) aus, dann eure Zivilisation (10 vorhanden), dazu euren Anführer (der nichts mit der historischen Zivilisation zu tun haben muss). Ich habe beispielsweise als Confuzius der Weise mit dem römischen Reich gespielt. Jede Zivilisation hat einige einzigartige Einheiten, Boni und einen eigenen Entwicklungsbaum, von denen einige als „Traditionen“ in die nächste Epoche übertragen werden können. Manche Dinge können beim ersten Spiel noch nicht ausgewählt werden – die müssen nämlich erst im Spiel freigeschalten werden. Ungewöhnlich für ein Civilization… nun auch mit roguelite-Elementen?
Was sind nun die wesentlichen Änderungen zu den Vorgängern? Naja, beispielsweise die drei Zeitalter. Der Wechsel in ein neues Zeitalter fühlt sich fast wie ein kompletter Neustart des Spieles an. In einem neuen Zeitalter ist eure alte Zivilisation weg. Nunja, nicht vollständig, aber zu großen Teilen. Es sind ja auch ein paar hundert Jahre seit dem Ende des alten Zeitalters vergangen. Ihr beginnt – ebenso wie alle anderen Zivilisationen – quasi von vorne. Ihr baut euer neues Reich (sogar als eine andere Zivilisation!) natürlich auf den Errungenschaften des früheren Zeitalters auf und nehmt einige Boni (und eure Anführer) mit in die neue Zeit, aber sehr viele Dinge sind einfach – weg. Oder zurückgesetzt. Alle Zivilisationen starten – mehr oder weniger – wieder mit den selben Grundvoraussetzungen. Das ist toll, wenn eure Zivilisation ein wenig zurückgeblieben war, aber dennoch ungewohnt. Es hat mich ein wenig an das „rubber-banding“ von manchen Rennspielen erinnert, wo selbst weit abgeschlagene Fahrer plötzlich wieder irgendwie nach vorne katapultiert werden, damit das Rennen für alle spannend bleibt. Ihr werdet im neuen Sid Meier’s Civilization VII also keinem Ritter begegnen, der mit seinem Schwert ein Schlachtschiff versenkt.
Das Problem mit der „einen Militäreinheit pro Feld“ ist nun insofern gelöst, dass euer General seine ganze Armee mitnehmen kann – und bei Bedarf dann am Ziel ablädt – das spielt sich deutlich bequemer so. Ihr könnt Kriegsschiffe nun entlang von Flüssen senden – das ist cool. „Gunboat diplomacy“ nicht nur entlang der Meeresküste. Generell ist das Mikromanagement nun reduziert worden. Es gibt zwar eine Unmenge an Tutorials, die für erfahrene Civilization Spieler nervend und für Neulinge erschlagend sind – aber trotzdem habe ich mehrmals nicht gewusst, warum dies oder das nun wieder nicht funktioniert. Ein paar gut platzierte Hinweise hätten da nicht geschadet. Das User Interface erscheint an manchen Stellen ein wenig umständlich und verbesserungswürdig – oder ich bin nur zu begriffsstützig.
Endgame
Das Diplomatiesystem ist ein wenig einfacher als es bisher war – es gibt keine detaillierten Verhandlungen über bestimmte Ressourcen mehr. Dafür bekommt ihr manchmal ganze Städte als Friedensangebot geschenkt. Barbaren aus früheren Serienablegern sind nun unabhängige Städte. Manche sind von Anfang an feindlich gesinnt, aber mit genug Einfluss (eine neue Währung, die für jede diplomatische Interaktion verwendet wird) könnt ihr sie alle permanent befrieden. Einfluss wird auch für Spionage verwendet – aber sonderlich viel könnt ihr mit Spionage nicht mehr anstellen. Auch die Religion ist stark vereinfacht – ihr könnt nun scheinbar nur mehr Missionare aussenden, um andere Städte zu konvertieren.
Der Sieg in einer vollständigen Partie von Sid Meier’s Civilization VII kann auf verschiedene Arten erreicht werden – militärischer Sieg (auch ohne alle Gegner zu vernichten), wirtschaftliche Dominanz, dem Erforschen von drei wissenschaftlichen Spezialprojekten oder ein kultureller Sieg. Das Ende passiert oft sehr unerwartet – nicht wie in Age of Empires, wo beispielsweise ein „Weltwunder“-Sieg mit einem Countdown eingeleitet wird und alle anderen Spieler wie verrückt versuchen, das Wunder noch schnell zu zerstören. In Sid Meier’s Civilization VII sind die computergesteuerten Gegner ein wenig passiver. Aber eine vernünftige AI in so komplexen Spielen zu programmieren ist immer schwer, das war ja auch bei früheren Serienablegern immer ein Punkt, über den viel diskutiert wurde.
Ein Onlinemodus erlaubt es bis zu fünf (oder auch acht im letzten Zeitalter) menschlichen Spielern, gegeneinander anzutreten, auch systemübergreifend. Ihr benötigt dafür jedoch einen (gratis) 2K-Account. Die technischen Anforderungen an euren PC sind relativ überschaubar – 2K spricht von mindestens einer Nvidia GTX 1050 GPU. Ich habe das Spiel jedoch auch ein paar Stunden auf meinem alten Spielelaptop mit einer GTX 850M Grafikkarte gespielt – und keine Probleme damit gehabt. Möglicherweise kommen die Probleme erst später, wenn euer Reich deutlich größer ist. Kaufen könnt ihr Sid Meier’s Civilization VII auf Steam oder im Epic Store, ebenso wie in den jeweiligen Konsolenshops. Für das Frühjahr ist übrigens eine VR Version von Sid Meier’s Civilization VII für die Meta Quest 3 angekündigt.
Zusammenfassung
FAZIT
Sid Meier’s Civilization VII ist kein Spiel für Anfänger. Auch wenn viele Details und viel Mikromanagement aus den letzten Teilen entfernt wurden, bleibt das Spiel immer noch hochkomplex. Wer noch nie ein Civilization gespielt hat, ist möglicherweise ein klein wenig überfordert. Wer jedoch vor allem die letzten beiden Teile intensiv gespielt hat, dem könnte das Spiel zu sehr versimplifiziert worden sein. Insgesamt scheint Sid Meier’s Civilization VII auf die Konsolenspieler (ein vollwertiges Civilization auf der Nintendo Switch – damit hätte ich nicht gerechnet, Teil 6 war ja doch ein wenig beschnitten) Rücksicht zu nehmen und das Spiel – verglichen mit seinen beiden extrem detaillierten Vorgängern – vereinfacht zu haben.
Erwartet euch kein Civilization VI mit noch mehr Details – sondern seit euch bewusst, dass Sid Meier’s Civilization VII ein neues Spiel ist, in dem zwar die Grundidee die selbe geblieben ist, sich aber viele Details nun völlig anders spielen. Daran werden auch die Patches und die bereits für die nächsten Monate angekündigten (und kaufbaren) DLCs nichts ändern. Was sich jedoch ändert, sind kurzfristig viele kleine Quality of Life Verbesserungen, die Firaxis implementieren wird, beziehungsweise die bereits mit der Version „1.0.1 Patch 2“ ausgerollt wurden.
Sid Meier’s Civilization VII hat sich bisher gut verkauft, dementsprechend umfangreich sind die Rückmeldungen und Änderungswünsche der Spieler ausgefallen. Die Entwickler arbeiten nun mit Hochdruck daran, die (oft nicht ganz unberechtigten) Kritikpunkte zu beheben. Ihr werdet nun also hoffentlich bald wieder eure Städte mit einem eigenen Namen versehen dürfen und einen „Endless Mode“ auf riesigen Karten spielen können. Was jedoch viel wichtiger ist – Sid Meier’s Civilization VII wird wohl wieder über viele Jahre hinweg mit Verbesserungen bedacht werden. Auch die Vorgänger haben sich erst nach einiger Zeit zu dem entwickelt, was sie heute sind – hervorragende Spiele. Ich zweifle nicht daran, dass das auch bei Sid Meier’s Civilization VII der Fall sein wird. Und ein Civilization, das sich ein wenig zügiger als die Vorgänger spielen lässt, hat ja auch seine Vorteile – immerhin muss ich ja auch noch nebenbei Arbeiten gehen…