Solasta: Crown of the Magister im Test

Das epische aber inzwischen in Ehren ergraute Baldur’s Gate II gilt nun seit über 20 Jahren als die Genre-Referenz bei klassischen AD&D Rollenspielen. Kann das soeben erschienene Solasta: Crown of the Magister vom Entwicklerstudio Tactical Adventures dem Klassiker das Wasser reichen?

Es sind kaum 7 Monate vergangen, seit Solasta: Crown of the Magister letztes Jahr als Early Access Version auf Steam veröffentlicht wurde. Unser Redakteur Sven Evil hat sich ungeduldig auf die am 27. Mai erschienene fertige Fassung gestürzt, um zu erfahren ob die im letzten Jahr kommunizierten Pläne und Versprechungen von den Entwicklern auch umgesetzt wurden. Hält die Version 1.0, was unser Anspieltest im letzten Jahr versprochen hat? Konnten die knapp 20 Entwickler wirklich ein Spiel erstellen, das sich mit den Genregrößen messen kann? Immerhin ist der Kopf hinter dem Pariser Studio Tactical Adventures der Branchenveteran Mathieu Girard, Mitgründer von Amplitude Studios (Endless Space, Endless Legend, Dungeon of the Endless, Humankind).

Änderungen seit dem Erscheinen der Early Access Version

Die Versprechen der Entwickler für die Early Access Zeit waren relativ realistisch gehalten – und wurden auch alle erreicht – zumindest am Papier. Die Kommunikation von Tactical Adventures war dabei sehr  transparent. Das für mich zentrale Versprechen war die Fertigstellung der Kampagne. In der Early Access Fassung war nur das erste, rund 10 Stunden dauernde Kapitel spielbar, nun ist auch das zweite und dritte Kapitel der Geschichte verfügbar. Die Entwickler versprechen rund 40 Stunden Spieldauer, wenn ihr in normalem Tempo spielt, und das ist auch realistisch, wobei es mit den ganzen Nebenquests und ein paar Neuanfängen auch deutlich länger sein kann. Was mir hier jedoch auffällt – die Qualität nimmt ab. Es schaut so aus, also wäre das dritte Kapitel nur so rasch wie möglich und ohne Rücksicht auf Verluste fertiggestellt worden. Solasta: Crown of the Magister ist nicht das erste Rollenspiel, das extrem gut anfängt, im weiteren Verlauf aber dramatisch schwächer wird. Ich denke da beispielsweise an Lionheart: Legacy of the Crusader, das in der zweiten Hälfte ein vollkommen anderes Spiel als zu Beginn ist. Oder Stygian: Reign of the old Ones, dessen drittes Kapitel ein Bugfest ist. Bei Solasta: Crown of the Magister wurde im dritten Kapitel offensichtlich einiges gekürzt und die etwas ausführlicher geplante Geschichte ein wenig „vereinfacht“, die Kämpfe sind aber weiterhin gut.

Ein weiteres wesentliches Versprechen war die Fertigstellung des Spieles noch im Jahr 2021 – und bei diesem Vorhaben hatte ich meine größten Zweifel. Vollkommen zu Unrecht, im Gegensatz zu fast allen anderen Softwareprojekten ist Solasta: Crown of the Magister nicht nur im Plan, sondern sogar deutlich schneller fertig geworden.

Während in der Early Access Version bei Level 6 Schluss war, können eure Helden nun bis auf Level 10 aufsteigen. Was nach einer einfachen Übung klingt, ist in Wahrheit ein recht aufwändiges Unterfangen, weil Helden nicht nur einfach höhere Attributwerte erhalten, sondern auch vollkommen neue Fähigkeiten erlernen, die ausbalanciert und grafisch und soundtechnisch implementiert werden müssen. Im Vergleich zur im Oktober letzten Jahres erschienenen Early Access Version wurde die Beleuchtung deutlich verbessert – die Grafik wirkt nun bunter und hübscher. Ebenso wurden verschiedene Schwierigkeitsgrade eingeführt – falls es euch zu leicht oder zu schwer ist. Ältere Speicherstände sind übrigens nicht kompatibel mit der finalen Fassung, wer so wie ich seit Dezember nicht mehr gespielt hat muss vollkommen neu beginnen.

Die (detaillierte) Charaktererstellung

Wie in (fast) jedem guten klassischen Rollenspiel müsst ihr zuerst eure vierköpfige Heldengruppe erstellen. Für so manchen Spieler soll das ja bereits interessanter als das eigentliche Spiel sein. Ihr könnt dabei für jeden Charakter neben dem Geschlecht auch seine Herkunft (Rasse) wählen: Hügelzwerg, Halbelf, Mensch, Hochelf oder Sumpf-Halbling. Danach müsst ihr euch für eine der sechs Klassen entscheiden. Entweder Kämpfer, Schurke, Magier, Kleriker – oder eine der beiden durch die Kickstarter-Stretch-Goals hinzugefügten Klassen – Paladin und Waldläufer. Es wird auch eine siebente Klasse geben, den Hexenmeister (Sorcerer), der in Zukunft (hoffentlich) in einem kostenlosen DLC verfügbar sein wird. nach dem Festlegen der Ausrüstung, Hintergrundgeschichte, Gesinnung und spezieller Wesenszüge werden die Attribute ausgewürfelt und weitere Fertigkeiten wie Sprachkenntnisse und Zaubersprüche hinzugefügt. Im letzten Schritt könnt ihr dann noch das Aussehen an eure Wünsche anpassen und dem Helden einen Namen geben. Falls euch diese detaillierte Erstellung eurer Helden zu langwierig ist, könnt ihr auch einfach aus den sechs bereits vorgefertigten Helden auswählen.

It starts

Das Spiel beginnt mit dem Zusammentreffen unserer Helden in einer Taverne. Jeder der vier hat so seine Geschichte zu erzählen, wie er in die Taverne gekommen ist, und wir spielen diese Erlebnisse als kurze Tutorial-Missionen, die uns unterschiedliche Spielmechaniken erklären – ein Gefängnisausbruch, eine Flucht vor wilden Wölfen, das Umschleichen von ein paar Orks und zuletzt ein Einbruch in eine Banditenfestung. Eigentlich recht gut gemacht, aber scheinbar gibt es keine Möglichkeit, die Tutorial-Missionen bei späteren Durchläufen zu überspringen, was ein bisschen mühsam ist. Die Geschichte von Solasta: Crown of the Magister ist nicht besonders bahnbrechend oder tiefgründig. Über 1.000 Jahre nach der Verwüstung des Königreiches der Elfen durch eine schreckliche Katastrophe wird ein Weg entdeckt, der in das verwüstete Land führt, in dem unermessliche Reichtümer und uraltes Wissen verborgen sein sollen. Die angrenzenden Königreiche haben den Hohen Rat gegründet, der dafür sorgen soll, dass die Geheimnisse des verwüsteten Landes allen angrenzenden Königreichen gleichermaßen zu Gute kommen. Unsere Abenteurergruppe wird vom Rat beauftragt, das angebliche Wiederauftauchen der Soraks, einer Rasse bösartiger Echsen, zu untersuchen. Diese reptilienartigen Eroberer sind nur unsere erste Sorge, denn schon bald finden wir etwas anderes: eine schimmernde Krone, die auf einem Altar liegt (und dem Spiel seinen Namen gegeben hat). Wir haben nun die Wahl, welcher Charakter sie auf seinen Kopf setzt… wobei es vielleicht nicht immer die klügste Idee ist, verzauberte Kronen aufzusetzen.

Rundenbasierte Gefechte

Die taktischen Gefechte sind das Herzstück des Spieles und dementsprechend aufwändig gestaltet. Unsere Helden können sich bewegen, angreifen, eine Fähigkeit oder einen Gegenstand einsetzen. Neben den üblichen Angriffen und Zaubersprüchen spielt allerdings auch das Licht eine große Rolle. Wenn wir gegen einen Gegner kämpfen und im Dunkeln stehen, erleiden wir Nachteile im Kampf. Bestimmte Rassen können dies durch die Fähigkeit „Dunkelsicht“ kompensieren. Bei lichtempfindlichen Gegnern wie Vampiren kann eine vorteilhaft platzierte Beleuchtung (Lampen an den Wänden, ein Tageslicht Zauber) oder ein geöffnetes Fenster (damit Licht hereinkommt) kampfentscheidend sein.  Neben dem Licht spielen auch Höhenunterschiede eine wichtige Rolle. Praktisch überall gibt es Felswände oder Leitern zu erklimmen. Von oben haben Fernkämpfer eine deutlich bessere Sicht auf das Schlachtfeld, zudem gibt es oft Felsen oder marode Säulen, die man auf die Gegner stürzen lassen kann. Charaktere mit hoher Stärke haben eine gute Chance, Feinde einfach in den Abgrund zu stoßen oder sie zumindest umzuwerfen, wodurch sie im Nahkampf leichter zu treffen sind. Wer nicht in der Sichtlinie der Gegner steht, kann sich verstecken, was besonders für Schurken wichtig ist. Generell ist es sinnvoll, wenn die Gruppe auch außerhalb von Kämpfen durch die Dungeons schleicht, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, Gegner zu überraschen, die dann zu Beginn des Kampfes eine Runde aussetzen müssen.

Game Over

Das Spiel ist vorbei, wenn eines unserer Gruppenmitglieder stirbt (und ihr ihn nicht wiederbeleben könnt). Einen neuen Charakter erstellen oder in der Taverne einen neuen anheuern geht nicht. Stirbt einer unserer vier Helden, kommt der „Game Over“ Bildschirm und wir dürfen den letzten Spielstand laden. Was so brutal klingt, ist in Wahrheit eine Erleichterung. Denn so kann es nie vorkommen, dass ihr euch von einem liebevoll erstellten und stundenlang verbesserten Helden verabschieden müsst und wertvolle Fähigkeiten verliert. Ihr müsst einfach den letzten Kampf noch einmal spielen. Die Zusammenstellung der Gruppe kann übrigens nie geändert werden – wer also zu Beginn einen Haufen Loser erstellt, muss mit denen durch das ganze Spiel kommen (oder ein neues Spiel beginnen). Ich finde das aber recht gut, weil einem seine Helden dadurch richtig ans Herz wachsen und nicht an jeder Ecke mit beliebigen neuen Typen ersetzt werden können.

Crafting

Solasta: Crown of the Magister ist zwar kein Survival Spiel, aber ein wenig Craften ist trotzdem möglich. Das Spiel ermöglicht es unseren Helden, vier Arten von Gegenständen zu basteln: Tränke, Gifte, Schriftrollen und magische Waffen und Rüstungen. Hierfür benötigt unser Charakter zuerst die Fähigkeit, mit dem entsprechenden Werkzeug umzugehen (die wird schon bei der Charaktererstellung ausgewählt), dann ein passendes Rezept und schließlich auch die notwendigen Zutaten wie Kräuter, Pulver oder magische Edelsteine. Das Ergebnis ist dann zwar manchmal nicht so toll wie erwartet, aber oft kommen dabei auch ganz nützliche Dinge heraus.

Dungeon Master

Ein besonderer zusätzlicher Bonus des Spieles ist der exzellente Dungeon-Editor (noch in Beta). Hier könnt ihr eure eigenen Dungeons entwerfen und alles von der Raumaufteilung, der Zusammenstellung der Monster und der Schätze, die die Party finden wird, bis hin zur Dekoration und Beleuchtung der einzelnen Räume oder der Hintergrundmusik selbst erstellen. Eure fertigen Verließe könnt ihr dann dank Workshop-Integration auf Steam hochladen und anderen Spielern zur Verfügung stellen.

Solasta: Crown of the Magister ist für den PC auf Steam und GOG verfügbar. Eine Mac Portierung ist geplant, zu Konsolenfassungen halten sich die Entwickler noch bedeckt, schließen sie jedoch zumindest nicht aus.

Zusammenfassung

Passende Beiträge

Sky Oceans: Wings for Hire im Test

E-Scooter NAVEE V40i Pro im Test

Lost Eidolons: Veil of the Witch im Test